Text: Anita Lehmeier

VOM SPITAL INS SCHLOSS. Seit acht Jahren arbeitet Patrick Mahler, 39, im sicherlich schönsten Schloss am Vierwaldstättersee, im Parkhotel Vitznau am Fuss der Rigi. Im schneeweissen historischen Prunkbau mit prächtiger Parkanlage, Pool und Mega-Terrasse direkt am Ufer war er erst im «Prisma» tätig, 2018 folgte er dem damaligen Shootingstar Nenad Mlinarevic, der das Haus erst auf die internationale Gourmet-Landkarte gesetzt hatte, im Fine-Dining-Restaurant «Focus» als Chef nach. Mahler hielt die Spitzenwertungen von 18 GaultMillau-Punkten und zwei Michelin-Sternen locker. Beim Sternensegen 2019 im KKL Luzern verdrückte Mahler ein Tränchen und meinte, er sei grad «der glücklichste Mensch der Welt». Seine steile Karriere hatte der Aargauer im Kantonsspital begonnen, wo er die Basis erlernte. «Fast meine ganze Familie arbeitet im Gesundheitswesen, mich zog es in die Gastronomie, die Vergnügungs-Branche», meint er schmunzelnd. «Kochen fasziniert mich schon seit ich denken kann. Beim Schnuppern im Metier realisierte ich schnell, wie wohl ich mich fühlte, mit den Händen etwas zu erschaffen», erzählt Mahler. Er habe die Kochbücher all der namhaften Chefs gekauft und studiert. «Ich war schon immer ehrgeizig und wollte mehr als nur Basiskochen.» Nach der Lehre war er Truppenkoch beim Militär und bildete sich anschliessend zum Diät- und zum Chefkoch weiter. Es folgten Stationen in touristischen Hot Spots wie Pontresina, Ascona und St. Moritz. 

LOB VOM MEISTER. Die prägendste Zeit seien zweifellos die fünf Jahre bei Rolf Fliegauf im «Ecco» gewesen. «Ich durfte mit meinem Team am Gourmet-Festival im Februar bei Rolf speisen – ein grosser Glücksmoment.» Das Gourmet Festival St. Moritz sei sowieso phänomenal gewesen, schwärmt Mahler und eine gute Gelegenheit, die Chef-Kollegen der Grandes Tables nach langer, coronabedingter Pause wieder zu treffen, sich auszutauschen. «Wir sind ja alle untereinander befreundet und mit dem Ziel unterwegs, die Vereinigung in die Zukunft zu führen.» Fliegauf findet für seinen ehemaligen Zögling übrigens nur lobende Worte: «Ich verfolge seine Arbeit seit langem und freue mich sehr über Patricks Entwicklung. Anfänglich sah ich logischerweise noch recht viel «Ecco» auf seinen Tellern. Mittlerweile hat er seine eigene Identität gefunden und macht einen tollen Job», rühmt der Chef, der als einer der besten Köche seiner Generation gilt, neulich in einem Interview. 

Jakobsmuschel, Kalbskopf, Gerste, Erdnuss - Focus Caviar Lunch mit Patrick Mahler und Jürg Kappeler von Sense of Delight, Importeur von Kaviari Paris - Restaurant Focus, Parkhotel Vitznau

Jakobsmuschel, Kalbskopf, Gerste, Erdnuss, Kaviar. By Patrick Mahler.

Park Hotel Vitznau mit Chef Patrick Mahler im Winter

Erste Adresse: Das Restaurant «Focus» im Park Hotel Vitznau.

Rettich, gebeizte Königsmakrele, Rettichponzu-Sud Sense of Delight Showroom Kaviari Kaviar Patrick Mahler 2020

Rettich, gebeizte Königsmakrele, Ponzu-Sud. By Patrick Mahler.

DAS GUTE PRODUKT. Wie definiert Mahler denn selbst seine Art zu kochen? «Sehr offen. Ich strebe keinen spezifischen Kochstil an, sondern möchte frei bleiben.» Das Produkt stehe immer im Mittelpunkt. «Wenn ein Gericht aus hervorragenden Produkten besteht, dann schmeckt es auch. Saisonalität und Frische sind ganz entscheidend. Und ich will die Essenz der Dinge auf das Wesentliche beschränken und für den Gast eine gute Zugänglichkeit schaffen. Das heisst, man soll immer erkennen, was man isst», erklärt Mahler. Am ehesten lasse sich seine Küche als klassisch französisch mit einem asiatischen Touch umschreiben. Ganz besonders angetan haben es Mahler, das zeigt auch das vielgängige Menü, Fische und Krustentiere.

