Neuer Sommelier, neuer Gastgeber. Im Widder Restaurant (18 Punkte, zwei Sterne) gibt es sichtbare Veränderungen: Küchenchef Stefan Heilemann hat prominente Verstärkung an der Front erhalten. Mit Ansgar Fischer, dem legendären Gastgeber der «Schwarzwaldstube» in Baiersbronn und Connor Münster als neuen Head Sommelier ist das «Widder»-Team wieder komplett. Nach dem Abgang von Stefano Petta, der gleichzeitig Sommelier und Gastgeber war, gab es eine grosse Lücke. «Ich habe selbst viel Zeit bei den Gästen verbracht, darunter hat aber meine Arbeit in der Küche gelitten», sagt 18-Punkte-Chef Heilemann. Man habe auch festgestellt, dass Gastgeber und Sommelier zwei verschiedene Rollen seien, die deshalb bestmöglich besetzt werden müssen, so der Küchenchef. Grosses Bild oben: Ansgar Fischer und Stefan Heilemann am Pass im Widder Restaurant.

Widder, Sommelier Connor

Talent am Weinkühlschrank: Connor Münster hat zuletzt auf einem Weingut gearbeitet und war zuvor Sommelier im Restaurant Weinsinn in Frankfurt.

«Weg nach oben.» Das Trio Heilemann, Fischer, Münster will das Restaurant, das zur Gruppe von «The Living Circle» gehört, «auf dem Weg nach oben weiterentwickeln», wie Stefan Heilemann es ausdrückt. Mit Ansgar Fischer verbinde ihn die jahrelange Zusammenarbeit in der «Schwarzwaldstube», «das ist unsere Gesprächsgrundlage». In der kontrastierenden Mischung aus «Lässigkeit und klassischer Küche» habe man einen eigenen Stil, so Heilemann. Für den Koch ist es «extrem wichtig, jemanden im Gastraum zu haben, dem ich hundertprozentig vertrauen kann». Und der 51-jährige Ansgar Fischer sagt im Gespräch (s. unten), ein guter Gastgeber sei in der Lage, das Wesen jedes einzelnen Gastes zu erfassen.

Widder, Gastgeber Ansgar Fischer (l) mit Stefan Heilemann und Sommelier Connor

Starkes Trio im Widder Restaurant: Gastgeber Ansgar Fischer mit Küchenchef Stefan Heilemann und Head Sommelier Connor Münster (v.l.).

Ansgar Fischer, was macht einen guten Gastgeber im Restaurant aus?
Im Idealfall sorgt er dafür, dass sich möglichst alle Gäste wohl fühlen. Damit meine ich ungezwungen. Es sollte nie so sein, dass sich die Gäste verstellen müssen, weil sie das Gefühl haben, von ihnen werde etwas erwartet, weil das Restaurant bestimmte Bewertungen oder einen Ruf hat.


Und wie erreicht man das?
Ich muss vorausschicken, dass ich diese Einstellung nicht schon immer hatte, das hat sich im Laufe der Jahre entwickelt. Erreichen kann man das mit einem Team, das individuell den Gästen zugewandt ist. Es geht darum, das Wesen jedes Gastes zu erfassen: Der eine mag eine gediegenere Ansprache, weil er zurückhaltender ist, der andere mag es etwas offensiver.


Was braucht es dafür?
Auf jeden Fall braucht es psychologisches Gespür. Im Idealfall weiss man schon im Voraus etwas über die Gäste: Wie gross ist die Gruppe, woher kommen sie, wer hat die Reservation gemacht und ist gewissermassen der Chef am Tisch… Ich empfange alle Gäste und kann so ihre Stimmung gleich Gäste aufnehmen. Je nach dem gebe ich den Kollegen Hinweise oder Informationen, die mir wichtig scheinen. Vieles läuft über Blickkontakt, man schaut auf die Körpersprache. Das Ziel ist, dass die Gäste das Restaurant verlassen mit dem Gefühl, ihren Mittag oder Abend am richtigen Ort verbracht zu haben. 

Widder, Gastgeber Ansgar Fischer

«Besteck bietet Gestaltungsmöglichkeiten»: Restaurantleiter Ansgar Fischer.

Sie haben einen unverwechselbaren eigenwilligen Stil, kommt das intuitiv oder einstudiert?
Unverwechselbar halte ich für übertrieben. Man kann als Restaurantleiter auch nicht alles abdecken, wir arbeiten als Team. Jede Kellnerin und jeder Kellner ist Gastgeber. Ich glaube, der Stil im Service ist eine Frage des Zeitgeistes: Unsere Gäste sind interessiert an Persönlichkeiten, deshalb kann und muss jeder von uns sich selbst sein. Die Gäste haben es verdient, dass man nicht nach Schema verfährt und immer den gleichen Text aufsagt zum Beispiel. Das gleiche Gericht kann an zwei Tischen mit verschiedenen Wortlauten annonciert werden.


