Fotos: Thomas Buchwalder

Katharina Sarrot, ein Gast will zu einem filigranen Fischgang von Heiko Nieder schweren Amarone trinken. Wie stimmen Sie ihn um? 

Überhaupt nicht. Ich zwinge niemandem meine Meinung auf, auch wenn ich natürlich lieber etwas Leichteres ins Glas geben würde. Meist merkt man ja Gästen an, ob sie bereit dafür sind, sich umstimmen zu lassen. 

Gibt es die älteren Herren noch, die sich von einer Sommelière nichts sagen lassen? 

Unsere Klientel nehme ich als sehr offen wahr. Vielleicht heisst es mal: Oh, so jung und schon so viel Erfahrung – aber meine Arbeit wird geschätzt. 

Heiko Nieder legt Wert auf perfekte Pairings – wie gehen Sie vor? 

Heiko schickt mir ein neues Menü ungefähr drei Wochen, bevor es startet. Ich bereite mich ein wenig vor, und dann kommt dieser Nachmittag, an dem wir ungefähr um 15 Uhr loslegen. Und etwa 70, 80 Flaschen entkorken. Zu jedem Gang, ob Fleisch oder vegetarisch, probieren Heiko und ich drei, vier Weine aus. Das ist zugleich auch der Check, ob die Küche die neuen Kreationen auch ohne ihn hinbekommt. Es ist immer wieder eindrücklich, dass man sich solche Pairings nicht am Schreibtisch ausdenken kann – oft entscheiden wir uns am Ende für etwas total Anderes, als zuvor gedacht. 

Danach geht’s direkt in den Abendservice? 

Ja, um sechs Uhr müssen wir mit der Weinprobe fertig sein. Ich war beim ersten Mal weniger müde als erwartet, vielleicht weil ich extrem fokussiert und konzentriert war – und diese Spannung in den Abend mitgenommen habe. 

Wer hat im Zweifelsfall das letzte Wort, Sie oder Heiko? 

Mal so, mal anders. Wir diskutieren nicht selten so lange, bis jemand aufgrund der besseren Argumente des anderen nachgibt. Und manchmal muss man halt einfach noch eine weitere Flasche aufreissen, die geschmacklich irgendwo in der Mitte liegt. 

Wenn es partout nicht funktionieren will, ändert dann Heiko auch mal etwas am Gericht? 

Das ist schon vorgekommen, etwa bei der Jakobsmuschel mit Gelbschwanzmakrele, Apfel, Wintermelone und Shizo. Das Gericht war erst zu zitronig, dann hat er die Rezeptur geringfügig Richtung Apfel verändert, was dann mit einem Riesling perfekt harmoniert hat. 

 

The Dolder Grand 2023: Katharina Sarrot Restaurant/Manager und Sommeliere

Sie entdeckt gerade den Räuschling vom Zürichsee: Katharina Sarrot.

The Dolder Grand, The Restaurant, Heiko Nieder, Zürich © HO

Nicht nur das Essen, sondern auch die Weine stehen im «The Restaurant» im Rampenlicht.

2023: Krug x Lemon ist in diesem Sommer in der Krug Lounge des Fünf-Sterne-Hauses The Dolder Grand vertreten, wo Chefkoch Heiko Nieder seine fruchtig-frischen Kreationen rund um die Zitrone präsentiert

Redet bei der Weinauswahl mit, hat aber nicht immer das letzte Wort: Heiko Nieder.

Suchen Sie eher das Zusammenspiel zwischen Wein und Speisen oder den Kontrast? 

Beides kommt vor. Auch wenn ich eher zur Harmonie tendiere, wie jüngst etwa beim schottischen Lachs mit Kokosnuss und Lakritze, einen von Heikos Klassikern. Bisher gab es zu diesem Gericht eher kräftige Weine, welche die Cremigkeit des Gerichts unterstützt haben. Ich habe jetzt mal einen frischen Grünen Veltliner ins Pairing genommen, weil ich mich auf die würzige Lakritze fokussiert habe. 

Die überraschendste Kombi aus dem aktuellen Menü? 

Neben dem erwähnten Lachs ist das vielleicht das Perlhuhn-Frikassee mit Périgordtrüffel und Sellerie, das wir mit Krug 2006 kombinieren. Was mir auffällt: Die Notizen aus den vergangenen Jahren helfen mir, anders als erwartet, nicht immer weiter – erstens ändern sich die Weine je nach Jahrgang. Und zweitens scheint auch Heiko sich weiter zu entwickeln. 

Krug taucht hin und wieder in den Pairings auf. 