KULINARISCHE KLEINKUNST ZUM START. Schon seine «Snacks», wie die Amouse buche in diesem Swiss Deluxe Hotel bescheiden heissen, sind kulinarische Kleinkunst: Hummermousse und Schneekrabbe, Austern-Emulsion und Muschelgelée. Später im Menü folgen norwegischer Kabeljau, japanischer Kingfish, Brüggli-Forelle, dann Kaviari-Kaviar, Krustentier-Bisque und natürlich auch ein Mahler-Liebling und einer der Signature Dishes im «Focus»: Carabinero, eine tiefrote Riesengarnele, die in kühlen klaren Tiefen von siebenhundert Metern lebt und geschmacklich so prägnant ist, dass man den Carabinero, einmal gegessen, nie mehr vergisst. Der andere «crowd pleaser», den Mahler seit langem auftischt, ist das marinierte Rindertatar mit Entenleberglacé, dehydrierter Rande und Cassis. «Würde ich den weglassen, gäbe es sicher Protest von unseren Gästen. Ich selbst mag die Kombination ja auch sehr», sagt der Chef. Das Menü ändert Mahler nicht wie andere Chef saisonal komplett, sondern nur einzelne Gänge. Je nach Angebot eben. Die Spitzen-Produkte kommen von den Top-Adressen der heimischen Lieferanten: Bianchi in Zufikon, Rageth in Landquart, Alfred von Escher in Zürich. 

Rhabarber, weisse Schokolade, Fenchel, Himbeere - Focus Caviar Lunch mit Patrick Mahler und Jürg Kappeler von Sense fof Delight, Importeur von Kaviari Paris - Restaurant Focus, Parkhotel Vitznau

Süsser Abschluss: Rhabarber, weisse Schokolade, Fenchel, Himbeere.

DER CHEF BRINGT’S. Das kulinarische Feuerwerk im Schloss zündet Mahler allabendlich mit einem erstaunlich kleinen Team. «Wir sind zu fünft in der Küche. Mehr braucht’s auch nicht, wir sind seit Jahren sehr gut eingespielt», lobt Mahler sein Team. Der Vorteil im Focus sei, dass es nur ein Abend-Menü gebe und lediglich Platz für rund zwei Dutzend Gäste. «Es gibt keine Hierarchien, wir arbeiten Hand in Hand auf das gemeinsame Ziel hin, die Gäste mit unseren Gerichten glücklich zu machen. Jeder kann seine Ideen und Meinungen einbringen und erledigt vom Gemüserüsten bis Aufräumen alles – auch ich!» Mahler und seine Mitarbeitenden bringen auch Teller selbst zu den Gästen, so erfahre man am besten, was gut ankommt und was man verbessern könnte. Das Feedback sei für seine Arbeit enorm wichtig. Unter einer offenen Küche versteht Mahler, dass er auch wann immer möglich Gäste in sein Reich bittet und mit einem kleinen Leckerbissen zwischendurch verwöhnt, während im Hintergrund gearbeitet wird. «Die Leute schätzen diese Einblicke sehr und sind meist beeindruckt von der ruhigen, konzentrierten Atmosphäre.» 

EINE FRAGE DER BALANCE. Wie bei seinen Menüs legt Mahler auch im Leben Wert auf Balance und Harmonie. Nach langen Arbeitstagen mit zwölf und mehr Stunden schalte er gerne ab, indem er einfach mal nichts tue, Musestunden daheim geniesse – oder für sich selbst koche. «Dann aber etwas einfacher als im Focus.» Auf den Frühling freut sich Mahler wie ein Kind auf Weihnachten, es sei seine liebste Saison. Schon allein der Spargeln wegen. Sein Tipp dazu: Weissen Spargel mit einer Sauce aus eingekochtem Spargelfond und Butter kombinieren und kurz vor dem Servieren etwas Orangenzeste darüber reiben – und schon schmeckt’s ganz anders.

>> Fotos: Olivia Pulver, Thomas Buchwalder, Michelle Chaplow

www.parkhotel-vitznau.ch
www.lesgrandestablesdesuisse.ch