Fotos: Kurt Reichenbach
«Ich muss noch kurz ins Bad», sagt Lorenz Furrer – und fordert uns auf, ihm zu folgen. Wir sind ein wenig verwundert, verstehen aber ein paar Sekunden später, warum es ihn mit einem vakuumierten Stück Fleisch in der Hand an diesen Ort zieht: Im Badezimmer steht sein Sous-vide-Apparat. «Weil das Ding so laut klappert, hat es meine Frau Nicole aus der offenen Küche unseres Chalets hierher verbannt», erklärt «Löru» und stellt die Temperatur auf 58,5 Grad ein. Beim
vakuumierten Fleisch handelt es sich um Picanha vom Black-Angus-Rind, einen Tafelspitz mit dicker Fettschicht, den der Hausherr wie meistens bei Luma in Schaffhausen bestellt hat. Er schwärmt: «Ein wunderbares Stück – zart, saftig und viel interessanter als ein Filet!» Bild oben: Lorenz Furrer mit seiner Frau Nicole Loeb.

Im Exil: Weil es klappert, wurde das Sous-vide-Gerät ins Badezimmer verbannt.
Was haben Sie mit dem prächtigen Fleischstück vor?
Nach dem Garen schneide ich es mit der Berkel-Maschine dünn auf und serviere es lauwarm an Kartoffelvinaigrette. Es ist aber nur einer von drei Gängen.
Was kommt noch auf den Tisch?
Zum Start serviere ich frittierte Kartoffelbällchen mit einer Kruste aus Semmelbröseln, Panko und schwarzem Sesam. Dazu gibt es hausgemachte Trüffelmayonnaise, in feine Scheiben geschnittenes rohes Wagyu-Beef aus der Schweiz und frisch gehobelten weissen Trüffel. Es folgt eine Choucroute de la mer mit verschiedenen Fischen und Krustentieren. Das fein geriebene Sauerkraut habe ich selbst in einem 10-Kilo-Fass angesetzt. Meine Frau war nicht so begeistert wegen des ziemlich heftigen Geruchs, der dabei entstand. Die Choucroute de la mer mag sie aber sehr.
Ihr Menü klingt wie in einem Restaurant mit mindestens 16 Punkten.
Wenn man so oft in der Küche steht wie ich, lässt es sich nicht vermeiden, dass man mit der Zeit ein paar Fortschritte macht. Es macht mir einfach Freude, Gäste zu bekochen. Und es entspannt mich. Inzwischen bringen mich auch Gesellschaften von 20 Personen nicht mehr aus der Ruhe. Ein unwillkommener Nebeneffekt meiner Kochleidenschaft ist, dass wir nur noch selten zum Essen eingeladen werden – man hält mich offenbar für einen kritischen Gast. Das bin ich aber wirklich nicht.

Der Hausherr kocht Kartoffeln und taut selbst gemachten Fischfond auf.

Dem Kühlschrank sieht man an, dass Lorenz Furrer und Nicole Loeb nicht fix im Chalet in Schönried wohnen.
Ihr Menü klingt wie in einem Restaurant mit mindestens 16 Punkten.
Wenn man so oft in der Küche steht wie ich, lässt es sich nicht vermeiden, dass man mit der Zeit ein paar Fortschritte macht. Es macht mir einfach Freude, Gäste zu bekochen. Und es entspannt mich. Inzwischen bringen mich auch Gesellschaften von 20 Personen nicht mehr aus der Ruhe. Ein unwillkommener Nebeneffekt meiner Kochleidenschaft ist, dass wir nur noch selten zum Essen eingeladen werden – man hält mich offenbar für einen kritischen Gast. Das bin ich aber wirklich nicht.
Geht bei einem so erfahrenen Koch wie Ihnen auch einmal etwas schief?
Oh ja, die burgundische Spezialität Jambon persillé will mir nicht recht gelingen. Geschmacklich gibt es nichts zu bemängeln, aber Schinken und Sülze halten bis jetzt nicht so zusammen, wie ich mir das wünsche. Ein weiteres Pièce de résistance sind kleine Artischocken. Entweder schmecken sie ein wenig bitter, oder sie haben eine ledrige Konsistenz. Und dann gibt es da noch diese höchst unglückliche Geschichte mit dem Kisag-Bläser ...
Erzählen Sie!
Wir hatten einen prominenten Gast bei uns zu Hause, einen landesweit bekannten Politiker. Weil ich zu sehr in das anregende Gespräch mit ihm vertieft war, bestückte ich den Kisag-Bläser mit drei statt zwei Patronen. Als ich die Konsistenz des Schaums testen wollte, spritzte der Inhalt des Bläsers wild durch die ganze Küche, an die Fenster, auf den Herd – und auch auf unseren Gast.
Lorenz Furrer verliert in der Küche niemals den Überblick – auch wenn die ganze Arbeitsfläche zugestellt ist.
Woher kommt Ihre Leidenschaft fürs Kochen?
Ich stand schon immer gern in der Küche, hatte als Kind grosse Freude daran, meiner Mutter zur Hand zu gehen. Mit 19 zog ich in eine WG, in der ein
für mich äusserst günstiger Grundsatz galt: Kochen schützt vor dem Abwasch. Also habe ich mich bis heute daran gehalten. Ich koche nicht nur, sondern produziere auch diverse Dinge selbst. Sriracha, die süsssaure thailändische Chilisauce, zum Beispiel. Und eben Sauerkraut. Ausserdem besitze ich zwei Maschinen zum Wursten.
Welche Köchinnen oder Köche beeindrucken Sie?
Robert Speth, mit dessen Unterstützung ich 2015 mein erstes «Parlamentarier-Kochbuch» herausgegeben habe, ist eine echte Koryphäe. Er besitzt ein enormes Wissen und hat in der «Chesery» in Gstaad einst meine Begeisterung fürs Fine Dining geweckt. Sein Kaiser-Ei mit Kaviar ist mir noch sehr präsent, ebenso die ganzen Fische in der Salzkruste. Ich besitze aber auch Kochbücher von Andreas Caminada, Tanja Grandits und Claudio Del Principe. Insgesamt sind es wohl um die 250 solcher Bücher. Strikt nach Rezept koche ich kaum, ich lasse mich aber gern inspirieren.
Wunderbar marmoriert: Lorenz Furrer schneidet Schweizer Wagyu für seine Vorspeise.
Und wo gehen Sie am liebsten essen?
Wenn wir hier im Berner Oberland sind, steuern wir gern den «Sonnenhof» in Saanen oder das «Rössli» in Feutersoey an. In Gstaad sind das «Palace» und das «Alpina» ausgezeichnete Adressen. Martin Göschel, der scheidende Executive Chef des «Alpina», hat mich auch bei der Umsetzung des letzten Parlamentarier-Kochprojekts unterstützt.
Wohin zieht es Sie in Bern?
Zu Markus Arnold, der noch bis Ende Jahr in der «Steinhalle» kocht, gehen wir regelmässig. Ansonsten esse ich natürlich oft im «Clé de Berne», im Privatrestaurant unserer Agentur, wo Markus einst sein erstes Pop-up ausrichtete. Wir haben ein sensationelles Team rund um die beiden jungen, unheimlich talentierten Köchinnen Corinna Strub und Paula Tännler sowie Weinprofi Christian Grimm, der wohl der beste Gastgeber der Stadt ist. Das «Clé de Berne» liegt mir sehr am Herzen und soll ein Ort für anregende Gespräche an der Schnittstelle zwischen Politik, Wirtschaft und Kultur sein. An diesem Ort möchten wir Persönlichkeiten unterschiedlichster Provenienz zusammenbringen. Der Fokus liegt auf politischen und wirtschaftlichen Themen, jedoch ohne spezifische Agenda.

