Text: Kathia Baltisberger Fotos: Olivia Pulver

Luma ist bekannt für Rindfleisch, das mit Hilfe eines Edelschimmelpilzes reift. Wie muss man sich das genau vorstellen?
Marco Tessaro: Wir nennen den Vorgang «Lumifizieren». Es handelt sich dabei um einen natürlichen Schimmelpilz, den wir kultivieren und der auf das Fleisch gesprüht wird. Dadurch verändert sich der Geschmack des Fleisches. Rindfleisch erhält dadurch eine nussige Note, Schweinefleisch eher eine Macadamianuss-Cognac-Note. Und die Konsistenz ändert sich. Es wird ganz zart.

 

Wie seid ihr darauf gekommen?
Marco Tessaro: Wir kommen weder aus einer Metzger-Dynastie noch aus einem Gastro-Imperium. Wir haben beide Polymech gelernt. Die Idee kommt vom Dry Aging: Dort wachsen auch Schimmelpilze, gute und weniger gute. Mit unserer Methode können wir kontrollieren, welcher Pilz und wie viele Sporen auf das Fleisch gelangen: 3 Milliarden Sporen pro Quadratzentimeter. Der Pilz kann homogen wachsen und verdrängt andere Pilze. Diese Methode haben wir patentieren lassen und sind damit weltweit einzigartig. Am Anfang haben wir den Pilz in unserer WG kultiviert, ihn in die Knoblauchpresse gegeben und so den Saft gewonnen. Später haben wir mit der ZHAW (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften) die Methode so entwickelt, dass wir den Pilz unter hygienisch einwandfreien Bedingungen züchten können. 

Luma Delikatessen Lucas Oechslin und Marco Tessaro

Luma Pork Kotelett: Die Luma-Produkte reifen mit Hilfe eines Schimmelpilzes. 

Luma Delikatessen Lucas Oechslin und Marco Tessaro

Marco Tessaro und Lucas Oechslin sind Mitinhaber des Lokals «Smith and de Luma». 

Wie kam das an?
Lucas Oechslin: Sagen wir mal so: Wir haben nicht gerade offene Türen eingerannt. Für uns war klar, dass wir die Spitzengastronomie überzeugen mussten. Allerdings kannten wir nicht einen Koch. Das war schwierig, weil jeder Chef schon seinen Fleischlieferanten hat. Zu unseren ersten Kunden gehörten André Jaeger und Ivo Adam. So bauten wir unser Business allmählich aus. 

 

Mittlerweile ist das Sortiment riesig. 
Lucas Oechslin: Man hat im Ausland davon gehört, was wir machen. Dadurch haben wir gemerkt, dass die Schweiz nicht Marktführer ist was Fleischtrends anbelangt. Am Anfang hatten wir nur Fleisch aus der Schweiz und nur Prime Cuts – also sogenannte Edelstücke. Im Ausland gibt es so viele coole Sachen, trendige Cuts, spezielle Produzenten, die Fleisch von herausragender Qualität anbieten. Also haben wir angefangen von bestimmten Produzenten zu importieren – aus den USA oder Spanien. 70 bis 80 Prozent ist aber immer noch Schweizer Fleisch. Ausserdem gibt es bei uns auch Schweizer Geflügel: Dry Aged Poulet und Enten aus dem Appenzell.

 

Fleisch aus den USA hat nicht den besten Ruf.
Marco Tessaro: Bei Fleisch kategorisiert man gerne: Fleisch aus der Schweiz ist gut, US-Fleisch ist schlecht. Aber das macht man beim Wein ja auch nicht. Es gibt immer Unterschiede. Für die US-Massenproduktion gibt es ganz schreckliche Beispiele. Aber es ist das Land der Extreme, es gibt auch die andere Seite. Unendliche Weiten und Tiere, die auf unglaublich grossen Feldern weiden und dort ganz extensiv gezüchtet werden und nie einen Stall sehen. Das gibt es in der Schweiz nicht. Und dann existiert noch der Mythos des Transports: Schweizer Fleisch ist nicht per se besser bezüglich Ökobilanz. Wenn das Fleisch mit dem Schiffscontainer kommt, kann die Ökobilanz sogar besser ausfallen.
 

