Text: David Schnapp, Pascal Grob

Abstand in der Gartenbeiz. Samstagmittag, es ist sonnig und warm, in der Zürcher Bahnhofstrasse kann die Zwei-Meter-Abstandsregel schon allein auf Grund der Menge an Leuten kaum eingehalten werden. Anders in der «Neuen Taverne» (15 Punkte), dem Gemüserestaurant von Nenad Mlinarevic und Valentin Diem. Auf dem Platz vor dem Lokal sind Bänke, Tische und Sonnenschirme installiert, aber selbst im Freien müssen die Abstandsregeln durchgesetzt werden. Geschäftsführerin Susanne Devichian muss im Minutentakt Gäste «wegen Corona» abweisen. «Das tut schon weh», sagt die erfahrene Gastgeberin. (Grosses Bild oben: Chefs Markus Stöckle, Marius Frehner, Nenad Mlinarevic, v.l.).

Neue Taverne Zürich

Gäste müssen laufend abgewiesen werden: «Neue Taverne» in Zürich.

Das Leben pulsiert. Die kleine Szene illustriert, was allgemein festgestellt werden kann: Das Leben nach dem Corona-Lockdown ist zurück, und es pulsiert besonders intensiv in den Restaurants. Auch wenn viele Lokale weniger Gäste empfangen dürfen, als sie könnten, ist beispielsweise Nenad Mlinarevic zufrieden: «Gerade der Samstag läuft sehr gut bei uns», sagt er. Um den Umsatzrückgang zu kompensieren, arbeitet der Spitzenkoch und Gastronom nun halt mit weniger Personal.

 

«Es geht finanziell auf.» Vergleichbare Verhältnisse herrschen bei Marius Frehner im «Gamper» (15 Punkte). Um die Vorschriften einhalten zu können, musste Frehner zwei Drittel seiner Sitzplätze streichen, trotzdem zieht er vorerst eine positive Bilanz: «Momentan geht es finanziell gut auf. Das liegt einerseits am leicht höheren Preis des Menüs, vor allem aber an den Einsparungen der Personalkosten. Wir arbeiten nur mit dem Kernteam: zwei Köchen und einer Person im Service. Ausserdem bestellen viele Gäste grosszügiger Wein und lassen mehr Trinkgeld liegen – vielleicht liegt das am ‹Support›-Gedanken.»

Rosi Terrasse in Zürich

Der grosse Garten schafft mehr Platz für Gäste: «Rosi» in Zürich.

«Mega happy!» Ausgebuchte Restaurants und gute Stimmung konnten wir in den letzten Tagen fast überall feststellen, wo Essen und Getränke serviert wurden. Das macht die Chefs und Inhaber selbst kleiner Lokale glücklich. «Bis jetzt sind wir mega happy und täglich ausgebucht – ein unglaublich schönes Gefühl», sagt Markus Stöckle vom «Rosi» (15 Punkte) in Zürich. Eine detaillierte Bilanz kann der gut gelaunte gebürtige Bayer zwar noch nicht ziehen, aber er stellt fest: «Alle Stammgäste sind sofort wiedergekommen, die Stimmung im Restaurant ist hervorragend. Es ist ein ziemlich durchmischtes Publikum, wir haben sogar Enkel, die ihre Grosseltern mitnehmen, und umgekehrt. Erstaunlicherweise kommen ausserdem zu den Reservationen jeden Abend noch etliche Walk-ins dazu.»

Restaurant Rosi, Chefkoch Markus Stöckle, Zürich - Dezember 2019 - Copyright Olivia Pulver

«Die Stimmung ist hervorragend»: Markus Stöckle.

Tanja Grandits

«Die Planung ist einfacher geworden»: Tanja Grandits.

Neue Normalität. Von Zürich nach Basel: Tanja Grandits spricht von einem «neuen, relativen Normalzustand» in ihrem Restaurant Stucki in Basel. Die ersten zwei Wochen nach der Wiedereröffnung hat die beste Köchin der Schweiz als Herausforderung gesehen, jetzt sei das Restaurant aber auch mittags wieder offen und die Lage habe sich entspannt. «An die neuen Regeln haben sich alle gewöhnt, und die Gäste sind ausserordentlich glücklich, dass sie wieder auswärts essen können. Dass ich meinen Teil dazu beitragen kann, damit die Leute besondere Ereignisse wie Hochzeitstage wieder im Restaurant feiern können, macht mich sehr, sehr zufrieden», sagt die 19-Punkte-Köchin. Zu Spitzenzeiten vor dem Lockdown besuchten bis zu 60 Gäste pro Service das «Stucki». Zurzeit sind es zwar noch 30 bis 40, «aber weil wir fast konstant ausgebucht sind, ist unsere Planung einfacher geworden», sagt Tanja Grandits über die neue Normalität.

Rudi Bindella, Restaurant Piu, Sihlpost, Stillstand wegen Corona

«Die Wiedereröffnung rechnet sich im Moment nicht»: Rudi Bindella Jr.

Mit Restaurants aus der Krise. Bei der Bindella-Gruppe, dem grössten Gastronomie-Familienunternehmen des Landes, sieht man die neue Lage mit kritischem Optimismus: «Die Stimmung wird täglich besser, die Gäste fühlen sich wohl bei uns und kommen gerne ins Restaurant. Die Auflagen des BAG schränken uns jedoch stark ein», sagt Rudi Bindella Jr., der die operative Verantwortung für die Gastronomiebetriebe der Gruppe hat, die 40 Restaurants in der ganzen Schweiz betreibt. «Die Wiedereröffnung rechnet sich im Moment nicht. Die Umsätze werden noch für einige Zeit bedeutend tiefer ausfallen», hält der Unternehmer in aller Deutlichkeit fest. Trotzdem findet es Bindella richtig und wichtig, «die Motoren wieder warm laufen zu lassen: Restaurants sind soziale Orte, und wir wollen unseren Beitrag zur Wiederbelebung der Innenstädte leisten. Wir alle müssen unseren Teil dazu beitragen, damit wir aus der Krise kommen.»

 

Fotos: Pascal Grob, Lucia Hunziker, Lukas Lienhard, Digitale Massarbeit, Geri Born