Text: David Schnapp | Fotos: Valeriano Di Domenico, Digitale Massarbeit/p>

Antonio Colaianni, wird italienischer Käse im Käseland Schweiz unterschätzt?
Lange war ja Frankreich das Mass aller Dinge, wenn es um Käse geht, die Schweiz hat sich in diesem Bereich erst in den letzten Jahren enorm gesteigert – nachdem die Käseunion abgeschafft wurde. Die Schwierigkeit beim italienischen Käse sind die grossen Unterschiede, die es von Norden nach Süden gibt – alleine auf Grund der geografischen und klimatischen Unterschiede ist ein Vergleich schwierig. Aber ich kann mit Überzeugung sagen, dass es überall sehr guten italienischen Käse gibt, und von dieser Vielfalt weiss man in der Schweiz vielleicht zu wenig.
 

Italien hat der Welt den Mozzarella, aber auch den Parmesan geschenkt. Auf welchen harten oder weichen Käse aus der Heimat ihrer Eltern können Sie nicht verzichten?
Einer meiner Lieblingskäse kommt aus Nordapulien und heisst Caciocavallo Podolico, ein eher fetter Kuhmilchkäse, bei dem man den Wind, der aus Umbrien weht, und das frische Gras, dass die Kühe fressen, förmlich spüren kann. 

Und welcher Käse erinnert Sie immer an zu Hause?
Wir haben zu Hause eine ganze Reihe verschiedene italienische Käse gegessen, mein Vater war ein grosser Pecorino-Fan, feste Ricotta haben wir gern in Scheiben geschnitten und, einfach mit Salz und Pfeffer gewürzt, gegessen. Auch Spaghetti mit Gorgonzola-Sauce gab es regelmässig.

31.10.2022; Zürich: GMC - Ristorante Ornellaia; Antonio Colaianni in seiner Küche im Ristorante Ornellaia. © Valeriano Di Domenico

«Will man eher Eleganz oder Kraft?» Antonio Colaianni in seiner Küche im Ristorante Ornellaia in Zürich.

Peccorino, Ricotta, Parmesan, Mozzarella, Taleggio – die Namen italienischer Käse klingen vertraut. Aber welcher Käse eignet sich wofür?
Ein harter Peccorino ist als Alternative zum Parmesan hervorragend über Pasta, das gibt ihr mehr Würze und Schärfe. Die Frage ist immer, will man eher Eleganz oder Kraft? Taleggio ist als eine Art Raclette perfekt – zu Kartoffeln oder auf knusprigem Brot. Mozzarella habe ich am liebsten kalt zum Tomatensalat oder mit grillierten Auberginen. Beim Parmesan gibt es grosse Unterschiede, ich empfehle auf das DOP-Zeichen zu achten, das garantiert eine gute Qualität. Ich esse ihn gern entweder sehr jung oder sehr alt – am liebsten als Aperitif. Aber auch in einer Gnocchi-Masse als Bindemittel und Geschmacksträger kommt er zum Einsatz. 

Welches typische Schweizer Käse-Gericht liesse sich auch mit Formaggio aus Italien gut zubereiten?
Raclette oder Käseschnitten lassen sich auf italienische Art hervorragend mit Fontina oder Asiago zubereiten. Ein Fondue habe ich noch nicht probiert, aber das wäre sicher möglich. Käserösti mit einem gereiften Fontina stelle ich mir auch sehr fein vor!

31.10.2022; Zürich: GMC - Ristorante Ornellaia; Antonio Colaianni bereitet den „Kürbisrisotto mit Taleggio und getrockneten Tomaten“ zu. © Valeriano Di Domenico

Typisch Italien: Antonio Colaianni kocht Risotto.

31.10.2022; Zürich: GMC - Ristorante Ornellaia; Kürbisrisotto mit Taleggio und getrockneten Tomaten“. © Valeriano Di Domenico

Neues Rezept: Antonio Colaiannis Risotto mit Kürbis und Taleggio-Käse.