Luma Delikatessen Lucas Oechslin und Marco Tessaro

Lucas Oechslin ist gelernter Polymech und studierte Biologie an der ZHAW. 

Luma Delikatessen Lucas Oechslin und Marco Tessaro

Tomahawk vom Black Angus: Garantiert ohne Antibiotika.

Und wie verhält es sich mit Antibiotika?
Lucas Oechslin: Vorweg: Kranke Tiere können immer mit Antibiotika behandelt werden, das machen auch Demeter-Bauern in der Schweiz. Ist das der Fall, dürfen sie nicht sofort geschlachtet werden. Das Problem ist, wenn Bauern alle Tiere prophylaktisch damit behandeln. Wir können garantieren, dass unsere Produzenten in den USA den Tieren nicht vorbeugend Antibiotika geben. Auch Hormone sind bei unseren Produzenten kein Thema und absolut unnötig.

 

Ihr sagt, ihr kennt alle eure Produzenten persönlich. Ist das überhaupt möglich?
Lucas Oechslin:  Die Zahl der Produzenten ist überschaubar und verglichen mit dem Fleischkonsum in der Schweiz sind unsere Mengen auch minim. Wir gehen auch in die USA, nach Japan oder Spanien und schauen uns die Lieferanten genau an. 

 

Auch der private Fleischliebhaber kann online bestellen. Fleisch übers Internet - läuft das?
Marco Tessaro: Die Frage ist berechtigt. Für viele ist das undenkbar. Wir liefern unser Fleisch schockgefroren. So haben wir die Kühlkette zu 100 Prozent im Griff. Und es hat noch einen weiteren Vorteil: Wir frieren das Fleisch beim perfekten Reifegrad ein. Egal, zu welchem Zeitpunkt ich das Fleisch brauche, es ist immer optimal gereift. Durch das Schockfrieren müssen wir nicht ein einziges Steak wegwerfen, es reduziert den Foodwaste massiv. Und entsprechend braucht es weniger Tiere, um Fleisch zu produzieren.
 

Luma Delikatessen Lucas Oechslin und Marco Tessaro

Kein Geheimnis unter Fleisch-Fans: Das Secreto vom Pata Negra schmeckt hervorragend.

Luma Delikatessen Lucas Oechslin und Marco Tessaro

Marco Tessaro: «Wir züchteten den ersten Schimmelpilz in unserer WG.»

Und die Qualität leidet nicht?
Marco Tessaro: Dass tiefgefrorenes Fleisch nicht gut ist, ist in den Köpfen der Menschen fest gespeichert. Wir glauben, das ist die Zukunft. Die Qualität bleibt eben konstant. Aber wir sprechen von Schockfrieren, das sind Temperaturen von Minus 80 Grad. Das ist nicht das Gleiche, wie wenn man es zu Hause in den Tiefkühler legt. So können sich Eiskristalle bilden. 

 

Stichwort Nachhaltigkeit: Fleisch hat es nicht leicht rund um die Debatten Veganismus, Klima und sogar Corona. 
Lucas Oechslin: Fleisch ist grundsätzlich nicht nachhaltig. Wenn das jemand leugnet, nervt uns das. Zwei Punkte sind uns wichtig: Erstens müssen wir Fleisch so handhaben, dass nichts weggeschmissen wird. Da sind wir als Produzenten in der Verantwortung. Und zweitens müssen wir alle weniger Fleisch essen. Wenn jeder nur halb so viel Fleisch konsumieren würde, wäre das schon ein enormer Fortschritt. Und Fleisch müsste noch viel teurer sein. Dann kann es sich vielleicht nicht mehr jeder leisten. Aber wir müssen uns das auch nicht jeden Tag leisten können.

 

>> Marco Tessaro und Lucas Oechslin sind die Gründer und Inhaber von Luma Delikatessen. Fun Fact: Der Name Luma setzt sich aus ihren Vornamen LUcas und MArco zusammen.
 

www.luma-delikatessen.ch