Wels-Population explodiert. Der Wels taucht in der Schweiz häufiger auf als auch schon: Man sieht ihn erstens immer öfter in Flüssen und Seen. Schlicht und einfach, weil sich die Population hierzulande – gemäss Fangstatistiken – in den letzten zwanzig Jahren etwa verfünfzehnfacht hat. Man sieht ihn inzwischen aber auch häufiger auf den Tellern der Starchefs: zum Beispiel bei Marco Campanella, Pascal Steffen oder Robert Steuri. Das gewachsene Interesse der Köche ist verblüffend, denn als Delikatesse gilt der Fisch, der furchteinflössend aussieht und mehr als 100 Kilo schwer werden kann, in der Tat nicht.

Geschmack erinnert an Schweineschwarte. «Ich war auf der Suche nach einer Alternative zu Egli, Hecht, Forelle und Co.», erzählt Robert Steuri. Darum sei er auf den Wels gestossen, «der offensichtlich nicht so ein gutes Marketing hat», wie der 16-Punkte-Chef vom «Maihöfli» in Luzern mit einem Lachen anfügt. Erst habe er den Fisch ins A-la-carte-Angebot genommen, später dann ins Gourmetmenü. Er beizt den Wels erst trocken mit einer Salz-Zucker–Mischung, gart ihn anschliessend einige Minuten bei 60 Grad, bevor er ihn schockfrostet. Kommt eine Bestellung rein, legt er die portionierten Rückenfilets erst unter die Wärmelampe und brät sie dann scharf an: «All diese Schritte machen, dass die Haut aufpoppt und, sogar geschmacklich, an Schweineschwarte erinnert.»

Evoto

Robert Steuri suchte nach einer Alternative zu Egli, Hecht und Forelle – und stiess auf den Wels.

Steuri: «Produkte-Entdeckung des Jahres». Den Wels, der bei ihm aus dem Hallwilersee kommt und von Fischer Richard Stadelmann bereits als fertiges Filet geliefert wird, kombiniert Steuri mit Speck-Dashi, hausgemachtem Schinken aus Schweinskopfbäggli, Sauerkraut, Kümmel und Trauben. «Klar, gibt es Gäste, die überrascht sind, wenn sie den Wels auf unserer Karte sehen. Gehe ich am Ende des Abends aber nochmals am Tisch vorbei, sagen viele, es sei das Highlight des Menüs gewesen.» Steuri bezeichnet den Wels als seine «Produkte-Entdeckung des Jahres». Ist der Fisch denn vergleichsweise preiswert? Beim Fischer eingekauft, sei der Wels nicht ganz günstig, aber «bezüglich Qualität ist es absolut phänomenal, was man da für den Preis bekommt.»

Konkurrenz für manche Berufsfischer. Der Wels als Speisefisch hat eigentlich eine lange Tradition. In der der amerikanischen Literatur war «Catfish» früher, beispielsweise bei Mark Twain, geradezu sinnbildlich für typisches Arme-Leute-Essen im Süden der USA. Und auch Starchef Daniel Zeindlhofer vom «Igniv» in Zürich, der in Österreich die Lehre gemacht hat, musste den Fisch in seiner Ausbildung regelmässig zubereiten. Wieso also rückt er denn genau jetzt, genau in der Schweiz wieder in den Fokus der Aufmerksamkeit? Die eingangs erwähnte hohe Population, die viel mit wärmeren Gewässern zu tun hat, wird von einzelnen Berufsfischern als Problem angesehen. Denn der Wels frisst die anderen Speisefische: «Im Sommer, in ihrer aktivsten Zeit, versuche ich Welse im Uferbereich einzufangen», sagte jüngst Berufsfischer Christian Dubler aus Lüscherz am Bielersee gegenüber dem «Badener Tagblatt». «In ihrem Revier, das bis zu 60 Meter in den See hinausreicht, gibt es kaum mehr was zu fischen.»

Wels mit Kürbis by Pascal Steffen

Der 18-Punkte-Koch kombiniert Wels aktuell mit Kürbis & Estragon-Beurre-blanc.