Inspirationsquelle: Wenn Nicole Loeb ein paar Arbeiten am Laptop erledigt, schaut Lorenz Furrer gern in eins seiner rund 250 Kochbücher.
Was ist Ihr liebster Küchenduft?
Ich liebe den Duft von Knoblauch, der in Olivenöl brutzelt. Und wenn ich ein Schmorgericht zubereite, beginnt für mich das Vergnügen lange vor dem ersten Bissen. Speisen, die langsam garen, haben etwas sehr Sinnliches. Zeit gehört zu den wichtigsten Zutaten einer guten Küche.
Welcher Geschmack bedeutet für Sie Heimat?
Der von Raclette und Fondue. Kein Lebensmittel steht so sehr für die Schweiz wie Käse. Auch Bratwürste sind typisch für unser Land und haben eine emotionale Komponente für mich. Vor einigen Jahren habe ich einen Wurstkurs bei «Hexer» Stefan Wiesner besucht.
Welche Beziehung haben Sie zu Brot?
Ich liebe Brot! Ganz besonders, wenn es von der Bäckerei Bohnenblust in Bern kommt. Das Steinhauer-Brot, ein knuspriger Laib von einem Kilo mit herrlich elastischer Krume, schmeckt einfach himmlisch.
Bei welchen Luxusprodukten werden Sie schwach?
Trüffel, ob weiss oder schwarz, ist etwas Wunderbares. Auch weil es ihn nur für kurze Zeit gibt. Wagyu-Beef mag ich nur in tieferen Marmorierungsstufen, wenn das Fett den eigentlichen Fleischgeschmack nicht übertüncht. Kaviar gönne ich mir hin und wieder, es muss aber milder, nussiger Oscietra mit festem Korn sein.

Eingespieltes Team: Lorenz Furrer kocht, Nicole Loeb deckt den Tisch.
Welche Länder sind Ihre kulinarischen Traumziele?
Italien, Thailand und Japan. Mir imponiert es, wenn eine Küche gradlinig ist und auch mit unscheinbaren Produkten funktioniert. Was ist besser als ein Teller Pasta mit einer Sauce aus erstklassigen Tomaten? Hätte ich den Auftrag, mit geringem finanziellem Aufwand etwas Aussergewöhnliches zuzubereiten, gäbe es auf jeden Fall Pasta – fluffige Gnocchi zum Beispiel.
Was fasziniert Sie an der japanischen Küche?
Die Liebe zum Detail. Und der Umgang mit Umami, dieser Wohltat für den Gaumen. In den Rezepten von Tim Raue, der ja stark von Japan beeinflusst ist, taucht immer wieder eine Sauce aus Miso, Honig und Senf auf. Davon kann ich nicht genug bekommen!
Kaufen Sie spontan ein oder haben Sie jeweils eine Liste dabei?
Ich notiere mir die Gerichte, die ich kochen möchte, und die entsprechenden Zutaten. Wenn ich auf den Markt gehe, bin ich dann aber immer so begeistert von all den schönen Produkten, dass ich auch diverse Dinge einkaufe, die nicht auf meiner Liste stehen. Mein aktueller Favorit sind Puntarelle, eine Zichorienart mit eleganter Bitternote. Die knackigen inneren Sprossen schmecken besonders gut!
>> Lorenz Furrer ist Mitbegründer der schweizweit tätigen Kommunikations- und Lobbying-Agentur Furrerhugi, die mit dem «Clé de Berne» in der Bundeshauptstadt auch ein Privatrestaurant betreibt. Zum Gourmet-Interview haben uns der begabte Koch und seine Frau Nicole Loeb, die Chefin des gleichnamigen Warenhauses, in ihrem Chalet in Schönried empfangen.



