Fotos: Lana Špiler

Kochen statt Soziologie. Der Tipp kam von Ana Roš, Dreisterneköchin aus der «Hiša Franko» im slowenischen Kobarid und «World's Best Female Chef» von 2017. «Geht unbedingt ins Restaurant Milka in Kranjska Gora, dort steht ein fantastischer Koch am Herd!» Einen Tag später treffen wir besagten Chef zum Lunch. In einem Fried-Chicken-Lokal in der Nähe des «Milka». «Vor einem Fine-Dining-Dinner sollte man etwas ganz Einfaches essen», sagt er und lacht. So unorthodox wie die Wahl des Treffpunkts für unser Interview ist auch die Karriere von David Žefran. Erst mit 26 machte er seine ersten Schritte in der Gastronomie, jobbte neben dem Soziologie-Studium im Burger-Lokal «Kavarna Tiskarna» in der Hauptstadt Ljubljana. «Ich habe schnell gemerkt, dass ich mich in der Küche wohler fühle als an der Uni oder im Büro», blickt er zurück. Bild oben: David Žefran und eines seiner Gerichte (Sauermilch-Sorbet mit kandierter Petersilienwurzel und Erbsen).

Milka

Frischer Start: Grüne Bohnen mit Kohlrabi und Tannenschösslingen.

Milka

Voller Schmelz: Forellenbauch mit Buchweizen und Tomatillo.

Milka

Buttrige Verführung: Brioche-Bun mit hausgemachter Nduja und Frischkäse.

Zwei Monate im «Frantzén». Der Burger mit Pilzen, Gorgonzola und karamellisierten Zwiebeln, den Žefran damals auf die Karte setzte, ist noch immer der Bestseller des «Kavarna Tiskarna». Nach einem knappen Jahr – er hatte inzwischen sein Studium angeschlossen – wurden ihm Burger aber zu langweilig. Er wollte mehr – und wechselte in der Folge alle paar Monate den Arbeitsort, um seinen kulinarischen Horizont zu erweitern. Das grösste Investment: ein unbezahltes Praktikum im «Frantzén» in Stockholm. «Ich habe in den zwei Monaten dort kaum etwas von der Stadt gesehen und meine gesamten Ersparnisse aufgebraucht. Aber es hat sich mehr als gelohnt. Es gibt wohl kaum ein Restaurant auf der Welt, in dem man so viel über das Kochen und die Gastfreundschaft lernen kann», erklärt der «Milka»-Chef.

Milka

Die Jahreszeit bestimmt das Menü: Žefran verbringt viel Zeit in der Wildnis und im Garten.

Von null auf zwei Sterne in zwei Jahren. 2022 bot sich Žefran die Chance, ein Restaurant mit sechs Hotelzimmern und Suiten zu übernehmen. Er wagte den Sprung in die Selbständigkeit und führte als 33-Jähriger zum ersten Mal in seinem Leben eine Fine-Dining-Küche. Von da an ging es steil bergauf. Gleich im ersten Jahr verlieh der Guide Michelin dem «Milka» einen Stern, zwölf Monate später schaffte das Lokal den Sprung in die Zweisterne-Liga, der es bis heute angehört. Noch bemerkenswerter als die zwei Sterne und die 17,5 GaultMillau-Punkte ist aber, wie eigenständig Žefran kocht. Er lässt sich von den Jahreszeiten und der Biodiversität der Region leiten. «Wir sind hier ganz nahe an Italien und Österreich. Also verwenden wir nicht nur slowenische Produkte, sondern alles, was es in der näheren Umgebung gibt, ungeachtet von politischen Grenzen.»

Milka

Keine Angst vor Blut: Flusskrebs-Tartelette mit Stangensellerie und Schweineblut.

Milka

Kitzelnde Schärfe: Zum Krapfen mit Hirschherz gibt es eine Peperoni-Jalapeño-Paste.

Milka

Steil nach oben: Das «Milka»-Team gilt inzwischen sogar als Anwärter auf drei Sterne.

Rande mit Bärenfett und Kaviar. Der 36-jährige Autodidakt kocht am liebsten mit Produkten, welche die meisten seiner Berufskollegen noch nie aufs Menü gesetzt haben. Exemplarisch dafür: sein Signature Dish mit Rande, Bärenfett und Kaviar. Das Fett wird mit Rahm und geschmacklich an Kokosnuss erinnerndem Feigenblattöl zu einer Sauce verarbeitet, die das erdige, süssliche Gemüse wunderbar mit dem edlen Rogen vom Stör verbindet. Anders als in der Schweiz gibt es in Slowenien eine grosse Bärenpopulation und eine lange Tradition, «Meister Petz» zu verspeisen, zum Beispiel in Form von Salami. Ausser dem Bärenfett-Dish bleiben die Gerichte im «Milka» nie lange auf dem Menü. «Nach ein paar Wochen kann ich sie nicht mehr sehen. Meine Neugier treibt mich voran», sagt Žefran.

Alpine Identität und eine Prise Caminada. In ihrer Geradlinigkeit, ihrem Purismus und ihrer Filigranität erinnert Žefrans Küche an Andreas Caminada. Auch der alpine Fokus verbindet die beiden – und die Begeisterung für Süsswasserfisch. Sanft gebeizte Lachsforelle etwa kombiniert der Slowene mit einem kleinen Kartoffelsalat, leicht fermentierten Gurkenscheiben, Gurkenwasser und Zitronenverbene. Doch Žefran kann auch ganz kräftig. Zum Beispiel mit einer Art alpiner Empanada, die er mit Hirschherz-Ragout, fermentierten Kartoffeln, Kapern und Bärlauch füllt. Dazu gibt es eine kitzelnd scharfe Paste aus grünen Peperoni und Jalapeños. Produkte aus fernen Ländern haben im «Milka» keinen Platz. Selbst in anderen Regionen Sloweniens bedient sich der Chef nur ausnahmsweise. Ist das nicht anstrengend? «Hin und wieder», gibt Žefran zu. «Vor allem aber stimuliert die geografische Beschränkung meine Kreativität.»

Milka

Spektakuläre Aussicht: Vom Restaurant Milka im slowenischen Kranjska Gora sieht man auf die Berge und einen kristallklaren See.

Einsatz bei «The Epicure». Wer ein Probiererli von David Žefrans Kochkunst möchte, kann ihn am kommenden Sonntag (14. September) in Zürich treffen. Der Shootingstar aus Slowenien ist einer der Chefs bei «The Final», der grossen Abschlussparty von «The Epicure» im Hotel The Dolder Grand.