Fotos: Roy Matter
50 Meter Luftdistanz – so geht Nähe. «Wir vier sehen uns täglich», sagt Sabine Steiner. Und in der Tat: Es gibt in der Schweiz wohl kein Restaurant, dessen Schicksal so eng mit einem Weingut verbunden ist wie hier etwas oberhalb des Bielersees. Die Rede ist einerseits vom «Aux Trois Amis» in Schernelz, ausgezeichnet mit 17 Punkten, wo Cynthia Lauper sich um die Gäste kümmert und Marc Joshua Engel am Herd steht. Andererseits um Sabine Steiner und Andreas Krebs von «Krebs & Steiner», die vom GaultMillau zu den «150 besten Schweizer Winzern» gezählt werden. Woher kommt die Verbundenheit? Gründe hierfür gibt es mehrere: Man begegnet sich auf dem Arbeitsweg «auf einen Schwatz», denn Keller und Restaurant sind bloss etwa 50 Meter voneinander entfernt. Einige Rebzeilen des Weinbaubetriebs wachsen gleich vor dem Restaurant. Letzteres ist in dritter Generation in Familienbesitz der Steiners. Und was dort entkorkt wird, versteht sich damit auch von selbst. Grosses Bild oben: Andreas Krebs, Cynthia Lauper, Sabine Steiner, Marc Joshua Engel (v.l.).
Je nach Wein: Herbst oder Frühling. Ideale Voraussetzungen, um sich einen Mittag lang mit der Frage auseinanderzusetzen, wie denn ein perfektes Wine Pairing geht. Der erste Teller, den Marc hierfür auftischt: gebratener Zander auf Spinat-Sellerie-Risotto («ganz ohne Reis») mit Sellerie-Espuma, Bittersalaten & Périgord-Trüffel-Vinaigrette. «Eigentlich kommt Jakobsmuschel statt des Fisches aufs Gericht – aber Sabine isst keine Muscheln», so der Starchef, der auch bei den Jeunes Restaurateurs d'Europe und den Grandes Tables de Suisse dabei ist. Was kommt ins Glas? Geplant wäre der Chardonnay «Clos au Comte» 2023, «die einzig richtige Wahl hierzu», kommentiert Andreas. Doch spontan entschliesst sich die muntere Runde dazu, gleich noch einen gereiften Chasselas aus dem Jahr 2004 zu kredenzen. «Auch er vermag die kräftigen Aromen des Gerichts gut zu stemmen!», stellt Cynthia erfreut fest. In der Tat erscheint dieser erste Gang je nach Wein in ganz anderem Licht: Mit dem Chardonnay wirkt er eher elegant und opulent, «herbstlich» lautet gar einer der Kommentare. Mit dem Chasselas schmeckt’s eher rund und leicht, «fast wie Frühling».
«Mit dem Wein ist ja nicht zuletzt Geselligkeit verbunden», sagt Cynthia Lauper.
Zander auf Spinat-Sellerie-«Risotto» mit Sellerie-Espuma, Bittersalaten & Périgord-Trüffel-Vinaigrette.
«Zu einem klassischen Gang», sagt Sabine Steiner, «passt auch klassischer Wein.»
Alkoholfreier Wein? Niemand weiss am Ende noch genau, wie man aufs Thema gekommen ist – doch immer wieder dreht sich das Tischgespräch um alkoholfreie Weine. «Manche Weissweine gehen ja zu den Vorspeisen ganz gut», findet Marc, «aber die alkoholfreien Rotweine, die man mit dem Hauptgang servieren könnte, sind alle zu flach.» Mit dem Wein sei ja nicht zuletzt auch die Geselligkeit verbunden, findet Cynthia. Und Andreas gibt zu bedenken, dass ja, so habe er letzte Woche gelesen, auch die Affen sich mit vergorenen Früchten berauschen. «Es ist also genetisch!», freut sich Sabine.
Marc Joshua Engel, Sabine Steiner, Andreas Krebs, Cynthia Lauper (v.l.) – ideale Besetzung, um übers perfekte Pairing zu plaudern.
Statt Jakobsmuscheln gab es gebratenen Zander aus dem Lago Maggiore.
Himmlisch: Brioche mit Poulet-Fett. Ins Glas kommt als nächstes ein Pinot Noir «Alte Reben» 2022. Dazu gibt es Bison-Tatar, gebeizt mit Koji, dazu Mayonnaise mit geräuchertem Aal. Angegossen wird eine Wachtelconsommé mit Szechuanpfeffer. «Da ist ein halber Zoo auf dem Teller», sagt Marc lachend. Und reicht nebenher noch eine Brioche, getränkt in Poulet-Fett. Himmlisch! «Ich hatte ein wenig Angst, dass der Pinot neben diesen Aromen untergeht», bemerkt Sabine. «Aber das ist tipptopp!» Dass es mundet, dafür gibt es noch ein Indiz: «Die Gläser werden ziemlich schnell leer», sagt Cynthia. Für sie sei das immer ein untrügliches Zeichen dafür, dass eine Paarung von Wein und Essen spannend ist.
Bald kommt der exklusive Hauswein. Harmonisch ist auch die Zusammenarbeit von Weinbaubetrieb und Restaurant: Immer wieder kämen auf dem Weingut Kunden vorbei, die gerade eben im Restaurant ihre Weine entdeckt hätten, sagt Sabine. Zusammen organisiere man so genannte Deluxe-Verkostungen, wo zwei Weine und Amuse-Bouches im Keller gereicht werden und die Gäste dann für die folgenden vier Gänge ins Restaurant wechseln. Steht eigentlich im Pachtvertrag festgeschrieben, dass die Weine von «Krebs & Steiner» auf der Karte stehen müssen? So eng sei das nicht formuliert, «aber der offene Wein aus der Region muss schon von ihnen sein», so Cynthia. Derzeit sei man sogar daran, einen «3-Amis»-Wein zu kreieren, eine Assemblage aus allen drei unterschiedlichen Pinot-Noir-Lagen von Sabine und Andreas.
«Ein halber Zoo auf dem Teller!»: Bison-Tatar, Aal-Mayo & Wachtelconsommé.
Dazu gab es dieses himmlische Brioche – getaucht in Pouletfett.
Perfekt zu Pinot Noir: Rindsentrecôte mit Kabis, Apfel, Kartoffel und Senf.
Simpel: Guter Wein passt zu gutem Essen! Besagte Cuvée kommt als (noch sehr junger) Überraschungswein zum dritten Gericht des Mittags auf den Tisch: einem perfekt rosa gebratenen Rindsentrecôte mit Kabis-Roulade, Apfelkompott, Kartoffel-Millefeuille und Apfelbalsamico-Senf-Jus. «Ein sehr klassischer Gang», sagt Sabine, «dazu passt auch dieser klassische Wein.» Und wie geht denn nun die perfekte Weinbegleitung? Die Runde wird sich einig, dass es nicht immer darum gehen muss, dass der Wein 100-prozentig zu allen Gerichten passt. Was Cynthia mit einer goldenen Regel auf den Punkt bringt: «Wenn das Essen gut ist und die Flasche Wein dazu auch – hat man schon die Übereinstimmung.»
>> Serie: Schweizer Top-Winzer und ihre Lieblingsköche. Profis am Tisch, beim Schlemmen und beim Fachsimpeln. Fortsetzung folgt.