Mögen Sie Ihr Siedfleisch mager oder durchzogen? 

Ich persönlich schätze es, wenn noch etwas Fett dran ist. Es ist ein Geschmacksträger und verhindert, dass das Fleisch austrocknet. Wer das Fett nicht mag, kann es ja nach dem Kochen wegschneiden. 

Im Bären in Utzenstorf servieren Sie Tafelspitz - wo liegt da eigentlich der Unterschied zum Siedfleisch? 

Der Tafelspitz ist, wie der Name es schon sagt, ein «Spitz» vom Huftdeckel, wie er gern in Österreich verwendet wird. Er ist vergleichsweise mager, aber für mich ist hier das Verhältnis von Fleisch und Fett optimal. 

Ich nehme an, Sie beginnen die die Zubereitung der Bouillon auch mit einer angerösteten Zwiebel. Wie schwarz darf sie werden? 

Oh, die Zwiebel darf schon richtig dunkel werden. Man sollte mit sehr kleiner Flamme beginnen, sich Zeit lassen. Der Röstprozess darf bis zu einer halben Stunde dauern. Dann hat man auch die gewünschten süssen Aromen durch die Karamellisierung. Die Haut der Zwiebel lasse ich übrigens dran. Sie hilft, dass die Bouillon eine schön goldene Farbe bekommt. 

Wie sollte das Verhältnis von Fleisch zu Wasser sein?  

Das Fleisch muss natürlich von Wasser zugedeckt sein, ich wäge nie ab. Ich mache jeweils gleich acht Kilo Siedfleisch aufs Mal, in einem 40-Liter-Topf. Bei der Flüssigkeitsmenge kommt es halt auch darauf an, ob man am Ende eine möglichst kräftige Suppe möchte. Oder die Bouillon für Risotto verwendet, wofür sie ruhig auch dünner sein darf.  

 

 

Tafelspitz: Duenne Tranchen vom Siedfleisch lauwarmer Gerstensalat mit Bündnerfleisch Apfel, Senfcreme und Meerrettichdip Baeren Bären Utzenstorf, 6.2.2018 © Marcus Gyger

So geht Tafelspitz bei Thommen auch: Dünne Tranchen mit Gerstensalat, Bündnerfleisch, Apfel, Senfcreme und Meerrettich.

Wann wird gesalzen? 

Ich salze Fleisch fast ausnahmslos vor der Zubereitung, damit das Salz auch wirklich ins Stück eindringt. 

Weitere Zutaten? 

In den Topf mit Fleisch und Wasser kommt von Beginn weg ein Bouquet garni mit Lauch, Rüebli, Sellerie und Zwiebeln. Später ein Sachet d’épices – wird das zu lange mitgekocht, verlieren sich die gewünschten Aromen. Bei uns dauert die Zubereitung des Siedfleischs ungefähr vier Stunden, das Ganze soll immer knapp unter dem Siedepunkt sein. Wichtig ist, dass Sie die Trübstoffe auf der Wasseroberfläche wiederholt abschöpfen. 

Stichwort Knochen - mit oder ohne? 

Für den Geschmack sind sie natürlich förderlich. Wer es ganz korrekt machen will, blanchiert die Knochen zuerst, damit sie vom Blut und ähnlichem gereinigt werden. Danach werden sie mit warmem Wasser abgespült, zuletzt mit kaltem Wasser, damit sich die Poren wieder schliessen.   

Und kann das Suppengemüse saisonal variieren?  

Grundsätzlich bildet schon Wurzelgemüse die Basis, Siedfleisch ist halt ein Wintergericht. Es spricht jedoch nichts dagegen, im Frühling mal Kohlrabi oder Frühlingszwiebeln hinzugeben. Je nach Gemüse kann es sich lohnen, dieses in einem separaten Topf – aber schon mit der gleichen Fleischbouillon – zuzubereiten. 

Und Knoblauch? 

Da fragen Sie den Falschen! Knoblauch mag ich nicht, der ist in meiner Küche quasi inexistent. Schon mein Vater hielt das so. 

 

Bären Utzenstorf: Knoblauch lässt das Tier nicht herein.

Bären Utzenstorf: Knoblauch lässt das Tier nicht herein.

Welche Kräuter dürfen zum Siedfleisch?  

Wenn Sie es klassisch mögen, sind es Peterli, Schnittlauch oder Liebstöckel. Wenn Sie das Siedfleisch aber beispielsweise asiatisch weiterverwenden, kann auch mal Koriander, Ingwer oder Zitronengras dazugeben. 

Asiatisches Siedfleisch – wie geht das? 

Sie schneiden das Fleisch dünn auf. Und kombinieren es kalt mit etwas Sesamöl, Fischsauce, Sweet-Chili-Sauce, gehackten Frühlingszwiebeln, Chili, Koriander.  

Eine tipptoppe Resteverwertung. Was könnte man sonst damit machen? 

Wenn wir grad dabei sind: Lassen Sie das Fleisch unbedingt in der Bouillon erkalten, dann bleibt es viel saftiger. Was damit machen? Lauwarm schmecken dünne Siedfleischtranchen beispielsweise mit einer Vinaigrette hervorragend. 

Sind Sie eigentlich der Meerrettich- oder Senf-Typ?  

Vor kurzem haben wir das Siedfleisch als Vorspeise mit einem Senfglace auf Apfel-Birnen-Basis serviert. Schärfe ist aber eh immer gut – ich mag beides! 

 

>> Martin Thommen ist seit 2009 Küchenchef im «Bären», Utzenstorf BE. Er führt den Betrieb mit neu 15 Punkten in bereits 14. (!) Generation; gelernt hat er bei Oskar Marti, André Jaeger und Horst Petermann. Bis 2023 war Thommen sechs Jahre lang Präsident der «Jeunes Restaurateurs d'Europe», Schweiz. Er ist verheiratet und hat drei Kinder.

>> www.baeren-utzenstorf.ch

 

Fotos: Getty Images / David Birri / Marcus Gyger