Text: David Schnapp Fotos: Thomas Buchwalder, Filip Zuan, Olivia Pulver, Matthew Gilson/HO

Gäste, die nicht auftauchen. Wenn man Küchenchefs und Gastronomen nach ihren grössten Herausforderungen fragt, wird «no show» schnell zum Thema. Die Probleme mit Gästen, die reservieren, dann aber nicht erscheinen, nehmen drastisch zu. Zum Beispiel buchen die gleichen Leute am selben Abend Tische in verschiedenen Lokalen, um sich dann spontan für eines zu entscheiden. Oder sie ändern kurzfristig ihre Pläne, ohne vorher im Restaurant Bescheid zu geben. Dort fehlt dann der Umsatz, die «no shows» belasten ein ohnehin schon hartes Geschäft zusätzlich.

 

Reservationsgebühr. Im Swiss Deluxe Hotel Dolder Grand in Zürich geht man deshalb einen neuen Weg. Ab 15. Oktober machen die Gäste von Heiko Nieders «The Restaurant» (grosses Bild oben mit Managing Director Mark Jacob) nicht mehr bloss eine Reservation, sie bezahlen pro Person 50 Franken für das Mittagsmenü und 100 Franken für den Abend im Voraus. Bis fünf Tage vor dem Termin, kann man die Reservation kostenfrei stornieren. «Tock» heisst das Reservations- und Vorauszahlungssystem, das neu zum Einsatz kommt und sich bereits in Amerika als «Game Changer» erwiesen hat. 

Daniel Humm

Setzt auf Tock: Daniel Humm.

Grant Achatz Alinea Chicago

Er hat's miterfunden: Grant Achatz.

1000 Restaurants in 23 Ländern. In vielen Spitzenrestaurants in den USA wie «Alinea» in Chicago, «Eleven Madison Park» und «Per Se» in New York ist «Tock» seit 2015 erfolgreich im Einsatz. Und weltweit nutzen bereits über 1000 Restaurants in 23 Ländern das System. Gäste kaufen eine Art Ticket für ein Essen und bezahlen es im Voraus, wie es für Konzerte oder Sportveranstaltungen längst üblich ist. Erfunden haben es die Köpfe hinter «Alinea» in Chicago, Grant Achatz und Nick Kokonas. Eine folgerichtige Entwicklung, denn Mastermind Achatz bietet längst ein theaterähnliches Fine-Dining-Erlebnis mit verschiedenen Kulissen, Lichtstimmungen und exaktem Timing an. Zu den «Toc»k-Investoren gehören auch der frühere Twitter-CEO Dick Costolo und der legendäre US-Chef Thomas Keller («The French Laundry», «Per Se»).

 

Der Gast entscheidet. Heiko Nieder will nicht so weit gehen, ganze Menüs im Voraus einzukassieren. «Wir wollen bloss die Leute sensibilisieren für das Problem der ‹no shows›», sagt er. Am Tisch solle der Gast immer noch selber entscheiden können, ob er das grosse Menü bestellen oder à la Carte essen wolle. Da der bereits bezahlte Betrag immer die gleiche Höhe habe, sei die Handhabung bei der Schlussabrechnung einfach und für den Gast nachvollziehbar. Dass mehr Gäste ohne Nachricht nicht auftauchen oder in letzter Minute absagen, sei ein eindeutiger Trend, sagt Heiko Nieder: «Wir hatten schon Abende mit 16 ‹no shows›, das ist dann schon sehr ärgerlich. Vor allem, weil wir gleichzeitig Gäste auf der Warteliste haben.»

Markus Arnold (Chefkoch Steinhalle Bern)

Wer online reserviert und vorausbezahlt, bekommt Rabatt: Markus Arnold in der «Steinhalle», Bern.

Markus Arnolds Lehrgeld. Der erste Gastronom in der Schweiz, der «Tock» systematisch Stil nutzte, war Markus Arnold in der Berner «Steinhalle» (16 Punkte), der das Buchungssystem seit 2017 einsetzt. Wer bei ihm das Abendmenü online über Tock bucht und gleich bezahlt, bekommt 10 Franken Ermässigung auf den Menüpreis. «So haben wir über 50 Prozent Online-Buchungsrate und kaum noch ‹no shows›», erklärt der innovative Gastronom. Allerdings habe er auch Lehrgeld bezahlen müssen. Durch einen Kommunikationsfehler seien viele Gäste zu Beginn davon ausgegangen, dass sie grundsätzlich im Voraus bezahlen müssten. «Das kam schlecht an, Vorauszahlung für Restaurants ist in der Schweiz ein heikles Thema», sagt Arnold. Mittlerweile sei das System etabliert und habe sich bewährt. Wer telefonisch reservieren will, muss einen höheren Preis bezahlen – «das wird akzeptiert».

 

«Mehr Verbindlichkeit und Nachhaltigkeit.» Managing Director Mark Jacob vom «Dolder» geht es beim neuen Reservations- und Vorauszahlungssystem nicht in erster Linie um ökonomische Aspekte. «Es ist eher eine Frage von mehr Verbindlichkeit und Nachhaltigkeit. Wenn ein Gast nicht kommt oder in letzter Minute absagt, kann ein anderer, der wirklich Interesse hat, deswegen nicht ins Restaurant. Und die Küche bereitet eine bestimmte Menge Essen vor, die dann nicht gebraucht wird. Beides ist einfach schade», sagt der erfahrene Hotelmanager. Im «Dolder» habe man im übrigen gute Erfahrungen mit Vorauszahlungen gemacht: «Beim Sonntags-Brunch wird seit Beginn bei Reservation per Kreditkarte bezahlt, unsere Gäste haben das als Selbstverständlichkeit akzeptiert», sagt Mark Jacob.