Peter Knogl, kommen wir gleich zur Sache: Sie gelten als eigensinnig und stur. Stimmt das, oder fühlen Sie sich manchmal missverstanden?
Vielleicht ist das ein Problem meiner Generation. Ich bin durchaus offen für Neues, aber das Konzept des «Cheval Blanc» braucht eine gewisse Sturheit. Wenn ich mich von aussen bestimmen lasse, gefährde ich die Qualität des Restaurants. Wir können keine doppelte Belegung oder Room Service machen. Solche Ideen gab es schon. Ich habe klare Ansichten, das ist mein Weg zum Erfolg. Ich will mich dabei nicht in den Vordergrund stellen, es geht mir nur um das Restaurant.


Welches ist Ihre herausragende Fähigkeit?
Wahrscheinlich meine Konstanz. Ich bin jeden Tag motiviert, das Beste zu geben. 


Haben Sie nie keine Lust?
Es kommt vielleicht einmal im Jahr vor, dass ich mich morgens motivieren muss, weil das Wetter schlecht ist oder sonst etwas nicht passt. An allen anderen Tagen freue ich mich auf die Arbeit.


Und an welcher Ihrer Schwächen arbeiten Sie noch?
Wenn es nicht sofort funktioniert, bin ich schnell genervt. Wenn es um die Qualität der Produkte geht, etwa.

Peter Knogl in der Küche

«Ich fehle nie»: Peter Knogl in der Küche des «Cheval Blanc».

Les Trois Rois

Elegant: Seit 2007 kocht Knogl im Swiss Deluxe Hotel Les Trois Rois in Basel.

Werden Sie unterschätzt?
Vielleicht schon, aber das ist für mich schwer zu beurteilen. Wir Bayern müssen halt zuerst ins Deutsch übersetzt werden, damit man uns versteht (lacht). Es kann sein, dass man mich deswegen manchmal unterschätzt.


Welche menschliche Eigenschaft ist für Sie nur schwer auszuhalten?
Wenn man jemanden nicht fassen kann und nicht weiss, woran man ist. Ich bin sehr offen und halte mich für durchaus diplomatisch. Aber ich erwarte bei Leuten eine gewisse Klarheit, sonst kann ich nicht arbeiten. Ich spreche Probleme und Fehler direkt an. Transparenz ist wichtig, um gut führen zu können. In der Gastronomie hat man keine Zeit zu warten, bis es von selbst besser wird. 


Sie sind auf einem Bauernhof im bayrischen Deggendorf mit vier Geschwistern aufgewachsen. Was fanden es Ihre Eltern, dass Sie Koch werden wollten?
Koch war damals kein besonders populärer Beruf. Aber meine Grossmutter hatte einen Landgasthof, daher kommt wohl auch meine Affinität zum Kochen. Mein Vater ist gestorben, als ich 16 Jahre alt war, ich musste mir meinen ganzen Berufsweg deshalb selbst suchen und erarbeiten. Auf die Unterstützung der Eltern konnte ich nicht zählen.


Wie muss man sich Ihre Kindheit und Jugend vorstellen?
Ab dem sechsten Altersjahr mussten wir zu Hause mithelfen. Ich habe zuerst auf dem Hof gearbeitet, erst danach bin ich zur Schule. Ferien gab es keine. Arbeiten habe ich deshalb nie als Problem gesehen, dafür bin ich im Nachhinein sehr dankbar. 

Peter Knogl Cheval Blanc

«Am meisten habe ich bei Heinz Winkler gelernt»: Peter Knogl in seinem Restaurant Cheval Blanc.

Sind Sie in Ihrer Karriere auch mal gescheitert?
Bei meiner ersten Stelle als Küchenchef hat es nicht gut funktioniert, ich bin nicht mehr weitergekommen. Da habe ich meine Karriere schon in Frage gestellt. Aber wenn man dranbleibt, kommt irgendwann der Erfolg.


Welches Gericht aus Ihrer Kindheit hat bei Ihnen Spuren hinterlassen?
Meine Mama hat zu besonderen Anlässen Dampfnudeln mit Vanillesauce gemacht. Das verbinde ich heute noch mit Glück.


Wer hat Ihnen die wichtigsten Lektionen Ihres Berufslebens erteilt?
Das war wohl Heinz Winkler, der mir beigebracht hat, jeden Tag alles zu probieren und beim Abschmecken eine gewisse Klarheit anzustreben. Und eine bestimmte Art von Disziplin habe ich bei ihm auch gelernt.


Viele Köche probieren ja nur einzelne Komponenten und essen nie das ganze Gericht. Wie machen sie das?
Ich esse die Gerichte genauso wie die Gäste. Nur so weiss man, wie es schmeckt. Entscheidend ist auch das Geschirr. Hummer richte ich zum Beispiel ungern in kleinen Schüsseln an, weil man da mit dem Besteck nicht reinkommt. Man muss sich als Koch in die Psyche des Gastes versetzten können und dessen Perspektive einnehmen. Wenn jemand negative Gedanken hat, schmeckt ihm das Essen nicht. 

Garden Party 2022, Grand Resort Bad Ragaz, SG, Peter Knogl, Cheval Blanc, Rotbarbenfilet mit Safran-Sauce, fermentiertem Knoblauch und Tomatenvinaigrette

Knogl-Klassiker: Rotbarbe mit frittierten Schuppen, Safran-Sauce, fermentiertem Knoblauch und Tomatenvinaigrette.

Peter Knogl 2021: Bretonischer Steinbutt, Bergamotte

Klassische Küche mit mediterranen und asiatischen Einflüssen: Bretonischer Steinbutt mit Bergamotte.