Krug passt immer! (Lacht.) Man spürt die Emotionen, die in diesem Champagner stecken. Früher waren es oft die sogannanten Editionen, also die Cuvées, du gut zu den zweiten oder dritten Gängen passen. Ich schenke gerne die kräftigeren Vintages aus  – diese dann aber weiter hinten im Menü, zum Fleisch. 

Gibt es eine alkoholfreie Getränkebegleitung zum Menü? 

Wir haben natürlich schon öfters darüber nachgedacht, praktizieren das so aber bis heute nicht. Eine Hauptüberlegung dabei ist, dass bei solchen Pairings oft mehrere Fruchtsäfte serviert werden. Die konkurrieren nicht nur mit den Aromen des Essens, sondern sättigen wegen des Fruchtzuckers auch zu sehr. Es sind darum dann vielleicht eher drei, vier Getränke, die wir durchs Menü als Begleitung ausschenken. Weniger umfangreich als unsere Weinreise. 

Welche Getränke können das sein? 

Wenn jemand keinen Alkohol möchte, arbeiten wir häufig mit sprudelnden weissem, sehr frischen Traubensaft namens «French Bloom», was zu den Zitrusnoten in vielen von Heikos Vorspeisen passt. Später im Menü serviere ich gern stillen Traubensaft aus der Sauvignon-Blanc-Traube. Zuletzt meist noch einen naturherben Heidelbeersaft von Retter, der zu den Fleischgängen geht. 

 

The Dolder Grand 2023: Katharina Sarrot Restaurant/Manager und Sommeliere

Geht es nach Katharina Sarrot, passt grüner Veltliner zu Lachs – wenn im Gericht Lakritze vorkommt.

Deutscher Riesling oder Räuschling vom Zürichsee? 

Ich bin da relativ offen. Manchmal muss man halt einfach mehrere Weine einer Region probieren, bis man etwas findet, das einem auch wirklich zusagt. Bei mir war das beim Schweizer Räuschling tatsächlich so. Bis wir Erich Meier am Zürichsee besucht haben – sein Räuschling hat mich so positiv überrascht, dass ich ihn schon am nächsten Tag meinen Gästen am Tisch empfohlen habe. 

Kommen häufig Schweizer Weine ins Glas? 

Unsere Gäste wollen tatsächlich regionale Weine trinken. Nicht zuletzt, weil sie diese in den USA oder in Asien nicht bekommen.  

Mussten Sie das einheimische Weinschaffen erst kennenlernen? Sie waren zuvor ja in England tätig. 

Das war tatsächlich Neuland, in London kennt man ja eigentlich nur Gantenbein... Inzwischen habe ich meinen Horizont erweitert und baue gern Schweizer Weine ins Pairing ein. Ich favorisiere die Bündner Herrschaft, diesmal hat Heiko sich aber für einen Walliser entschieden, der super passt. 

Gibt es denn andere unbekannte Regionen, die Sie empfehlen? 

Was mich zurzeit fasziniert, sind Loire-Weine, vor allem Chenin Blanc. Die passen mit ihrer Geschmeidigkeit super zu Heikos Gerichten. Diese Region ist zwar alles andere als neu - aber nicht jeder hat sie auf dem Schirm.  

GaultMillau hat sie als «Jungsommeliere des Jahres 2024» ausgezeichnet. Gab es dafür viel Applaus von den Kollegen? 

Die Kolleginnen haben mich mehr gefeiert als ich selbst. Die Auszeichnung kam ja zu einer Zeit, in der ich mich als Restaurantleiterin noch nicht 100 Prozent dazu entschlossen hatte, den Job der Sommelière in «The Restaurant» zu übernehmen. Ich traute mir das noch nicht recht zu. Der Preis half schon mit, dass ich mich für diesen Job entschieden habe. 

Was trinken Sie, wenn Sie nicht im Dienst sind? 

Ich mag gerne Champagner, auch mal zu einem ganzen Menü. Aber Hauptsache ist eigentlich, dass es prickelt. Sogar beim Mineralwasser. 

Mögen Sie denn auch Bier? 

Nein, das trinke ich grundsätzlich nicht. Dann noch lieber Aperol Spritz. 

 

>> Katharina Sarrot ist seit Anfang 2024 Sommelière im Dolder Grand. Sie gehört schon über fünf Jahre zum Team von Heiko Nieder, zuletzt (und bis heute) als Managerin «The Restaurant». Das Lokal ist ausgezeichnet mit 19 Punkten und zwei Michelin-Sternen. 

Fotos Restaurant und Heiko Nieder: HO