Lieblingsbar? In Zeiten, wo viele Gastronomen ihre Räumlichkeiten dekadent umbauen, finde ich Orte wie die Gamper Bar umso wichtiger. Hier steht der Mensch im Vordergrund statt ein Raum. Das Glasmosaik an den Wänden und der Decke erinnert an eine klassische Bar, ohne spektakulär wirken zu wollen. Weinbars gibts einige, aber die Gamper Bar probiert ein neues Publikum für dieses sehr klassische Getränk zu gewinnen. Gerade durch die grosse Auswahl an Naturweinen, die für viele klassische Weintrinker kontrovers erscheinen mag, finden junge Leute einen Zugang zur Welt des Weins. Während ich in solchen Weinbars im Ausland eine Tendenz zu extremen und wilden Weinen mit zu vielen Fehlern beobachte, zeugt die Weinauswahl hier von einer gewissen Reife. Und natürlich sind die Snacks in Bar ebenso unprätentiös und von hervorragender Qualität.

Weinbar Gamper Bar in Zürich

Im Gegensatz zu anderen Weinbars spricht die Gamper Bar auch ein junges Publikum in Zürich an.

Gamper Bar in Zürich von Balz Coray, Marius Frehner und Jonas Frey

Auch die Snacks in Bar sind unprätentiös und von hervorragender Qualität.

Ausflugsziel? Ein Ausflug zum Albishaus auf dem Albispass lohnt sich zu jeder Jahreszeit – auch im Winter. Du kannst dort was essen, aber ich gehe primär für die wunderschöne Aussicht auf den Zugersee und den Innerschweizer Bergen. Zusätzlich bietet sich noch der naheliegende Türlersee an für einen weiteren Zwischenstopp. Ich bin früher oft mit dem Motorrad dahin gefahren. Witziger Fakt: Mein erster Beitrag auf Instagram zeigt die Aussicht vom Albishaus.

 

Restaurant-Tipp? Die «Vereinigung» ist eine schöne Beiz mit sehr gutem Essen – mittlerweile leider eine seltene Kombination in Zürich. Vorallem mag ich aber die Personen, die sie führen. Es sind Leute, die sich für gute Produkte interessieren und seit Jahren «Nose to Tail» betreiben, ohne Anglizismen verwenden zu müssen – sie machens einfach. Hier fühlt es sich an, als könntest du jassen, ein Glas Wein oder Bier trinken, oder einfach etwas Gutes essen. Ebenso führen sie Naturweine im Sortiment ohne irgendwelches Tamtam drumherum. Ich kann dort alleine etwas an der Bar essen, ohne mich beobachtet fühlen zu müssen. An anderen Orten wäre das nicht möglich.

Vereinigung in Zürich Wiedikon

In der Vereinigung herrscht eine Beizenstimmung, wie sie nur noch selten in Zürich anzutreffen ist.

Ochsen-Siedfleisch an einer Salsa Verde mit Quetschkartoffeln, Karotten und Lauch in der Vereinigung in Zürich Wiedikon

Ochsen-Siedfleisch an einer Salsa Verde mit Quetschkartoffeln, Karotten und Lauch.

Rückzugsort? Zwischen Häusern und Hauptstrassen versteckt sich das Schindlergut – ein Park im Quartier Unterstrass. Ich mag solche Grünstellen mit schöner Aussicht auf die Stadt, weil sie Urbanität vermitteln. Als ehemaliger Präsident des BMX-Vereins «NT Dirt» half ich beim Aufbau des Pumptracks auf der ehemaligen Kronenwiese unterhalb des Schindlerguts. Den Park selbst habe ich aber nie wahrgenommen aufgrund der vielen Büsche, die ihn verbergen.

 

Lieblingsgeschäft? Dank sehr langen Öffnungszeiten bis 21.00 Uhr und einem aussergewöhnlich guten Sortiment ist das «Welschland» mein perfekter Quartierladen. Der rezente Vacherin und ihre Fondue-Mischung sind spitzenklasse. Wenn das Wetter stimmt, hole ich dort manchmal eine Flasche Cidre für den Feierabend und trinke sie zusammen mit Thomas (Mitinhaber «Coffee», Anm. d. R.) vor unserem Café. Und einmal habe ich für einen Freund aus Miami dort Käse und Charcuterie gekauft für einen spontanen Privatapéro im «Coffee». Das war ein völlig neues Erlebnis für ihn. In Miami gibt es sowas nicht – da musst du für einen Apéro in die Bar. Hier denkst du nicht mal zwei Sekunden darüber nach: Hast du Hunger und Lust etwas zu trinken, gehst du kurz einkaufen und schneidest auf dem Brett alles zurecht. Deshalb verkörpert das «Welschland» für mich auch diese Ungezwungenheit, die wir in Europa haben.

Welschland in Zürich

Mit langen Öffnungszeiten ist das «Welschland» ein Quartierladen, wie man sich ihn wünscht.

>> Shem Leupin ist ein Vorreiter der jungen Kaffee-Szene in Zürich. Geboren in der Schweiz, aufgewachsen in Australien und als junger Erwachsener zurück in der Schweiz arbeitete er zuerst als Maurer auf dem Bau und danach in der Gastronomie. Während der Ferien in Australien hatte er dann ein Aha-Erlebnis bezüglich Kaffee. In der Schweiz krempelte er zunächst das Kaffee-Konzept in der Sport Bar um, gewann 2013 die Schweizer Barista-Meisterschaft und begann bei Stoll Kaffee zu arbeiten. Dort widmet sich Leupin vor allem dem Branding und Einkauf von Rohkaffee sowie der Röstung des Spezialitätenkaffee-Sortiments. 2016 eröffnete er zusammen mit Thomas Leuenberger das «Coffee».