Fotos: Nik Hunger

Ausweichen auf Piwi-Sorten. Ihre 12 Parzellen, gesamthaft 3 Hektar bloss, verteilen sich auf die Region Bellinzona. Und selbstverständlich wächst dort zu einem beachtlichen Teil Merlot. «Wer Rebland kauft, kauft diese Sorte zumeist mit.» Allerdings reissen sie, so erzählen Anna Maspoli und Luca Locatelli von «Manimatte» weiter, diese Rebstöcke regelmässig aus: «Gut ein halbes Hektar pro Jahr ersetzen wir mit Piwi-Sorten.» Die logische Konsequenz: Ihr Merlot «Cippirimerlo», was übersetzt für «eine lange Nase machen» steht, ist ein Auslaufmodell. Auch wenn er mit seiner fruchtig-frischen Nase, der passenden Struktur und seiner Eleganz bei der Verkostung durchaus zu überzeugen weiss. 

«Naturweine» nehmen sie nicht in den Mund. Wie kommen die beiden jungen Winzer, die auch privat liiert sind, zu einer so radikalen Vorgehensweise? Ziel sei es in erster Linie gewesen, bei der Arbeit, wenn immer möglich, auf Pestizide zu verzichten. Schliesslich wollten sie noch 30, 40 Jahre im Beruf arbeiten, ergänzt Luca Locatelli. «Und im regenreichen Tessin ist Merlot eigentlich die falsche Sorte, weil er sehr anfällig auf Mehltau ist. Auch im Bio-Weinbau muss gespritzt werden.» Unweigerlich komme man da auf die pilzresistenten Sorten. Es sei ihnen bewusst, dass die «Piwis» nicht unbedingt den besten Ruf haben, «aber wir nennen sie eh meist lieber beim Namen, sprechen von Johanniter oder Souvignier.» Auch den Terminus «Naturwein» nehmen sie nur selten in den Mund, obwohl sie – bis auf den minimalen Einsatz von Schwefel bei der Abfüllung – auf Eingriffe verzichten. Spontane Gärung ist angesagt. Viele Weine reifen in Amphoren, wie etwa der «Souvignier gris Orange». 

Mani Matte, Bio Weingut, Bellinzona, Luca Locatelli mit Partnerin Anna

Mit Netzen schützen Anna Maspoli & Luca Locatelli ihre Trauben vor Hagel und Vögeln.

Mani Matte, Bio Weingut, Bellinzona, Satin Noir

Es dauert nur noch wenige Tage, bis bei «Manimatte» die Ernte der Rotweintrauben ansteht.

Merlot, Tessin & Tourismus. Wieso hat denn der Merlot im Tessin so dermassen Erfolg? «Aus heutiger Sicht ist das nicht unbedingt mehr nachvollziehbar», sagt der 31-jährige Luca Locatelli, der ursprünglich Biologie studiert hat und dann erst auf Weinbau umsattelte. Es habe einerseits damit zu tun, dass die Rebbauern früher damit höhere Kilopreise erzielen konnten. Und dass die eidgenössische Forschungsstelle Agroscope die Sorte für den italienischsprachigen Kanton ausdrücklich empfohlen hat. Und wieso bleiben denn so viele Winzer im Tessin bis heute dabei? «Merlot, Tessin und Tourismus gehören und passen zusammen», erklärt Anna Maspoli, 32, die ein Studium in Sozialanthropologie und Geographie absolviert hat. Die beiden sind überzeugt davon, dass das Interesse auch bei den Kollegen nichtsdestotrotz wachsen wird. «100 Hektar Piwis gibt es schon im Tessin, bloss landen sie meist in herkömmlichen Merlots – der AOC-Status erlaubt ja bis zu zehn Prozent undeklarierte Sorten.» 

Mani Matte, Bio Weingut, Bellinzona, Anna

Anna Maspoli schenkt aus – im Degustationsraum von «Manimatte».

Mani Matte, Bio Weingut, Bellinzona, Maische von Johanniter

Spontan: Zum Grossteil werden die Weissweine auf der Maische vergoren.

Mani Matte, Bio Weingut, Bellinzona, Luca Locatelli

Hier entsteht Pet-Nat: Luca Locatelli vor einem Gärtank mit weissen Piwi-Sorten.

Wein, perfekt zu Kastanien und Lardo. Was entsteht aus den neuen Sorten bei «Manimatte», zu deutsch «die verrückten Hände»? Es sind Weine, wie der «Tet-a-Tet» 2024, ein Rosé, für den Divico und Merlot am gleichen Tag gelesen, zusammen gepresst und vergoren werden: ein fruchtiger Wein mit tragender Säure und tänzerischer Tanninstruktur. Oder der Pet Nat «Isabolla», aus der Isabella-Traube, mit fast cremiger Perlage, der aromatisch an Waldbeeren erinnert. Im Sommer ein toller Apérowein, «und im Winter sicher passend zu gerösteten Kastanien und Lardo», kommentiert Luca Locatelli.  

Jemand muss den Anfang machen. Pet Nats, also Weine, die in der Flasche noch weitergären und darum eine leicht Kohlensäure mitbringen, trifft man gleich mehrmals im «Manimatte»-Sortiment. Wie kommt das? «Vor uns hat das im Tessin niemand gemacht – jemand musste es einfach tun», sagt Anna Maspoli. Wird auch dies, wie vielleicht das Anpflanzen von Piwi-Sorten, Schule machen? «Wir hatten zumindest schon Anrufe von Winzerkollegen, wie wir denn eigentlich die Pet Nats vinifizieren.» Was nicht ist, kann also noch werden. 

>> www.manimatte.ch