Trotzdem: Wie hat sich der Gastgeber-Stil in Ihren Augen verändert?
Früher gab es einen Gastgeber, der von Tisch zu Tisch gegangen ist und die Gäste unterhalten hat, bis er ausgebrannt war und das nicht mehr weitermachen konnte. In dieser Konstellation waren alle anderen Kollegen nur Nummern, die etwas abzuarbeiten hatten. Heute ist der Teamgedanke wie gesagt viel wichtiger.


Ein ganz anderes Thema: Was kann man mit der Art, wie beispielsweise das Besteck platziert wird, erreichen?
Wenn ich das Messer waagrecht hinlege, ist das nicht pure Willkür. Zum einen geht es um Zweckmässigkeit, weil man beispielsweise den Raum auf dem Tisch besser ausnutzt. Und dann bietet ein Besteck ja auch Gestaltungsmöglichkeiten. Wenn ich den Löffel um 90 Grad drehe, wirkt das ungezwungener. Und ich mache das auch, weil ich Lust darauf habe. 

Stefan Heilenmann, Wildmenu, Französicshe Freilandente, Bao Bun, Entenleber

Klassischer Heilemann-Start ins Menü: Variation von der Bresse-Freilandente.

Widder

Restaurant mit Charakter: Atmosphäre im Widder am Zürcher Rennweg.

Sehen Sie Ihren Beruf eher im Dienstleistungs- oder im Performance-Sektor?
Dienstleistung, ganz klar! Als erstes muss man fehlerfrei Teller an den Tisch bringen und Gläser nachfüllen können. Wenn ich 90 Prozent meiner Arbeit routiniert abdecken kann, habe ich die geistige Freiheit, mit Fantasie und unkonventionellem Gedankengut mit den Gästen umzugehen oder schwierige Situationen zu lösen.


Sie wollten nach Ihrer Zeit in der «Schwarzwaldstube» nicht mehr ins Fine Dining zurück. Woher kommt der Sinneswandel?
Stefan Heilemann hat mir glaubhaft versichert, dass es hier nicht darum geht, eine Position zu erben. Sondern darum, mit neuen Ideen und Sichtweisen bestimmte Sachen in Frage zu stellen und das Restaurant voranzubringen. Und solche Möglichkeiten gibt es nicht sehr oft, das hat mich gereizt. Die Erwartungshaltung an mich ist, eine neue Dynamik reinzubringen.


Gute Serviceleute sind gesucht, warum hat der Beruf Nachwuchsprobleme?
Für die Schweiz kann ich das nicht beantworten, dafür bin ich zu wenig lange hier. Aber mir scheint, das Ansehen der Servicemitarbeiter ist hier deutlich besser. In Deutschland werden oft Sommelier, Restaurantleiter und F&B-Manager in einer Person gesucht, und das funktioniert einfach nicht. Am Ende geht es ums Geld: Man sucht nach jungen Talenten, die nicht viel verdienen, und die werden schnell verbrannt. Viele gehen dann auf die Hotelfachschule und landen im mittleren Management. 

Widder Restaurant Küche

«Extrem kurzweilig»: die offene Küche im Widder Restaurant.

Sie selbst eigenen sich nicht fürs mittlere Management?
Ich finde es schöner, einen Beruf zu haben, der mir Spass macht. Mich befriedigt die Arbeit im Restaurant und im Kontakt mit den Gästen.


Muss man in Ihrer Funktion die Gerichte mögen, die man serviert, oder spielt das keine Rolle?
Man muss schon Bock darauf haben. In Frankreich hatte ich einmal einen Kollegen, der den Käsewagen betreut hat. Ich habe ihn gefragt, wie jener oder dieser Käse schmeckt. Es hat mir geantwortet, er esse keinen Käse. Das hat mich dann schon erstaunt. Die Küche von Stefan ist ehrlich, und man kann stolz darauf sein. Sie kann aber noch mehr gewinnen, wenn man sie richtig erklärt und dem Gericht durch die Wortwahl noch mehr Leben einhaucht. Dafür braucht es aber Ess-Erfahrung.


Warum?
Um über Gerichte glaubhaft zur reden, muss sie mal gegessen haben. Bei der Arbeit selbst funktioniert es dann aber besser mit leerem Magen. Wenn man Hunger hat, erklären sich das Essen besser, witziger und lebhafter. 

Musik, Menschen, Einrichtung – es gibt viele Faktoren für die Atmosphäre in einem Restaurant. Was ist Ihnen persönlich wichtig bei der Gestaltung eines Raumes?
Es macht einen Riesenunterschied, ob etwas konzeptioniert wurde, oder über Jahre gewachsen ist. Ich finde es zum Beispiel extrem kurzweilig, dass man im Widder Restaurant die Bar von unten hört. Das hat einen Charakter, den ich gerne mag. Das Durchdesignte liegt mir weniger. Und vielleicht spricht man so auch unterschiedliche Gäste an. Es gibt Restaurants, in die man gerne wieder geht und solche, in denen man einmal gewesen sein muss.

 

Fotos: Nik Hunger, Adrian Ehrbar (1)