Park Hotel Vitznau

Ein Mahl bei Mahler ist jedes Mal ein Festmahl. Weil der Luzerner Chef unglaublich leicht kocht, die schweren Saucen durch raffinierte Dashis ersetzt, auf heftige Beilagen verzichtet und die einzelnen Gerichte so portioniert, dass sich der Gast nicht überfordert fühlt; er surft lustvoll durch zehn Gänge, die übrigens auch bei vollem Haus freundlich und in forschem Tempo aufgetragen werden. Die Geniesser aus der Umgebung verfolgen das kleine, freundschaftliche Fernduell der benachbarten Chefs Patrick Mahler und Jeroen Achtien («Vitznauerhof») mit Spannung und Vergnügen.
Das «Focus» von seiner besten Seite: eine Sommernacht, Diner draussen auf der Terrasse. Und bereits bei den Starters ein erster, unglaublicher Höhenflug: ein Bretzeli, mit Sbrinz-Creme, Sauerklee und schwarzem australischem Trüffel; eine Geschmacksbombe auf kleinstem Raum. «Fingerfood de luxe» ist nochmals angesagt: ein Chip mit Carabiniero, Gurke und Dill. Das Abenteuer kann beginnen und der Chef hat gleich eine kleine Überraschung auf Lager: eine Auster, die als solche nicht mehr zu erkennen ist! Eine Marennes-Oléron Nummer 2 wird dekonstruiert und zu einer Emulsion verarbeitet, dazu kommen Trümpfe, die eigentlich immer stechen: Buttermilch und Kräuteröl. Kühn, aber auch gelungen, die Kombis zum (Schweizer) Rindstatar: ein Randengelee. Und eine schmelzende Entenleberglace, die dank perfekter Temperatur den vollen Geschmack ausspielt. Die erste «Halbzeit» wird mit einer Brüggli-Lachsforelle, einem alten Bekannten aus dem Mahler-Repertoire, abgeschlossen. Aber missen möchte man den sanft gegarten Fisch aus Sattel SZ nicht. Die Vinaigrette dazu (Lauch, Schalotten) schon gar nicht. Und natürlich ist uns nicht entgangen, was noch im liebevoll geschnitzten Rettich-«Röösli» steckt: Forellentatar. Drei Gänge zum Start, drei Löffelgerichte. Typisch Mahler.
Früher servierten die Chefs mitten im Menü ein Sorbet; diese weinunfreundliche Geschichte haben wir glücklich überstanden. Patrick Mahler hat eine bessere Idee: Den Brotgang, königlich serviert und im Menü auch so gelistet. Zwei Aufstriche (geräucherte Butter, veganes Röstgemüse) gibt es dazu und auch noch einen Gruss vom Sommelier: mexikanischer Kaffee, Spezialröstung, eiskalt serviert. Eine Hommage an den (Kult-)Bäcker, an «Eigenbrötler» Daniel Amrein aus Wauwil LU.
Zweite «Halbzeit». Mahler setzt auf Chawanmushi. Wir mögen diesen japanischen Eierstich nicht sonderlich, aber wir räumen gern ein: Das Spiel mit verschiedenen Temperaturen ist faszinierend, Kaisergranat und Blumenkohlschaum sind prima. Der «Zander aus dem Lago Maggiore» begegnet uns auf unseren Test-Trips fast täglich, aber er wird nur selten so fantastisch zubereitet wie im «Focus». Mahler mag diesen Fisch nicht braten, setzt auf sanftere Techniken: beizen, konfieren, rösten (abflämmen). Fenchel und Kräuter-Beurre-blanc passen perfekt dazu. Nochmals ein typisches Löffelgericht. Kalb? Der Chef setzt auch im High-End-Resort auf die saftige Kalbsbrust, tappt aber trotzdem in die Luxusfalle: Gebeizte und konfierte Jakobsmuschelscheiben und ein Kombu-Algen-Gelee kommen dazu. Der Gelee ist zwar eine Challenge für die Brigade, aber kein echter Mehrwert für den Gast. Für den Hauptgang wird erstmals an diesem Abend ein (Knife-)Messer eingedeckt: Kotelett vom erstaunlich zarten Luma-Schwein. Uns gefallen auch die Beilagen: kleinste Eierschwämmli und eine urklassische Sauce vierge. Aufpeppen lassen sich einzelne Gänge auch: mit 20, 50 oder 100 Gramm Kaviar! Zum Zander etwa passte das schwarze Gold von Kaviari prima.
Patrick Mahler performt auf einem sehr hohen Niveau. Ganz so selbstverständlich ist das nicht. Er ist mit einer komplett neuen und erstaunlich kleinen Brigade in die Saison gestartet. Die Jungs rocken das «Focus» zu viert; der Chef kann da nicht einfach «nur» am Pass stehen, er muss anpacken, auf allen Posten. Die junge Restaurantleiterin Julia Tritschler ist seine smarte Verbündete an der Front, die Gäste mögen sie sehr.