Fotos: Lucia Hunziker
Der spannendste Gemüseteller der Schweiz. «Wow», sagt Gebremedhin Fisaha, genannt Gerie, als er den Teller sieht. Sofort zückt er sein Handy, macht ein Foto des farbigen Gerichts vor sich. Normalerweise liefert der Mitarbeiter des Birsmattehof die wöchentliche Bio-Gemüselieferung im neuen «Roots» Basel ab – heute darf Gerie sich hinsetzen und probieren, was Starchef Pascal Steffen aus dem «Grünzeug» zaubert. Die Rede ist vom seit Jahren unveränderten Signature Dish des Hauses – der «Roots Garden» ist der wahrscheinlich spannendste Gemüseteller der Schweiz! Er wird aus fast vierzig verschiedenen Gartenzutaten zusammengestellt und mit der Pinzette drapiert, wie es sich für ein 18-Punkte-Restaurant gehört. Grosses Bild oben: Alexander Tanner, Gebremedhin Fisaha, Pascal Steffen und Nicole Tanner (v.l.).
Fast täglich neu! Aber was heisst schon «unverändert» seit Jahren? In Tat und Wahrheit komponiert Grandes-Tables-Mitglied Steffen den farbenfrohen Teller immer wieder neu. Der Starchef hat seit 2021 ein Gemüse-Abo beim biologisch bewirtschafteten Birsmattehof, der als Genossenschaft organisiert ist – und je nachdem, was von vom Feld ins Restaurant geliefert wird, verändert sich auch der Gang, der in aller Regel zu Beginn des Abends auf den Tisch kommt. Zurzeit: fermentierter Blumenkohl, in der Glut gegarte Süsskartoffel, geschmorter Sellerie, eingelegte Artischocke, und so weiter. Zusammengehalten wird das alles von einer tiefgrünen Sauce aus Sonnenblumenöl, Portulak und Nüsslisalat.
«Roots Garden» besteht aus bis zu vierzig Komponenten: fermentierter Blumenkohl, in der Glut gegarte Süsskartoffel, geschmorter Sellerie, eingelegte Artischocke...
Seit fünf Uhr auf den Beinen. Gerie ist, anders als üblich, nicht alleine vorbeigekommen. Auch Nicole und Alexander Tanner, die den Birsmattehof führen, wollen den aktuellen «Roots Garden» probieren. Und mussten sich die Zeit dafür im wahrsten Sinne des Wortes freischaufeln: «Auf dem Hof ist seit fünf Uhr reger Betrieb. Zurzeit wird der Boden umgepflügt», erklären sie. Es laufe viel in dieser kurzen Schönwetterperiode: «Wir haben den zweiten Satz Freiland-Salate gesetzt, die ersten Frühkartoffeln gepflanzt, die Beete für die Kefen gezogen.» Die Bauersleute haben sichtlich Freude am Teller vor ihnen: Es sei die konsequente Weiterführung ihrer Arbeit auf dem Feld, kommentiert Alexander Tanner, «wir arbeiten halt weniger mit der Pinzette.»
Gebremedhin Fisaha liefert Pascal Steffen (l.) das Bio-Gemüse.
Mise en Place: Jede Sorte wird einzeln verarbeitet.
Von A wie Artischocke bis Z wie Zucchetti. Der Starchef und die Bio-Produzenten scheinen sich echt zu mögen. Pascal Steffen besucht den Birsmattehof immer wieder gerne: «Es fühlt sich richtig und gut an, dass mein Gemüse von dort kommt!» Die Tanners loben im Gegenzug die Genügsamkeit des Küchenchefs: Klar, wolle er für sein Restaurant möglichst viele verschiedene Gemüsesorten im wöchentlichen Korb haben – aber er habe noch nie einen ausgefallenen Wunsch geäussert, so Nicole Tanner. «Wir bauen halt von A wie Aubergine bis Z wie Zucchetti auch viel Gemüse an», ergänzt ihr Mann Alexander. Was dagegen schon hin und wieder vorkomme: Dass Nicole im Feld ein wild wachsendes Kraut entdeckt, etwa Dillblüten oder Brennesseln, und dann Steffen ein Bild davon per Whatsapp schickt. Meist lässt er sich da nicht zweimal bitten.
Pascal Steffen: «Ich will künftig noch mehr bio kochen!»
Bis zu vierzig Komponenten lassen sich auf dem Teller ausmachen.
Alexander Tanner: «Der Winter ist ganz vielfältiger, als viele denken.»
Noch grüner: das neue «Roots»! Zum gegenseitigen Verständnis gehört, dass Pascal Steffen nicht mit der Miene zuckt, als ihm klar wird, dass er den Boden des Gastraums im «Roots» nach dem nachmittäglichen Besuch der Bio-Bauern noch ein zweites Mal staubsaugern muss – sie haben halt, berufsbedingt, immer ein wenig Erde an den Schuhen. Man sieht die Krümel am Boden dieser Tage besonders gut: Vor kurzem hat Pascal Steffen sein Restaurant gezügelt, ins frühere «Oliv» im schönen Bachlettenquartier. Und im nigelnagelneuen «Roots» (jetzt deutlich näher am Bahnhof von Basel) ist nicht nur die Wand im Gastraum tiefgrün – sondern auch der Chef: «Ich will künftig noch mehr bio kochen!», macht er eine klare Ansage.
Nicole Tanner: «Das ist ein ganzer Kosmos auf dem Teller!»
«Wow!», lautet Gerie Fisahas erste Reaktion auf «Roots Garden».
Viel Aufmerksamkeit fürs Gemüse. Und wie gefällt der «Roots Garden» seinen speziellen Gästen, nach den ersten Bissen? Gerie ist voll des Lobes fürs Gericht: «Alles ist so klein!» Er fügt an, dass er zuhause niemals so kochen würde. Alexander sagt: «Der Winter ist ganz offensichtlich vielfältiger, als viele denken. Umso mehr, wenn man auch weiss, wie man Gemüse konserviert.» Und Nicole? Sie geniesst mit viel Aufmerksamkeit fürs Detail jede Gemüsezutat einzeln und benennt sie: «Radieschen, Romanesco, Rüebli… Das ist ein ganzer Kosmos auf dem Teller!» Auch dies ist typisch für Pascal Steffens «Roots Garden»: Es gibt unzählige Arten, das Gericht zu geniessen!
Das Label «Bio Cuisine» zeigt den Gästen, wie viel Nachhaltigkeit sie auf dem Teller erwartet. «Bio Cuisine» ist dreistufig aufgebaut und zeichnet den Anteil an Bio- sowie Knospe-Produkten im Betrieb aus. Basis ist der Einkaufswert der Lebensmittel und Getränke. GaultMillau Schweiz unterstützt diese «Bio-Cuisine»-Initiative. www.bio-cuisine.ch