Fotos: Adrian Bretscher

Feminimer Kochstil? Sie hören es beide regelmässig von den Gästen, die sich in gehobenen Restaurants der Welt auskennen: Ihr Kochstil sei eher feminin! Die Rede ist von Gilad Peled, 16 Punkte, der im Luzerner Palace Mandarin Oriental seit bald zwei Jahren den Kochlöffel schwingt. Und von Matt Abé, der in London im Restaurant «Gordon Ramsay» am Herd steht und zu den besten Küchenchefs Grossbritanniens gehört. Und weil diese Umschreibung vielleicht nicht ganz zum Zeitgeist passt, fragt man unweigerlich nach, was damit gemeint ist: «Wir kochen leicht. Kräftige Aromen und grelle Farben sind nicht, was wir suchen», so Peled. Und sein britischer Kollege Abé fügt an: «Es ist wahrscheinlich gar nicht so leicht zu unterscheiden, welche Gänge von ihm, welche von mir sein werden.» Der kurze Talk findet im Vorfeld eines siebengängigen Fourhand-Dinners im «Colonnade» statt, bei dem tatsächlich einige verblüffend subtile Gerichte auf den Tisch kommen. Grosses Bild oben: Gilad Peled und Matt Abé (r.). 

Fourhander mit Gilad Peled & Matt Abé im Mandarin Oriental Luzern - TASCHENKREBS - GURKE - KOBU - OSCIENTRA KAVIAR

Vorspeise von Gilad Peled: Taschenkrebs, Gurke, Kombu & Kaviar.

Fourhander mit Gilad Peled & Matt Abé im Mandarin Oriental Luzern - MENU : RAVIOLI - HUMMER - LANGUSTINE -LACHS VVADOUVAN

Raviolo mit Hummer, Langustine, Lachs und Zitronenverbene by Matt Abé.

Fourhander mit Gilad Peled & Matt Abé im Mandarin Oriental Luzern - STEINBUTT - CELTUCE - WALNUSS - WEINTRAUBE - VADOVAN

Steinbutt, inspiriert von «Coronation Chicken», mit Spargel, Walnuss, Weintraube und Vadouvan.

Der Clan des TV-Chefs. Dass der Israeli Peled und der Australier Abé zusammen kochen – alles andere als ein Zufall. Schliesslich nennen sie beide die englische Topköchin Clare Smyth als ihre Mentorin. Alle drei gehören sie zum engeren Clan des britischen Starchefs Gordon Ramsay, der nicht zuletzt wegen seiner Auftritte im englischen TV Berühmtheit erlangt hat: Peled hat vor seinem Engagement in Luzern für Ramsay in Bordeaux das «Pressoir d’Argent» geführt und dort zwei Michelin-Sterne verdient; Abé ist Küchenchef am Herd des Stammrestaurants «Gordon Ramsay» in London, das seit über 20 Jahren drei Sterne hält. 2010 haben die beiden ebendort einige Monate zusammengearbeitet: «Das ist die Basis unserer Freundschaft», so Abé über diese gemeinsame Zeit. Und Gilad erinnert sich daran, dass Matt auch schon vor der Eröffnung des «Colonnade» in Luzern zugegen war, um seinen Compagnon zu beraten. «Man braucht in solchen Situationen ehrliches Feedback.» 

Fourhander mit Gilad Peled & Matt Abé im Mandarin Oriental Luzern

Ready für den Ansturm: Das Team im «Colonnade», Mandarin Oriental Palace, Luzern.

Abgeschmeckt mit Kaviar. Positives Feedback hat Gilad Peled sicherlich für seinen Signature Dish bekommen, mit dem er den Abend eröffnet: gezupfter Taschenkrebs auf Kombu-Mayonnaise, mit hauchdünnen, knackigen Gurken belegt. Abgeschmeckt wird mit einigen Tupfern Zitronengel und der eleganten Salzigkeit von Oscietra-Kaviar. Sieht gut aus, und es schmeckt zugleich frisch und jodig. Da lässt sich Matt Abé nicht zweimal bitten und doppelt mit einem Raviolo nach, das mit Langusten-, Lachs- und Hummerfleisch gefüllt ist. Zum prächtig prallen Teigkissen, das in Gordon Ramsays Restaurant mittlerweile einem Vierteljahrhundert serviert wird, gesellt sich eine bisqueartige Sauce Américaine, die dank Espelette-Pfeffer ordentlich Pfiff hat. Damit es am Ende doch nicht zu «männlich» wird, dafür sorgt Zitronenverbene. 

Fourhander mit Gilad Peled & Matt Abé im Mandarin Oriental Luzern

Mal Frisches, mal Süsses: Patissier Clément Laurent.

Fourhander mit Gilad Peled & Matt Abé im Mandarin Oriental Luzern

Lichtdurchflutet: der Gastraum des «Colonnade».

