Schönste Musik des Herbstes. Es ist Mitte September. In den Fässern im Keller der Domaine Bonnet du Fou blubbert der Saft der vor wenigen Tagen gepressten Trauben gut hörbar vor sich hin. «Das ist die schönste Musik des Herbstes», sagt Roman Thürig. Zusammen mit seinem langjährigen Freund und Geschäftspartner Manuel Schneiter steckt er mitten in der fünften Lese des gemeinsamen Winzerlebens. «Alles lief optimal, bis es ab Ende August zwei Wochen lang fast ununterbrochen regnete. Für uns hiess das, dass wir reihenweise verfaulte Trauben entfernen mussten, entsprechend geringer fällt der Ertrag aus.» Doch Thürig und Schneiter, im Juli von GaultMillau als «Rookies des Jahres» ausgezeichnet, lassen sich davon nicht entmutigen. Sie leben im schmucken Weinbaudorf Twann am Bielersee ihren Traum. Und machen Wein genau so, wie es ihnen gefällt. Grosses Bild oben: Roman Thürig (l.) und Manuel Schneiter.
Neue Facetten für die Seele des Chasselas. Der Name ihres Weinguts, Bonnet du Fou, bedeutet auf Deutsch «Narrenkappe». Es ist gleichermassen Hommage ans zweisprachige Seeland wie Ausdruck ihrer unkonventionellen Herangehensweise an den Winzerberuf. «Wenn uns ein erfahrener Kollege sagt, dass eine unserer Ideen nicht funktioniere, wollen wir es selbst herausfinden. Und manchmal sind wir trotzdem erfolgreich», sagt Thürig. Bestes Beispiel: der Chasselas Marnin von über 40-jährigen Reben, zunächst drei Monate lang im Edelstahltank und dann für acht Monate im zehnjährigen Barrique gereift. Der Chasselas vertrage das gebrauchte Barrique schon, beteuert Schneiter. Und tatsächlich: Der «Marnin» ist ein Wein mit feinen Holznoten, leichter Tanninstruktur und schöner Mineralität; ein Wein, den man auch zu kräftigerem Fisch mit Beurre blanc servieren kann. Die Seele des Chasselas bleibt erhalten, gewinnt nur neue Facetten dazu.

Manuel Schneiter & Roman Thürig (r.) schätzen die Werbung, welche die Auszeichnung «Rookie des Jahres» mit sich bringt.
Geliebte Lage Gaucheten. Die grosse Liebe der beiden Quereinsteiger – Thürig arbeitete im Büro und in der Gastronomie; Schneiter als Polymechaniker und Kaufmann – bleibt gleichwohl der Pinot Noir. Daraus machen sie kein Geheimnis. «Aus keiner anderen Traube entstehen derart interessante Weine. Da verzeiht man der Sorte gern, dass sie im Rebberg eine Diva ist», so Schneiter. Wie der Chasselas hat die komplexe, tänzerische Rotweintraube eine lange Tradition am Bielersee. Auch das ist ein Grund für die Bonnet-du-Fou-Gründer, ihr ihr Herz zu schenken. «Wir möchten in unseren Weinen die Region und die Rebsorte abbilden», erklärt Thürig. Wie seinem Kompagnon hat es ihm vor allem die Einzellage Gaucheten angetan, die kühlste Lage des Weinguts auf etwas mehr als 500 Metern über Meer. 35 Jahre alt sind die Reben dort im Schnitt. Die Mineralität des eleganten, frischen Weins, der daraus entsteht, widerspiegelt die Kalkböden. «Die Karaffe ist sein Freund», heisst es auf der Website von «Bonnet du Fou» poetisch.

Domaine Bonnet du Fou in Twann, BE: Hier am Bielersee haben Chasselas und Pinot Noir Tradition.
Die Bieridee vom Weingut. Roman Thürigs und Manuel Schneiters Arbeitsprinzip lässt sich auf die Formel «So wenige Eingriffe wie möglich, so viele wie nötig» herunterbrechen. Das bedeutet, dass sie keine Maschinen und keinen Traktor in ihre Rebzeilen lassen und stets von Hand lesen. Auf zugesetzte Hefe verzichten sie im Keller, nicht aber auf etwas Schwefel, da er den Wein haltbar macht und vor Bakterien schützt. Ebenso bemerkenswert wie ungewöhnlich ist, dass Schneiter und Thürig niemanden aus der Winzerszene kannten, bevor sie sich an einem Abend bei einigen Gläsern Bier (!) entschieden, beruflich auf den Wein zu setzen. «Ich trank einfach gern guten Wein und näherte mich so dem Thema an», so Thürig. Sein Geschäftspartner, der zur Zeit des Entscheids keinen festen Job hatte, begann wenige Monate später eine Lehre bei der Bielersee-Winzerin Anne-Claire Schott – und merkte schnell, dass sein Bauchgefühl richtig gewesen war. «Die Lehre war ein Glücksfall. Auch weil Anne-Claires Weingut klein genug ist, damit ich im Keller und in den Reben anpacken musste.»
Werbung willkommen! Die Auszeichnung als «Rookies des Jahres» durch die GaultMillau-Weinjury ist der vorläufige Höhepunkt im zweiten, erfüllteren Berufsleben des Duos Schneiter und Thürig. «Sie freut uns ganz besonders, weil wir sie nicht für einen einzelnen Wein bekommen haben, sondern für unsere Vision und unseren Einsatz über die vergangenen fünf Jahre», sagt Roman Thürig. Willkommen ist den beiden auch die Aufmerksamkeit, die das gelbe Täfelchen garantiert. «Wir sind nicht sehr gut darin, die Werbetrommel für uns zu rühren, und oft zu selbstkritisch», erklärt Manuel Schneiter. Dass die beiden für den Weinbau brennen, merkt man ihnen gleichwohl sofort an. Und schmeckt es, wenn man ihre Weine trinkt.
Fotos: HO, Lorena Widmer

