Alessandro Battaglia, Sie sind neben Dario und Luca Bianchi der dritte CEO der Bianchi AG, sind aber mit der Familie Bianchi weder verwandt noch verschwägert. Wie haben Sie es in den inneren Kreis geschafft?
Die Firma Bianchi konnte sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten sehr positiv entwickeln. Der Betrieb hat eine Grösse erreicht, bei der man die Geschäfte nicht zwischen Tisch und Bank leiten kann. Bei so vielen Mitarbeitenden muss man sich breiter aufstellen. Luca und ich haben an derselben Universität studiert. Er ist dann mit der Idee auf mich zugekommen, die Geschäftsleitung zu unterstützen. Ich hatte bereits Erfahrung in diesem Bereich. Ausserdem habe ich eine riesige Familie, die meisten arbeiten in einer Form in der Gastronomie. Das hat also gepasst. Ich habe das Familienunternehmen von Grund auf kennengelernt und in allen Abteilungen gearbeitet: Ich war in der Tiefkühlabteilung, habe Fleisch portioniert und Fisch filetiert. Anschliessend habe ich die Geschäftsleitung unterstützt, seit zwei Jahren bin ich offiziell der dritte CEO neben Dario und Luca Bianchi. Grosses Bild oben: Alessandro Battaglio auf den Schultern eines Gauchos.

Bianchi Ojo de Agua

Das Landgut Ojo de Agua befindet sich in der weitläufigen argentinischen Pampa.

Dario ist Chef Fleisch, Luca Chef Fisch. Was ist Ihr Steckenpferd in der Firma?
Die beiden machen den Laden am Morgen auf, ich mache am Abend zu. Sie sind zwar noch mehr in den Einkauf involviert, aber ich betreue auch aktiv Kunden. Meine Hauptaufgaben liegen mehr in der Unternehmensentwicklung. Wir befinden uns im Wandel. Ein Familienunternehmen, das seit 144 Jahren existiert, muss sich immer wieder neu erfinden und modernisieren. Das gestalte ich aktiv mit.

Zu Ihren Aufgaben als CEO gehört es, dass Sie Betriebe auf der ganzen Welt anschauen. Wieso machen Sie das?
Lieferantenpflege hat bei uns einen sehr hohen Stellenwert. Es gibt auf der ganzen Welt so viele Zertifizierungen – und die haben ihre Berechtigung. Aber die direkten Beziehungen zu unseren Lieferanten machen uns einzigartig. Wir wollen nicht irgendein Produkt kaufen, sondern eines von einem Hof, hinter dem wir stehen können. Wir kaufen alles direkt ein. So vermeiden wir einerseits den Zwischenhandel, aber wir haben dadurch auch eine einzigartige Qualitätskontrolle. Und wenn wir etwas ändern möchten, dann besprechen wir das direkt mit dem Produzenten und nicht über drei Ecken. 

Bianchi Ojo de Agua

Luca Bianchi (links) und Alessandro Battaglia besuchten zusammen Ojo de Agua.

Bianchi Ojo de Agua

Die Rinder leben 365 Tage draussen, wo sie so viel Gras fressen können, wie sie wollen.

Zuletzt waren Sie in Argentinien auf der Farm Ojo de Agua von Dieter Meier. Was war Ihr erster Eindruck?
Ich habe mir die Farm schon im Vorfeld sehr schön und idyllisch vorgestellt. Aber als ich ankam, war ich komplett überrascht. Die Grösse, der Auslauf, den die Tiere haben. Da ist nur Grün soweit das Auge reicht. Das sind unglaubliche Bilder. Das Gut besteht aus 2000 Hektaren Land. Die Gauchos haben immer von den «vecinos» – also den Nachbarn – gesprochen. Aber wir haben weit und breit keine «vecinos» gesehen.

Ojo de Agua ist bekannt für qualitativ hochwertiges Rindfleisch. Wie werden die Tiere dort gehalten?
Das Besondere ist, dass die Tiere 365 Tage im Jahr draussen sind. Sie haben unendliche Weiden, wo sie sich selber verpflegen können. Nur in den letzten 90 bis 120 Tagen bekommen sie etwas zusätzliches Futter. Aber auch das ist speziell: Der Mais, den sie fressen, wächst ebenfalls auf Ojo de Agua. Das ist aus einer Nachhaltigkeitsperspektive extrem sinnvoll. 

Bianchi Ojo de Agua

Wo sind die «vecinos»? Weit und breit gibt es rund um die Farm nichts als Wiesen.