Fourhander mit Gilad Peled & Matt Abé im Mandarin Oriental Luzern - Weinservice mit Moritz Dresing

«Cristal» als Upgrade: Sommelier Moritz Dresing.

Aromen wie bei der Krönung der Queen. Etwas englische Kulinarikgeschichte gibt es beim anschliessenden Gang, nochmals ist Matt Abé an der Reihe: Er kombiniert eine perfekt glasige, in ihre Lamellen zerfallende Tranche Steinbutt mit Spargeln und einer schön gelben Verveine-Sauce. Darüber hinaus: einige Aromen, die man in England vom sogenannten «Coronation Chicken» her kennt. Gemeint ist ein Pouletgericht, das anlässlich der Krönung von Elisabeth ll. im Jahr 1953 von Rosemary Hume rezeptiert worden ist. Curry (bei Matt ist es Vadouvan) und Sultaninen (Trauben) gehören klassischerweise dazu. In den gehobenen Küchen Englands ist die Zubereitung selten geworden; als Füllung in dreieckigen Sandwiches ist sie indes noch immer präsent. 

Fourhander mit Gilad Peled & Matt Abé im Mandarin Oriental Luzern - APPENZELLER LAMM - VIOLETTE ARTISCHOCKE - TAGGIASCA-OLIVE - MAJORAN

Appenzeller Lamm kombiniert Gilad Peled mit Zucchetti.

Fourhander mit Gilad Peled & Matt Abé im Mandarin Oriental Luzern - TETE DE MOINE - MACADAMIA - APRIKOSE - HOLUNDERBLÜTENHONIG

Tête de Moine mit Aprikose & Holunderblütenhonig by Matt Abé.

Fourhander mit Gilad Peled & Matt Abé im Mandarin Oriental Luzern

Erkennen Sie den Schokoriegel? Petit Four mit Schokolade und Sauerkirsche.

Tête de Moine –  in London gern gesehen. Ebenfalls einen englischen Touch hat der Hauptgang von Gilad Peled: gebratene Lende und geschmorter Bauch vom Appenzeller Lamm, die mit einer (zurückhaltenden) Minzesauce und gehackten schwarzen Oliven kombiniert werden. Bemerkenswert ist indes, dass hier Zucchetti die zweite Hauptrolle spielt. Das Gemüse – sonst oft bitter, pampig und wenig populär – sorgt hier dank zurückhaltender Zubereitung absolut für aromatische Eleganz. Danach gleich nochmals eine Zutat, die man von einer ganz anderen Seite kennenlernt: Tête de Moine! Hat Matt Abé den Käse hier in der Schweiz kennengelernt? «Nein, den gibt es inzwischen in England», sagt er. Seit etwa einem Jahr sei die jurassische Spezialität auch in seinem Restaurant in London auf der Karte. Zusammen mit süssen Dörraprikosen, saurem Aprikosen-Relish, Macadamianüssen, Blütenpollen und ein paar Tropfen Holunderblütenhonig. Welch Tüpfelchen auf dem i! Bis dahin wirken die Gerichte der beiden Freunde, dies als Fazit, tatsächlich wie aus einem Guss. 

Fourhander mit Gilad Peled & Matt Abé im Mandarin Oriental Luzern

Lernten sich im Dunstkreis von Gordon Ramsay kennen und schätzen: Gilad Peled & Matt Abé (r.).

Ein Schokoriegel namens Cherry Ripe. Zuletzt gilt es noch zwei Kollegen aus der Crew von Gilad Peled zu erwähnen: Einerseits Sommelier Moritz Dresing, mit bloss 30 Jahren der Älteste im Serviceteam ist. Er serviert nicht nur einige wirklich passende Weine zum Menü (2012er Fendant von der Domaine de Beudon begleitet den Käsegang), sondern hat, typisch im «Colonnade», auch einige bemerkenswerte Upgrades parat: Wer sich etwas gönnen möchte, bekommt zum Start «Cristal» aus der Magnumflasche, später einen Bâtard-Montrachet 2014 von Leflaive oder zum Hauptgang Château Latour 1994, dessen Fruchtigkeit noch mit ganz viel Power daherkommt. Andererseits Patissier Clément Laurent, der sowohl frische als auch mollig-süsse Gänge beherrscht: Pré-Dessert ist ein Pelargonium-Sorbet mit Gurke und schön kratzigem Olivenöl; es folgen Walderdbeeren mit Mendel-Granita und Rooibos-Creme. Bei den Friandises, die den Abschluss machen, vermählt er Sauerkirschen und Schokolade: «Das schmeckt ein wenig wie Cherry Ripe, mein Lieblingsschokoladenriegel aus Australien!», kommentiert Matt Abé. Was über die gute Stimmung an besagtem Abend – die nicht nur in der Küche, sondern auch im Gastsaal spürbar war – eigentlich alles aussagt. 

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