Sie haben für den GaultMillau Channel acht Rezepte mit acht verschiedenen Käsesorten aus Italien zubereitet. Wie leicht oder wie schwer ist es Ihnen gefallen, zu jeder Sorte ein passendes Gericht zu finden?
Schwer war es nicht, ich musste bei manchen Sorten natürlich darüber nachdenken, wie sie am besten zur Geltung kommen. Aber den Taleggio zum Beispiel benutze ich sowieso sehr oft, dem Risotto mit Kürbis gibt er Tiefe und gleicht die Süsse des Gemüses gut aus.

Welche Rolle spielt Käse im Ristorante Ornellaia?
Wir benutzen immer wieder Käse – unser Carbonara-Schaum im Amuse Bouche wird immer im Pecorino und Parmesan zubereitet beispielsweise. Es gibt auch immer einen Käseteller mit italienischen Produkten auf dem Menü, der kommt sehr gut an. Käse definiert schon auch das, was man allgemein als «den Geschmack Italiens» bezeichnet.

31.10.2022; Zürich: GMC - Ristorante Ornellaia; Focaccia mit Kartoffeln und Murazzanokäse“. © Valeriano Di Domenico

«Ohne viel Aufwand etwas Gutes»: Focaccia mit Kartoffeln und Murazzano-Käse aus dem Piemont.

Die italienische Küche wird unter anderem wegen Ihrer scheinbaren Einfachheit weltweit geschätzt. Aber Einfachheit ist nicht einfach, wenn man beispielsweise an handgemachte Pasta denkt. Was macht für Sie die Küche Ihrer Eltern anspruchsvoll?
Die so genannte Einfachheit bezieht sich vielleicht eher auf die Art der Produkte, die in Italien so gut sind, dass man ohne viel Aufwand etwas Gutes daraus machen kann. Aber man muss wissen, wie. Ich möchte so kochen, dass man sofort versteht, was auf dem Teller ist, und Freude daran hat. Dabei benötigen kleine Dinge wie etwa die halbgetrockneten Datterini-Tomaten viel Zeit und Arbeit, bis sie perfekt sind. 

Ihre Mutter Maria formt für Ihr Restaurant seit einigen Jahren die Orecchiette. Wie entstand diese Zusammenarbeit?
Meine Mutter hat etwa 1995 erstmals Pasta für mich gemacht. Das Feedback der Gäste war so gut, dass ich sie gefragt habe, ob sie das regelmässig übernehmen würde, was sie dann auch gemacht hat. Ende 2002 sind meine Eltern aber zurück nach Italien gezogen und meine Schwester Rosetta hat den Pasta-Job für einige Zeit übernommen, bis sie selber wieder voll gearbeitet hat und keine Zeit mehr dafür aufbringen konnte. Nach dem Tod unseres Vaters lebt meine Mutter wieder in Laupen BE und fertigt seit einigen Jahren wieder Pasta für mich – weit über 100 Kilogramm im Jahr.

Antonio Colaianni, Ristorante Ornellaia; mit Mama Maria; Orecchiette von Mama Maria mit Stracciatella;

Über 100 Kilogramm handgemachte Pasta pro Jahr: Antonio Colaianni und Mama Maria bei der Orecchiette-Herstellung.

Was hält ihre Mama eigentlich von der Art, wie Sie die italienische Küche interpretieren?
Kürzlich war sie bei mir essen, und ich koche für sie natürlich so, dass sie Freude daran hat. Eine gewisse Einfachheit ist dafür wichtig. Meine Geschwister sind hingegen offener für Experimente.

Pasta von Hand zu formen, ist etwas vom Italienischsten, was man sich vorstellen kann. Oder was ist für Sie «typisch Italien»?
Diese hunderten Varianten von Pasta sind für mich schon auch sehr italienisch. Im «Ornellaia» möchte ich dem Gast Pasta servieren, die er nicht unbedingt zu Hause selber machen kann – wie eben die Orecchiette, für die es eine ruhige Hand und viel Erfahrung braucht. 

 

>> Antonio Colaianni, 53, ist seit 2020 Küchenchef im Ristorante Ornellaia (16 Punkte) in Zürich, das von den Familien Bindella und Frescobaldi betrieben wird.