Durften Sie mit den Gauchos raus in die Prärie reiten?
Ja, wir durften mit den Gauchos ausreiten und mit den Rindern durch die Felder spazieren. Die Tiere haben gar keine Angst, sie sind eher gwundrig und kommen immer näher.

Was ist genau die Aufgabe der Gauchos?
Sie treiben die Tiere immer zu neuen Bereichen, wo es frisches Gras gibt. Sie schauen, ob es verletzte Tiere gibt, und bringen sie näher zur Farm, wo sie sie pflegen können. Das machen sie alles nur zu dritt. Das ist schon erstaunlich. Bei Ojo de Agua handelt es sich um eine Mutterkuhhaltung. Das heisst, die Kühe gebären im Freien und die Kälber bleiben bei ihren Müttern. So haben sie auch die hundertprozentige Kontrolle über die Rasse. Es handelt sich immer um Hereford- oder Black-Angus-Rinder. 

Bianchi Ojo de Agua

Der Musiker Dieter Meier besitzt die Farm in Argentinien seit Ende der 90er-Jahre.

Was ist denn geschmacklich das Besondere am Rindfleisch von Ojo de Agua?
Argentinien ist weltweit bekannt für qualitativ hochwertiges Rindfleisch. Die besten Steakhäuser der Welt befinden sich in Argentinien. Es handelt sich eben nicht um Massentierhaltung. Man überlässt alles dem Lauf der Natur. Ich bin überzeugt, dass sich diese Natürlichkeit im Geschmack widerspiegelt. Das Rindfleisch von Ojo de Agua kommt bei einer sehr breiten Kundschaft an. Die Qualität hält, was sie verspricht, und sie bleibt konstant hoch. Die stressfreie Haltung sorgt für einen extrem guten pH-Wert im Fleisch. Wer einmal Ojo de Agua probiert hat, wechselt nicht so schnell. 

Was machen die Südamerikaner anders bei der Fleischzubereitung als wir?
Die Gauchos haben uns an einem Abend zum Grillieren eingeladen. Sie nehmen ein Stück Rippenfleisch mit einer dicken Fettschicht. Das spannen sie in ein Gitter ein und braten es so über dem Feuer. Sie nennen das Asado. Das Fleisch war extrem saftig. Aber das kennt man bei uns gar nicht. Wir waren auch im «Don Julio», dem besten Steakhouse der Welt. Die bereiten das Fleisch ohne nichts über dem Feuer zu. Keine Marinade, kein Salz. Auch das Gemüse wird nur über dem Feuer grilliert. Alles ist sehr puristisch. Das braucht etwas Mut und die Qualität des Fleisches muss von der höchsten Qualität sein.

Gastronomen kriegen Fleisch von Ojo de Agua nur bei Bianchi. Wer gehört zu Ihren Kunden?
Wir haben eine sehr breite Kundschaft. Die «Bärengasse» in Zürich ist bekannt dafür, Cuts von Ojo de Agua zu servieren. Aber wir liefern auch ins Dolder Grand und in den «Hönggerhof» in Zürich, ins Kempinski und ins «Talvo» in St. Moritz oder ins Waldhaus Sils. Ojo de Agua ist ein Name, den man gerne hinausträgt: Die Restaurants schreiben das auch so auf die Karte.

Bianchi Ojo de Agua

So essen die Gauchos: Rinderrippe Asado-Style.

Bianchi Ojo de Agua

So bekommen die Schweizer Kunden das Fleisch von Ojo de Agua.

Gibt es vor allem Filet und Entrecôte oder verkauft Bianchi auch Special Cuts?
Die Produktpalette ist sehr breit. Natürlich Filet und Entrecôte, aber auch Ribeye. Das Fleisch kommt am Stück zu uns und wir portionieren es hier. Aber viele Köche nehmen es auch direkt am Stück. Wir bieten auch schon verarbeitete Produkte an: Die Huft zum Beispiel verarbeiten wir zu einem Tatar. Das Fleisch kommt mit dem Schiff zu uns nach Zufikon. Das heisst nach der Schlachtung reift es auf dem Transport während vier bis fünf Wochen. Ab Woche sechs geht es dann in den Verkauf. 

Was ist Ihre persönliche Empfehlung?
Mein Lieblingsstück ist das Ribeye von Ojo de Agua. Das ist ein Stück, das bei einer Grillparty nie fehlen darf. Es hat ein bisschen mehr Fett und ist so richtig schön saftig.