Dario Moresco, sind Sie glücklich über den 17. Punkt? 

Aber sicher! Es ist eine Anerkennung für die harte Arbeit, die wir täglich leisten, um unsere Gäste glücklich zu stellen. 

Und wie viel Anteil am Titel «Aufsteiger des Jahres» hat Antonio Guida? 

Er ist mein Mentor, ohne ihn wäre ich jetzt wohl nicht hier, er hat mich geformt. Wenn Sie eine Prozentzahl möchten, könnte ich auch 100 Prozent sagen. Ich habe ihm schon ein Video geschickt und später telefoniert. Er meinte, weiter so! 

Kommt er noch immer einmal monatlich aus Mailand vorbei? 

Wir telefonieren sicher einmal pro Woche. Und ja, er kommt tatsächlich jeden Monat einmal vorbei. Ich schätze diese Zusammenarbeit sehr. 

Aber sollte er Ihnen nicht mehr Vertrauen schenken? 

Das Vertrauen ist da, aber es tut doch auch gut, jemanden wie ihn im Rücken zu haben. Er ist für uns das, was Andreas Caminada für viele erfolgreiche Schweizer Köche ist. 

Und wie oft sind Sie umgekehrt bei Guida in Mailand? 

Ich war dieses Jahr schon dort und gehe im Dezember wieder hin. Auch bei ihm im Restaurant werde ich essen… 

…auch den Risotto mit Himbeere und Salbei, seinen Signature Dish? 

(Lacht.) Den esse ich dann bestimmt nicht. Ich habe ihn viel zu oft selber zubereitet, den hatte ich schon mehrmals – ich probiere lieber etwas, was ich noch nicht kenne.

Lesen Sie hier mehr über die Vergabe der aktuellen GaultMillau-Auszeichnungen. (Grosses Bild oben: Dario Moresco mit Souschef Gianmarco D’Alonzo an der «Koch des Jahres»-Party.)

4-Hands Dinner mit Stefan Heilemann vom Widder und Dario Moresco vom Restaurant Orsini - Mandarin Oriental Savoy Zürich

Dario Moresco mit seinem Mentor Antonio Guida (M.) in der Küche des «Orsini» in Zürich.

Italiener sind Produkte-Fetischisten. Die Kapern müssen aus Pantelleria sein, Zitronen aus Amalfi. Wie streng sind Sie diesbezüglich? 

Beim Gemüse setze ich tatsächlich oft und gerne auf italienische Herkunft. Es gibt Produkte, die mit den klimatischen Bedingungen und den Böden dort perfekt gedeihen, darum macht das Sinn. Ich verwende aber auch Schweizer Produkte: Wurzelgemüse und Kürbisse sind wunderbar, das Poulet aus Gruyère, alte Kuh von der Hinterhofmetzgerei. Letztendlich zählt, die bestmögliche Qualität zu bekommen. 

Sie bewegen sich teilweise weit weg von den italienischen Klassikern. Den Risotto servieren Sie wie beschrieben mit Himbeeren. In Ravioli packen Sie auch mal Schwertfisch. Ist das noch klassisch italienische Küche? 

Es geht, so meine Überzeugung, in der italienischen Küche ums Herausarbeiten der Kraft der jeweiligen Aromen der Produkte. Diese Herangehensweise ist es, die für mich die italienische Küche ausmacht. Meine Antwort lautet darum: Ja, wir sind sehr italienisch, wenn auch nicht 100-prozentig. Wir servieren zurzeit zum Beispiel Linguine mit Brennnesseln – ein Gericht, das schon meine Grossmutter zubereitet hat. Ich koche die Brennnesseln, gefriere sie und mache daraus ein Pulver, das zu gut 40 Prozent in die Pasta kommt. So wird der Geschmack kräftiger, es sind aber die italienischen Aromen, die ich schon aus meiner Kindheit kannte. 

Wie akzeptiert ist denn eine solche neu interpretierte italienische Küche? 

Bei der Carbonara verstehen die Italiener manchmal keinen Spass, aber eine Küche darf sich ruhig weiterentwickeln – wenn man die Wurzeln kennt. Fortschritt muss doch immer sein! Wieso sollte er nicht erlaubt sein? 

Gute Zutaten haben ihren Preis. Wird das «Orsini» quersubventioniert vom Hotel? 

Nein, wir müssen auch im Mandarin Oriental Savoy selbsttragend sein. 

Das heisst im Umkehrschluss auch, dass die MO-Gruppe in Ihrer Küche wenig mitredet? 

Solange wir das Budget einhalten, können wir machen, was wir wollen. Klar, isst unser General Manager Dominik G. Reiner bei uns, er hat aber noch nie konkret ins Menü eingegriffen. Da haben wir wirklich alle Freiheiten – die Gäste und GaultMillau mögen ja offensichtlich, was wir machen. 

Orsini Summer 2024 - Mandarin Oriental Hotel Zuerich - Copyright Olivia Pulver Gericht: Bottoni. Eine Wildhasen-Füllung ist drin.

Ist das noch klassisch italienisch? Bottoni mit Wildhasenfüllung.

Dario Moresco, Chefkoch - Orsini - Mandarin Oriental Savoy Zurich - Hotel des Jahres 2025 - Sommer 2024 - Copyright Olivia Pulver

«Bei Carbonara verstehen Italiener manchmal keinen Spass», sagt Dario Moresco.

4-Hands Dinner mit Stefan Heilemann vom Widder und Dario Moresco vom Restaurant Orsini - Mandarin Oriental Savoy Zürich

Das ist die Bühne, die Dario Moresco bespielt: «Orsini» im Mandarin Oriental Savoy.

Sie durften Ihr Team selbst zusammenstellen. Wieso sind das alle Italiener? 

Wir haben auch einen Tessiner in der Brigade! Und das Tessin gehört ja zur Schweiz. (Lacht.) Die Zusammenstellung des Teams rührt vor allem daher, dass es Leute aus meinem persönlichen Umfeld waren, die ich ins Team holte. Es ist sicher nicht verkehrt, wenn sich ein Italiener um die Pasta kümmert, aber wieso sollte ein Japaner nicht auch lernen können, Pasta zu kochen. Und diese dann vielleicht sogar besser zuzubereiten als mancher Italiener. 

Sind Sie inzwischen am Deutsch lernen? 

Als ich nach Zürich kam, konnte ich noch nicht mal Englisch. Auch das Kochen auf unserem Niveau braucht viel Zeit. Deutsch kommt darum erst als nächstes auf der To-Do-Liste. 

Wie wichtig ist Gianmarco D’Alonzo, Ihr Souschef? 

Die Zusammenarbeit mit ihm ist für mich essenziell. Wir beschliessen alles zusammen. 

Und was steht auf der Wildkarte dieses Jahr? 

Wir haben, auch dies zu zweit, unsere Ideen konzipiert, uns für bestimmte Produkte entschieden. Nächste Woche beginnen wir mit dem Probekochen. Geplant ist etwa eine Terrine im Stile eines Boudin noir. Oder eckige Kartoffelgnocchi in Wildconsommé mit Fasan. Am 21. Oktober geht’s los. 

Hat Antonio Guida schon sein OK gegeben? 

Er hat unsere Einfälle für gut befunden – aber er wird sicher noch vorbeikommen und testessen.

 

>> Dario Moresco ist Küchenchef im «Orsini» im Mandarin Oriental Savoy in Zürich. Er ist ausgezeichnet mit 17 Punkten und GaultMillaus «Aufsteiger des Jahres 2026 in der Deutschschweiz».

 

Fotos: Olivia Pulver, Adrian Bretscher