Fotos: Lucia Hunziker, Digitale Massarbeit

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«Thurtal» & «Traube Tonbach». Kennengelernt habe ich sie, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen: Im alten Gasthof Thurtal in Eschikofen, zwischen Kreuzlingen und Weinfelden. Da hatte Tanja Grandits schon einiges hinter sich: Matura, ein paar Semester Studium der Chemie, eine Kochlehre in der «Traube Tonbach» in Baiersbronn, im erweiterten Umfeld von Guru Harald Wohlfahrt, Jobs in Kalifornien (Aupair!), London (Commis auf dem Fischposten im «Claridge») und in Bagnold-sur-Cèze (Souschef im «Château de Montcaud»). Und vor allem: Tanja hatte noch viel vor sich. Den mutigen Umzug ins «Stucki» nach Basel, den langen, harten Weg nach oben. 2006 zeichnete sie der GaultMillau als «Köchin des Jahres» aus. Das war nett, reichte ihr aber nicht: Tanja wollte ganz an die Spitze. Dort ist sie jetzt angekommen: Koch des Jahres (zum zweiten Mal nach 2014) und 19 Punkte. Das hat in der Schweiz noch keine Frau geschafft.

Team Tanja Grandits at work, 19.09.2019. Foto Lucia Hunziker

Grund zum Feiern: «Koch des Jahres» Tanja Grandits, Christian Juppe.

Kräuter, Aromen, Farben. Und einen Löffel Kaviar. Tanja mag diese Gender-Debatte nicht. Sie will einfach Koch sein, ein möglichst guter. Dafür hat sie ein eigenständiges, nicht kopierbares Konzept gefunden: Kräuter, Aromen und Farben (monochrom!) prägen ihre Küche. Die Menüfolge ist aufregend, ungewöhnlich und dennoch überraschend harmonisch: Da gibt’s ein lässig angerichtetes Kalbstatar mit selbstgemachter (!) Molke unter einer wahren Wildkräuter-Orgie. Eine sanfte Brüggli-Lachsforelle an raffinierter Miso-Mayo. Eine umami-mässige Kombination von Eigelb, Albula-Kartoffelcreme und Bergkäse aus Andeer. Und plötzlich Klassiker, wie wir sie schon beim unvergesslichen Hans Stucki gekriegt haben. Kaviar und Trüffel (Tanja: «Die schönste kulinarische Nebensache der Welt»). Eine butterzarte Kalbshaxe. Ein geduldig abgehangenes Entrecôte aus dem Saanenland. Für die edlen Fleischstücke ist ihr herausragend guter und verlässlicher Chef Marco Böhler zuständig. Aber natürlich darf auch hier eine Prise Tanja nicht fehlen. Kirschessig-Lack am Entrecôte («nur ein Pinselstrich»). Das kommt wirklich nur ihr in den Sinn.

Pulpo Tanja

So elegant kann Pulpo sein: Tanja mag monochrome Gerichte. 

Team Tanja Grandits at work, 19.09.2019. Foto Lucia Hunziker

Pinzetten-Arbeit: Die Chefin richtet präzise und liebevoll an. 

Ein Star. Aber keine Starallüren. Tanja Grandits ist ein Star. Die beste Köchin, die die Schweiz je hatte. Die erste mit internationaler Ausstrahlung. Star-Allüren? Fehlanzeige. Die Chefin ist mit allen Mitarbeitern per Du. In der Küche herrscht keine sakrale Stille, da wird auch mitten im Service gelächelt, gelacht und auch mal gefeiert. Tanja ist nicht auf dem Solotrip. Sie weiss, dass sie das atemberaubend hohe Niveau nur mit einem sehr starken Team halten kann. Also schart sie die Besten um sich: Marco Böhler, die Nummer 2 am Herd. Julien Duvernay, den wohl besten Patissier der Schweiz. Maître Grégory Rohmer, der im Saal für Klasse und Ruhe sorgt. Dazu viele Talente, die sich früher oder später aufmachen, ihren eigenen Weg zu gehen. 29 junge Mitarbeiter stehen auf der Lohnliste. Tanjas «Stucki» ist ein KMU.

 

Das «Lädeli» auf Bruderholz. Die Gäste lernen die Chefin sehr schnell kennen: Wann immer möglich serviert sie das Amuse-bouche am Tisch persönlich. Und regelmässig taucht sie selber im kleinen «Lädeli» auf, das sie in ihrem eleganten Restaurant auf Bruderholz eröffnet hat. Eine Fundgrube für Geniesser (Brot, Gewürze, Juliens Pâtisserie, auf Vorbestellung fangfrischen Meerfisch). Eine Aktion auch gegen allfällige Schwellenangst. Das «Stucki» ist kein Gourmet-Tempel. Das «Stucki» ist Tanjas Revier, zugänglich für jedermann. Auch ein Teil ihrer Rezepte ist zugänglich: Ihr neuestes Werk «Tanjas Kochbuch» ist ein Bestseller.

Emma, Paul & Norma. Wie Tanja Grandits alles unter einen Hut kriegt, bleibt ein Rätsel. Denn immerhin nimmt sie sich auch sehr gezielt Zeit für ihr Privatleben. Ihre Beziehung zu Tochter Emma, 14, ist eng, herzlich, freundschaftlich. Emmas Pferd Paul und Bulldoggen-Dame Norma kriegen ihre täglichen Streicheleinheiten. Die Yoga-Session fällt auch nicht aus. Tanjas Tag beginnt mit einem «Sonnengruss», die «Session» endet mit einem Kopfstand. Dann gibt’s Frühstück: Tanja bereitet es ebenso liebevoll und raffiniert zu wie ihre Menüs später im Restaurant. Emma weiss es zu schätzen.