Mit welchen drei Adjektiven lässt sich Ihr Jahr 2025 am besten zusammenfassen?
Wild, überwältigend, dankbar.
Und wem möchten Sie in erster Linie Danke sagen?
Allen, die mitgeholfen haben, dass unser «Igniv» in Andermatt so gut aus den Startlöchern gekommen ist. Ganz besonders meiner Freundin Hannah van den Niewenhuizen, die den Service im Restaurant leitet und mich immer unterstützt. Dann natürlich Andreas und Sarah Caminada, die mir diese riesige Chance gegeben haben. Und last, but not least: meinen Eltern. Es freut mich sehr, dass sie jetzt Grund haben, stolz auf mich zu sein. Ich war nicht der einfachste Jugendliche, wohin mein Weg führen würde, war nicht immer klar.
Welche Momente haben Sie in den letzten zwölf Monaten am meisten bewegt – und gab es auch einmal Tränen?
Tränen gab es zur Genüge. Aber zum Glück nur Freudentränen. Wenn man mit 16 Punkten GaultMillaus «Entdeckung des Jahres» wird und dann auch noch auf Anhieb zwei Michelin-Sterne bekommt, macht das schon etwas mit einem. Zunächst war ich noch recht gefasst, aber als ich dann die Freude – und die Tränen – in Familie und Freundeskreis sah, konnte ich meine Emotionen nicht mehr im Zaum halten. Sehr bewegend war auch der erste Service im «Igniv». Schliesslich hatten wir viele Wochen auf diesen Moment hingearbeitet. Am Tag vor dem Opening haben wir noch nachts um vier Bilder aufgehängt.

Ein wenig Schärfe darf schon sein: Langustine mit Chili, Tomaten, Fenchel und Dashi-Creme.
Gibt es nach dem ersten Jahr «Igniv Andermatt» schon ein Gericht, das Sie als Signature Dish bezeichnen würden?
Ich will eigentlich gar keine Signature Dishes haben, weil es mich langweilen würde, fünf Jahre lang wieder und wieder das gleiche Gericht zuzubereiten. Ich strebe viel eher einen klaren Stil an. Eine gewisse Schärfe findet sich zum Beispiel in vielen meiner Kreationen. Es würde mich auch freuen, für den besonders virtuosen Umgang mit bestimmten Produkten bekannt zu sein.
Fassen wir den Fokus etwas weiter. Zählt Andermatt schon zu den wichtigsten Kulinarik-Destinationen in der Schweiz?
Wenn man sich die Dichte von hoch bewerteten Restaurants ansieht und diese dann auch noch auf die Einwohnerzahl herunterbricht, auf jeden Fall. Es braucht aber wohl noch etwas Zeit, bis sich das überall herumgesprochen hat. Andermatt hat sich enorm entwickelt, nicht nur kulinarisch. Es ist ein richtig attraktiver, pulsierender Ort geworden, mit dem Militär-Nest von einst hat es nichts mehr zu tun.
In Ihrem Restaurant gibt es auch eine Bar. Wie gross sind die Synergien zwischen den beiden Abteilungen?
Sehr gross! Und darüber bin ich super happy. Unser Barchef Marco Perego ist unheimlich kreativ und hat schon die halbe Welt gesehen. Sein Geschmackssinn beeindruckt mich immer wieder. Wenn ich ihn sehe, muss ich immer an den Druiden Miraculix aus den Astérix-Comics denken. Nicht weil er so alt wäre, sondern weil er einen Zaubertrank nach dem anderen erfindet. Wir geben einander unsere Kreationen immer zum Probieren, pushen uns gegenseitig. Eine Zweitmeinung ist sehr wichtig, wenn man sich weiterentwickeln möchte.

Doppelt hält besser: Restaurantleiterin Hannah van den Nieuwenhuizen ist auch privat die Partnerin von Valentin Sträuli.
Die Frage liegt auf der Hand: Was sind Vorteile, wenn man wie Sie und Ihre Freundin als Paar ein Restaurant führt, was die Nachteile?
Ich liebe es, mit Hannah zusammenzuarbeiten. Also sehe ich eigentlich nur Vorteile. Wir können uns gegenseitig am besten aufbauen, wenn es mal harzig läuft. Natürlich fauchen wir einander auch einmal an, doch das ist nach einer Minute wieder vergessen. Gerade eben habe ich etwas Falsches gesagt und Hannah war kurz sauer. Wenig später hat sie mir aber schon wieder einen Cappuccino hingestellt. Wir sind in einem Jahr in Andermatt noch näher zusammengewachsen als in den fünf gemeinsamen Jahren davor.
Welche Restaurants möchten Sie 2026 unbedingt besuchen – und warum?
Nachdem ich Hannah und mir 2025 mit einem Besuch im «Frantzén» in Stockholm einen lange gehegten Traum erfüllen konnte, steht das «Disfrutar» in Barcelona ganz oben auf meiner Wunschliste. Dani Zeindlhofer, der Chef des Zürcher «Igniv», war schon dort und schwärmt noch heute von diesem Erlebnis. Was im «Disfrutar» auf den Teller kommt, ist crazy, aber trifft ins Schwarze. Ausserdem reizen mich Ferien in Japan sehr, dort gibt es unzählige fantastische Restaurants zu entdecken, deren Namen ich noch nicht einmal kenne.
Haben Sie sich sonst noch etwas vorgenommen fürs neue Jahr?
Nein. Ich fasse meine Entschlüsse unabhängig vom Kalender. Wenn ich etwas erreichen will, ziehe ich es ab sofort durch. Ob nun Januar ist oder November.

«Entdeckung des Jahres 2026»: Valentin Sträuli (M.) mit GaultMillau-Chef Urs Heller (l.) und Moderator Sven Epiney anlässlich seiner Auszeichnung im Herbst.
Letzte Frage: Was braucht ein Fine-Dining-Lokal, um 2026 in einem anspruchsvollen Markt erfolgreich zu sein?
Es muss mit der Zeit gehen und den Gästen signalisieren: Bei uns darfst du auch einmal die Gabel auf den Boden fallen lassen oder laut lachen. Ein gutes Restaurant darf nicht mehr feierlich oder steif sein. Und es muss auf die Leute zugehen. Einem Kommentarschreiber, der unter einem Interview mit mir behauptet hatte, dass man bei uns nicht satt werde, habe ich angeboten, die Rechnung zu übernehmen, wenn er nach dem «Igniv»-Abendmenü noch Hunger habe. Unser Mittagsmenü, das wir am Freitag und Samstag servieren, soll Zweiflern den Einstieg ins Fine Dining erleichtern. Wir gewinnen so sehr viele Dinner-Gäste. Wer mittags da war, kommt fast immer recht bald am Abend wieder.
>> Valentin Sträuli, Jahrgang 1997, räumte in seinem ersten Jahr als Küchenchef des neuen «Igniv» in Andermatt gross ab: 16 Punkte und die Auszeichnung als «Entdeckung des Jahres» bei GaultMillau, zwei Sterne im Guide Michelin. Der Zürcher, der auf die Wirkung von Salz und Essig schwört, ist nicht nur in den Augen seines Mentors Andreas Caminada eines der vielversprechendsten Talente im Land.
Fotos: Olivia Pulver, Adrian Bretscher