Pascal Steffen

Typisch «Green Chef 2026»: Vom Wels verwendet Pascal Steffen fast alles.

Steffen: «Selbstverständlich Wildfang!» «Mich hat nicht zuletzt die Grösse des Fisches gereizt», sagt Pascal Steffen. Mehr als zwei Jahre sei es her, seit er Wels erstmals ins Menü genommen habe. Wie alle Fische, die im Basler «Roots» serviert werden, wird auch der Raubfisch von Bianchi als Ganzes geliefert. «Selbstverständlich Schweizer Wildfang – Zucht macht bei einem invasiven Fisch irgendwie keinen Sinn!», so der 18-Punkte-Chef. So ein Wels darf dann bei ihm auch mal 20 Kilogramm wiegen: «Als erstes putze ich allen Schleim weg und trenne den Kopf ab, dann ist der Fisch schon etwa 25 Prozent leichter und einfacher zu handhaben», erzählt er. In einem weiteren Schritt zerteilt Steffen das mächtige Tier in Einzelteile, die er auf verschiedenste Weise weiterverarbeitet. Aus den Innereien macht er «Wels-Kutteln». Die Bäggli kommen auf den Grill. Aus den Bauchlappen macht er eine Farce, die er schon in Wirz gewickelt und mit Schweizer-Shrimps-Bisque kombiniert hat. «Sogar den Rogen habe ich jüngst eingesalzen – mal sehen, ob das etwas wird.» Bis zu zwei Stunden dauert dieses Zerlegen, seine Küchencrew sei auch schon amüsiert danebengestanden und habe ihn dabei fotografiert: «Alltäglich ist der Wels also wirklich noch nicht.»

Wels & Kürbis. Die Rückenfilets, die er die «Masterpieces» nennt, werden im Basler Restaurant in Nussbutter gegart. Die etwas fettigeren Schwanzstücke ebenso, sie werden aber vorher noch gebeizt und geräuchert. «Momentan kombiniere ich diese Stücke saisonal mit Kürbis.» Pascal Steffen hat viel Verständnis dafür, dass die Gäste beim Raubfisch, der auch schon mal auf Entenjagd geht, gewisse Hemmungen mitbringen. «Auch ich musste mich erst überwinden, bevor ich den Wels mal roh probiert habe.»

Marco Campanella 2025:

«Koch des Jahres 2025» Marco Campanella serviert seit sechs Jahren Wels.

Wels Campanella

Kombiniert hat er den Fisch im «La Brezza» auch schon mit Blumenkohl & Aal.

Campanella: Der Wels schmeckt «umami». Roh heruntergeschluckt habe er ihn noch nie, gibt 19-Punkte-Chef Marco Campanella beim Gespräch zu. Auch der «Koch des Jahres 2025» setzt den Wels schon seit sechs Jahren regelmässig auf die «La Brezza»-Karte, sowohl in Ascona als auch in Arosa. Der Fang kommt aus dem Lago Maggiore, wo der Fisch ursprünglich eigentlich gar nicht heimisch war. Er habe mit Exemplaren von maximal 8 Kilogramm gute Erfahrungen gemacht: «Ich mariniere den Wels mit Zucker und Salz, confiere ihn dann in Butter bei ungefähr 45 Grad», gibt der Starchef bereitwillig Auskunft. «Zuletzt flämme ich ihn ab und serviere ihn zusammen mit Aal und Blumenkohl auf Dashisauce - das ist ungeheuer umami!»

Schön ist der Trendfisch wahrlich nicht. Auch Grandes-Tables-Mitglied Campanella lässt sich den unzerteilten, ganzen Fisch liefern – allerdings schon geschuppt. Weniger edle Teile bereitet er in «Carpione»-Sauce zu, eine in der italienischen Arme-Leute-Küche bekannte Essig-Gemüse-Beize, die im Sommer gern als kaltes Gericht serviert wird. So verführerisch das klingen mag, auch Marco Campanella muss manche Gäste vom neuen Trend-Fisch erst überzeugen. Oder wie er selbst treffend sagt: «Dass der Wels hässlich aussieht und so schleimig ist, kommt seiner Popularität halt wirklich nicht entgegen.»