Fotos: Thomas Buchwalder
Nachfolge geregelt. «SOS Giardino» titelte der GaultMillau-Channel, als Meisterkoch Rolf Fliegauf seine Kündigung deponierte, nach 18 Dienstjahren in Ascona und St. Moritz, mit 18 Punkten und zwei Sternen als Nachlass für den Nachfolger. Wir geben Entwarnung. Reto Brändli, 33, is back. Er ist ein «blue chip» in der Szene, einer der besten Köche seines Jahrgangs. In den drei Jahren «Adlon» Berlin ist er noch besser geworden, hat auch herausragende Produzenten entdeckt, die man in der Schweiz (noch) nicht kennt. Brändlis Ansage: er kocht französisch, kompromisslos und verspricht möglichst «viel Bums» im Teller.
Rose von der Brüggli-Forelle, Rettich, Jalapeno, grüne Gazpacho: Ein steiler Start in Reto Brändlis erstes Giardino-Menü.
«Ei royal» & Gamba blanca. Der Abend beginnt königlich gut: «Ei Royal». Wir durchbrechen mit dem kleinen Löffel verschiedene Schichten. Schnittlauch-Eierstich. Eigelb-Espuma. Eigelb gehobelt. Knusprige Brotcroutons (aus Blinis!). Gibt’s Blinis, ist der Kaviar nie weit. Chinesischer «Imperial» ist drauf, vom Weltklasse-Händler Imperial aus Berlin-Charlottenburg. Auch die anderen Starters überzeugen: Eine knusprige Knusperrolle mit Tatar von der Gamba blanca aus Huelva, rassiger Koriandercrème und Zitrusaromen. Eine Croustade mit Tatar von der Alten Kuh, Kalix-Kaviar, Meeräsche-Rogen und rauchiger Mayo. «Eine Hommage an die Nordic Cuisine und an die Küche von Björn Frantzén», sagt Brändli dazu.
Konzentration! Reto Brändli in der offenen Küche. Die Gäste sind Augenzeugen.
Zartes Lamm vom Guthof Polting in Niederbayern. Kriegen nur die grossen Chefs.
Im Namen der Rose. Reto Brändli ist im Kanton Schwyz aufgewachsen. Die Brüggli-Lachsforellen werden ganz in der Nähe seines Elternhauses aufgezogen. Sie fluten gerade die Schweizer Restaurant-Szene, begegnen einem auf Schritt und Tritt. Brändlis Variante sticht heraus: Lachs-Rose, mit zweierlei Rettich, Jalapeño und einer erstaunlich sanften, grünen Gazpacho. Wer will, kriegt auf Eis und gegen Aufpreis eine Dose Imperial Kaviar dazu: 10, 30 oder 50 Gramm. Prädikat Hammergericht! Gilt auch für den nächsten Gang, für den der Chef zu Stickstoff und zum Lötkolben greift: Entenleber-Sphäre, drin Hummerscheren, Orange und Basilikum, daneben ein eiskaltes Stück Foie gras-Terrine. Macht auch der erstklassigen Servicebrigade Eindruck: «Retos Signature Dish», annoncieren sie respektvoll.
Starke Frau! Antje Haager ist Reto Brändlis Patissière.
Joghurt, Cerealien, Zitrone: Auch die Desserts haben Klasse.
Starke Frau! Theresa Windhofer ist Restaurant-Chefin & Sommelière.
Passt die Rinderzunge zum Steinbutt? Der Chef mag Meergetier. Die südafrikanische Languste etwa, «am liebsten die kleinste auf dem Markt». Am noblen Krebs wird hart gearbeitet: Er wird gebeizt, kriegt eine XO-Lackierung und wird auf Binchōtan-Kohle noch kurz grilliert und mit einer Kokosnuss-Beurre blanc und Hummer-Bisque mit Kaffirlimetten-Öl serviert. Der Steinbutt (Wildfang, Portugal) ist von bester Qualität, aber das genügt der jungen Brigade natürlich nicht. Frischer Meerrettich (so etwas wie Brändlis Geheimwaffe) kommt drüber, und eine freche Rinderzungen-Rolle liegt daneben. Überraschung: Das passt! Aufregend, was eingegossen wird: Eine unglaublich intensive Ochsenschwanz-Essenz mit Liebstöckel, ein veritabler «Beef Tea».
Die Lämmer der grossen Chefs. Brändlis Mitbringsel aus Berlin? Coole Adressen von bei uns wenig bekannten Lieferanten. Auf dem Gutshof Polting in Niederbayern zieht die Familie Riederer Freiherr von Paar Lämmer auf, seit fünf Generationen. Artgerechte Haltung, perfekte Ernährung, stressarme Hofschlachtung. Die Familie beliefert nur Köche, von denen sie ganz viel halten. Brändli schaffte es im «Adlon» auf die Liste und kriegt die Tiere jetzt auch nach Ascona geliefert. Er lässt sie weitere vier Wochen abhängen, serviert dann den butterzarten Rücken, peppt den Jus mit Kleinstteilen der geschmorten Schulter auf. Auch Herz, Leber, Milke und Backe werden verwertet; sie stecken in einem kleinen Fagottino, übrigens der einzigen italienischen Komponente im ganzen Menü. Beilage? Grüner Robert-Blanc-Spargel aus Frankreich, sündhaft teuer und sündhaft gut.
Team Brändli! «Rolf Fliegauf hat mir eine Super-Brigade hinterlassen», sagt der Neue im «Giardino».
Starker Chef, starke Brigade! Die «Ecco»-Erfolgskomponenten? Reto Brändli ist ein wilder Hund, strotzt vor Selbstvertrauen. Aber er hat bei grossen Chefs (Caminada, Fliegauf) gelernt, weiss sehr genau, was er tut und wie weit er gehen kann. Er schart gute Köche um sich, die (fast) alle bereits in grossen Häusern gearbeitet haben und dankt dafür seinem Vorgänger: «Der Rolf hat mir eine grossartige Brigade hinterlassen.» Zwei junge Frauen besetzen im «Ecco» Schlüsselpositionen: Die Tirolerin Antje Haaser ist ein Pâtissier-Supertalent, Theresa Windhofer aus der Steiermark ist neu souveräne Restaurant-Chefin und mutige Sommelière zugleich.