Text: Kathia Baltisberger Fotos: Christopher Kuhn

Roter Pfeffer, grüne Aromen. Man wähnt sich in einem Chemielabor. Doch in Tat und Wahrheit befindet sich Patrick Zbinden, Food-Sensoriker und «al Dente»-Testleiter, im Keller der «Bar am Wasser». Inhaber Dirk Hany (grosses Bild oben) zeigt dem Sensoriker seine Gerätschaften: Utensilien aus der Profiküche wie Pacojet und Thermomix, aber – viel spannender – auch einen Rotationsverdampfer, eine Zentrifuge und ein Ultraschallgerät. Hany gibt rote Pfefferkörner zusammen mit Rum in einen Kolben und schliesst es am Rotationsverdampfer an. «Damit kann man Aromen aus jedem Stoff extrahieren», erklärt Hany das Gerät, das ungefähr so viel kostet wie ein Kleinwagen. Er destilliert bei lediglich 55 Grad. «Dadurch extrahiere ich nur die grünen, frischen Aromen des Pfeffers.» Verwendet wird das Destillat oben in der Bar für den Pink Peppercorn Daiquiri.

Bar am Wasser; Patrick Zbinden

Food-Sensoriker Patrick Zbinden testet den Scottish Rhapsody.

Bar am Wasser; Drink by Dirk Hany; Patrick Zbinden Hand

Der Cocktail ist viel klarer als ein gewöhnlicher Whiskey Sour. Grund dafür? Der Cocktail wurde mit Milch geklärt.

Milk Punch. Was die beiden Experten interessiert: Wie kann man Geschmack intensivieren? Dirk Hany ist Vorreiter und tüftelt an den einzelnen Bestandteilen rum: Er «pimpt» einen Whiskey, lässt Zitronensaft oxidieren oder eine Flüssigkeit künstlich altern. «Es ist ein bisschen wie bei der Musik: Wir nehmen eine alte Melodie und tunen die Töne. Die Basis ist oft ein klassischer Cocktail. Nehmen wir den Scottish Rhapsody, eigentlich ein Whiskey Sour: An dem haben wir so geschraubt, dass er nach Honig und Ingwer schmeckt und auch optisch kommt er anders daher.» Der Drink ist nämlich klar. Milk Punch ist das Zauberwort. Keine Magie, sondern Chemie. Die Milch und der Zitronensaft scheiden, doch die klumpige Flüssigkeit lässt sich abseihen. Das Resultat ist ein klares Getränk, das auch noch bekömmlicher ist als das klassische Original. 

Bar am Wasser Zürich Dirk Hany Patrick Zbinden

Hany hat den Kolben mit Rum und Pfeffer gefüllt. Das Ziel: Die grünen Aromen des roten Pfeffers in den Rum bringen.

Bar am Wasser Zürich Dirk Hany Patrick Zbinden

Viel Spektakel im Keller, unaufgeregt in der Bar: der Pink Peppercorn Daiquiri.

Spektakulär unspektakulär. Für Sensoriker Zbinden ist klar: «Aus der Bar-Szene kommen bezüglich Geschmack die spannendsten Entwicklungen.» Dabei ist daran gar nichts neu. Schon im 17. Jahrhundert hat man Getränke mit Milch geklärt. Köche – und allen voran Ferran Adrià – haben unter dem Deckmantel der Molekularküche nichts anderes gemacht. Und gewisse Techniken sind auch heute noch Gang und Gäbe, auch wenn niemand mehr den Begriff so verwendet. Am Ende geht es in der Bar am Wasser eben auch nicht einfach um aufregende Techniken mit Wow-Effekt. Denn Hanys Drinks kommen – optisch – gänzlich unspektakulär daher. Geschmacklich sind sie eine Wucht. 

Streng geheim! Um soviel Geschmack in ein Glas zu bekommen, braucht es Zeit. Im Keller stehen sechs Tontöpfe mit dem hauseigenen Negroni-Mix. 20 Zutaten enthält er, darunter, Gin, Wermut, Campari und Sherry. In den obersten drei Töpfen befindet sich jeweils eine Zutat mehr: Zitrusschalen, Botanicals und im dritten verschiedene Wurzeln. Dann wird von allen drei Töpfen abgeschöpft und auf zwei weitere verteilt. Der eine Topf bleibt so, im anderen kommt noch eine super geheime Geheimzutat hinzu. Nach einer gewissen Zeit wird wieder Flüssigkeit von beiden Töpfen abgeschöpft und in einem letzten Topf vereint. Solera-Verfahren nennt sich das und wird für die Reifung von Sherry oder Brandy verwendet. 

Bar am Wasser Zürich Dirk Hany Patrick Zbinden

Der Zitronenspritzer kommt von der Seite, damit nur das schwere Zitronenöl auf den Drink gelangt. Die leichten Öle sind bitter.

Bar am Wasser Zürich Dirk Hany Patrick Zbinden

Einer von vielen Schritten bei der Negroni-Produktion. Die Tontöpfe werden mit dem Negroni-Mix und Zitrusschalen gefüllt.

Bar am Wasser Zürich Dirk Hany Patrick Zbinden

Der fertige Haus-Negroni - inklusive geheimer Geheimzutat. 

Harmoniebedürftig. Patrick Zbinden zieht hier wieder die Verbindung zur Gastronomie: «Natürlich steht der individuelle Geschmack über allem. Aber ein Spitzenkoch stellt auch nicht Salz und Pfeffer auf den Tisch. Genauso ist es hier auch: Der Barkeeper liefert seine eigene Version von Harmonie und darauf muss ich mich einlassen.» Doch auch über Harmonie lässt sich streiten. Dirk Hany: «Einen Whiskey Sour würde ich jetzt nicht als harmonisch beschreiben. Die Süsse und die Säure, das ist wie ein Chlapf. Aber durch die richtige Balance ergibt sich im Gaumen sehr wohl wieder eine Harmonie.» Bis Ende Oktober gibt es in der «Bar am Wasser» noch die Klassiker-Karte. Bar-Nostalgie Pur. «Wer weiss schon, was ein Monkey Gland oder eine Dolores ist», schwärmt Hany. Ab Oktober kommt die neue Karte. Eine Reise durch die Welt der Drinks. 

 

>> Bar am Wasser
Stadthausquai 1
8001 Zürich

www.baramwasser.ch