Text: David Schnapp Fotos: Valeriano Di Domenico, Sandro Diener, Olivia Pulver, Thomas Buchwalder, Geri Born, HO

Erschwerte Umstände. Unter den Chefs, die 2020 vom GaultMillau mit einer Auszeichnung bedacht wurden, fallen diese drei durch besondere, erschwerte Umstände auf: Die Aufsteiger des Jahres, Mitja Birlo und Patrick Mahler, sowie die Entdeckung des Jahres, Paolo Casanova, haben sich unter nicht ganz einfachen Bedingungen nach oben gekocht. Alle drei mussten im breiten Schatten ihrer direkten oder indirekten Vorgänger beweisen, dass sie mit ihrer eigenen Handschrift bestehen können.

Patrick Mahler - Focus Caviar Lunch mit Patrick Mahler und Jürg Kappeler von Sense fof Delight, Importeur von Kaviari Paris - Restaurant Focus, Parkhotel Vitznau - Montag, 22.4.2019 - Copyright Olivia Pulver

Patrick Mahler in der Küche des «Focus».

Mitja Birlo

Mitja Birlo im «7132 Silver».

Restaurant Chesa Stüva Colani - Chefkoch und Gastgeber Paolo Casanova - Madulain GR - Dienstag, 11. Dezember 2018 - Copyright Olivia Pulver

Paolo Casanova in der «Stüva Colani». 

Nachfolge geregelt. Doch der Reihe nach: Patrick Mahler ist im Restaurant «Focus» im Park Hotel Vitznau der Nachfolger von Nenad Mlinarevic, immerhin der Koch des Jahres 2016. Mahler hatte zuvor im Zweitrestaurant «Prisma» sein Potential angedeutet. Mitja Birlo folgte in chaotischen Tagen auf Sven Wassmer als Küchenchef im «7132 Silver» in Vals. Wassmer hatte gekündigt und wurde dann von Hotel-Besitzer Remo Stoffel fristlos freigestellt. Birlo bekam ein Angebot und eine kurze Bedenkzeit. Auch hier wurde die Nachfolge intern geregelt. Der Italiener Paolo Casanova schliesslich kocht seit Dezember 2016 in Madulein, wo bis vor wenigen Jahren Daniel Bumann im Nachbarsdorf La Punt der Platzhirsch mit Spitzenbewertungen war. Zuvor leitete Casanova das «Armani Cafe» in München. Wie haben die drei höchst unterschiedlichen Chefs sich erfolgreich freischwimmen können?

Nenad Mlinarevic

Die Vorgänger: Nenad Mlinarevic…

Sven Wassmer

… Sven Wassmer …

Daniel Bumann zu Hause und im Restaurant "Chesa Pirani" in La Punt. In der 3+ Sendung "Bumann -der Restauranttester" ist er Restauranttester.

…und Daniel Bumann.

«Aus dem Bauch heraus.» Der maximal entspannte Mitja Birlo bringt es mit einem lockeren Spruch auf den Punkt: «Ich habe einfach meinen Stiefel gekocht. Wichtig war, dass ich schnell ein eigenes Menü servieren konnte, mein Fokus lag dabei nicht auf Auszeichnungen und Bewertungen sondern auf der Qualität meiner Küche.» Der gebürtige Bielefelder Birlo, dessen Name Wurzeln im Altdeutschen hat, arbeitet mit dem Ökosystem von Vals und verzichtet gleichzeitig nicht auf Top-Produkte aus dem Rest der Welt. «Ich koche aus dem Bauch heraus», sagt er und gibt auch gleich zu, dass nicht alles gelingt: «Manche Ideen werden auch nach Wochen nicht besser, dann muss man sie halt verwerfen.»

 

Kein Vergleich. Patrick Mahler, der seine Lehre im Kantonsspital Aarau gemacht hat, wusste, dass es in Vitznau nur einen Weg gibt: «Nenads Schweizer Küche war so einzigartig, ich musste etwas ganz Anderes machen.» Sein Vorgänger und er sind regelmässig im Gespräch, «wir haben erst gestern länger miteinander telefoniert», erzählt Mahler. Das Verhältnis sei entspannt. Dadurch, dass er ganz anders koche als Nenad, sei er auch nie mit ihm verglichen worden, sagt Mahler. «Die Gäste haben mir die Chance gegeben, mich zu beweisen, die habe ich genutzt.» Mahler und Birlo sind nun beide mit 18 Punkten und 2 Sternen bewertet, beide sind Aufsteiger des Jahres.

Nachbar und Gast. Als der gebürtige Italiener Paolo Casanova im Dezember 2016 zusammen mit seiner Frau Stella Guarneri die Verantwortung für das Restaurant im kleinen Luxushotel «Chesa Colani» übernommen hat, gab es einen starken Mitbewerber im Nachbarsdorf: der heutige «Restauranttester» Daniel Bumann war in der «Chesa Pirani» in La Punkt jahrelang die Nummer eins im Engadin. «Daniel war auch ganz entspannt als Gast zu uns. Nach dem Engadiner Marathon hat er zum Beispiel unseren Burger gegessen, der vom Brot bis zum Ketchup hausgemacht ist», erzählt der grossgewachsene Casanova, der 2004 zwei Jahre bei Weltstar Massimo Bottura in Modena gearbeitet hat.

 

Weg nach oben. Nachdem Bumann sein Restaurant im Frühling 2017 schliessen musste, kaufte Casanova ihm einige Teller ab. Auch sonst hätten sie ein kollegiales Verhältnis gehabt. «Mein Küchenstil ist sowieso komplett anders, so gesehen waren wir nie Konkurrenten», sagt der Italiener. Sein Weg nach oben, habe er sich «langsam und hart erarbeitet. Wir haben jede Saison 25 Prozent mehr Gäste und bauen langsam auf», so Casanova. So unterschiedlich die Strassen zum Erfolg von Birlo, Mahler und Casanova aussehen, bei allen drei ist das Festhalten an eigenen Überzeugungen und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten ein gutes Rezept.