Sie stehen seit 2007 bei jedem Service, mittags und abends, in der Küche des «Cheval Blanc», alles hängt an Ihnen. Macht Ihnen das keine Angst?
Ich habe in dieser Zeit vielleicht zwei oder drei Services verpasst. Es ist schwierig, bei einer relativ kleinen Brigade von acht Leuten jemanden zu finden, der die Aufgabe mit derselben Konsequenz angeht wie ich. 


Was würde in einem Notfall passieren, wenn Sie – was wir nicht hoffen – einen Unfall hätten?
Soweit habe ich noch gar nicht gedacht. Es würde schon weitergehen, aber vielleicht nicht genau so wie jetzt. Ich kümmere mich ja wirklich um jedes Detail im Restaurant und lege besonders viel Wert auf einen perfekten Service. Diese Verantwortung kann man nicht delegieren. 


Haben Sie bei dieser Präsenzzeit noch Lust, zu Hause zu kochen?
Nicht mehr so oft, zu Hause kocht meine Freundin. Dann gibt es Schnitzel, Nudeln und im Winter gerne Fondue. 


Bei der Personalrekrutierung gehen Sie ungewöhnliche Wege: Zwei Ihrer Leute haben Sie in der Spülküche des Hotels entdeckt. Wie kam es dazu?
Ich glaube, ich habe ein gutes Auge für Potenziale. Im Service braucht es gepflegte, freundliche Menschen, die handwerklichen Fähigkeiten kann man lernen. John beispielsweise ist mir als Spüler aufgefallen, weil er immer eine positive Ausstrahlung hatte. Obwohl er eine schwierige Kindheit im Südsudan hatte, und man gar nicht genau wissen will, was da passiert ist.

Peter Knogl Partnerin Gwendolyn Knoch

«Zu Hause kocht meine Freundin»: Peter Knogl mit Partnerin Gwendolyn Knoch.

Und der zweite?
Ahmad war in Afghanistan Chef einer Ziegelei und musste vor den Taliban fliehen. Er hat ebenfalls als Spüler im Hotel gearbeitet und ist jetzt schon seit fünf Jahren bei mir. Von der Küche aus koordiniert er den ganzen Service-Ablauf, und hat das super im Griff.


Welche Eigenschaften suchen Sie bei neuen Mitarbeitern?
Charakterstärke, Ehrlichkeit und auch eine gewisse Kritikfähigkeit. Da bin ich sehr sensibel. Ich brauche keine perfekten Menschen, wir alle haben Fehler. Ich nehme die Leute, wie sie sind. 


Was ist wichtiger, Fähigkeiten oder Persönlichkeit?
Kochen kann ich jemandem beibringen, einen guten Charakter nicht. 


Ihre Küche verändert sich kaum oder doch?
Wir kochen heute viel leichter wie früher. Es gibt weniger Butter und mehr Gemüse im Menü, aber ein Gemüsekoch werde ich nicht mehr. Ich bleibe meiner Linie treu, für vegetarische Menüs gibt es andere Restaurants. Mir ist das Produkt wichtig, zwei bis drei Komponenten auf dem Teller reichen, und der Geschmack ist entscheidend. 

Peter Knogl 2021: Kingfish, Radieschen, Avocado und Miso

«Wir kochen leichter als früher»: Kingfish, Radieschen, Avocado und Miso.

Peter Knogl 2021: Roastbeef vom Japanischen Wagyu-Rind, Paprika, Aubergine

«Ein Gemüsekoch werde ich nicht mehr»: Roastbeef vom japanischen Wagyu-Rind mit Paprika und Aubergine.

Wie definieren Sie, ganz knapp, Ihren Küchenstil?
Französische Küche, neu interpretiert mit mediterranen und asiatischen Einflüssen.


Warum gibt es bei Ihnen nur wenig neue Gerichte, scheuen Sie das Risiko oder tun Sie sich schwer mit neuen Kreationen?
Ich koche im Jahr vielleicht drei, vier neue Gerichte. Es könnten mehr sein, aber wenn ich nicht restlos überzeugt bin, lasse ich es bleiben. Diese Woche habe ich Kaisergranat mit einer Bisque und ganz kleinen grünen Erbsen aus Spanien gekocht. Jetzt sind diese Erbsen nicht mehr erhältlich, dann gibt es auch das Gericht nicht mehr. Ich serviere nur, wovon ich absolut überzeugt bin.


Ist es einfacher, auf diese Art zu kochen, als wenn man die Kreativität ins Zentrum stellt?
Wenn man das Produkt in den Fokus rückt, befreit man sich von dem Druck, krampfhaft kreativ zu sein. Ich esse seit zehn Jahren bei Martín Berasategui im Baskenland, 80 Prozent der Gerichte sind bei ihm immer dieselben. 

Welches ist der Knogl-Klassiker schlechthin?
Den Rouget mit den aufgestellten frittierten Schuppen kann ich nicht mehr von der Karte nehmen. Viele Gäste aus Asien zum Beispiel, kommen nur deshalb hierher. 

 

>> Peter Knogl (55) ist seit 2007 im traditionsreichen Basler Swiss Deluxe Hotel Les Trois Rois zuständig für die Küche des Restaurants Cheval Blanc. Er war 2011 und 2015 Koch des Jahres und wird mit 19 GaultMillau-Punkten und 3 Michelin-Sternen ausgezeichnet. Das «Cheval Blanc» wird bei La Liste auf Platz 2 der weltweit besten Restaurants geführt. Knogl ist auf einem Bauernhof in Bayern, nahe der tschechischen Grenze aufgewachsen. Zu seinen wichtigsten Stationen als Koch gehören Engagements bei Heinz Winkler im Chiemgau und Gerhard Schwaiger auf Mallorca.

Fotos: Thomas Buchwalder, Philipp Jeker, HO