Verbundenheit über Generationen. Starchef Pierrot Ayer ist eine treue Seele. Will heissen, dass er die Fribourger Weine, sein Fleisch oder das Gemüse für das «Le Pérolles» (16 Punkte) in Fribourg seit vielen Jahren bei den gleichen Produzenten einkauft. «Man muss seine Wurzeln kennen», ist eines seiner Credos. Besonders vertraut ist er mit dem Käser Benoît Kolly, der im nur wenige Kilometer entfernten Le Mouret prächtigen Gruyère und Vacherin Fribourgeois herstellt. Witziges Detail: «Benoîts Mutter ging bei meinem Vater in die Schule!», sagt Ayer. So geht Verbundenheit über die Generationen hinaus – und diese wird wohl auch Bestand haben, wenn Ayer am 1. Februar seine Küche an Nachfolger Victor Moriez übergibt. (Lesen Sie hier.) Grosses Bild oben: Benoît Kolly & Pierrot Ayer (v.l.).
Milch reist maximal fünf Kilometer. Wir treffen Pierrot Ayer folgerichtig um 9 Uhr in besagter Fromagerie. Täglich werden hier bis zu 20'000 Liter regionale Milch verarbeitet. Und die Käseproduktion ist bei Ankunft gerade in vollem Gange: Die Luft ist feucht, in zwei riesigen «Käsekessi» wird die frische, mit Lab angereicherte Milch warm gehalten, die zweimal täglich, 365 Tage pro Jahr, von den nahen Bauernhöfen abgeholt wird: «Gemäss Pflichtenheft für den Gruyère dürfen die Bauern höchstens 20 Kilometer entfernt sein – bei mir sind es maximal fünf Kilometer», sagt der kräftig gebaute Käser Kolly.
Benoît Kolly zeigt den Käsebruch. Für Gruyère ist er vergleichsweise fein.
Wird Vacherin richtig gereift, bekommt er seine charakteristische Rinde.
«1'000 Details sorgen für die Handschrift.» Die Dorfkäserei Le Mouret besteht seit 44 Jahren, es ist ein Familienbetrieb in zweiter Generation, der inzwischen auf 20 Vollzeitstellen (verteilt auf 30 Mitarbeiter) angewachsen ist. Mit der Hand langt Benoît Kolly in eine Kupferwanne und zeigt die weizengrossen Stücke des Käsebruchs, die in frühestens fünf Monaten als kompakte, gereifte Gruyèrelaibe auf den Markt kommen. «Für Vacherin schneiden wir den Teig deutlich gröber, so dass nussgrosse Stücke entstehen.» Es ist nur einer der «1'000 Details, die bei einem Käse für die Handschrift sorgen.» Auch Temperatur, Zeit, Salzzugabe veränderten das Endprodukt, erklärt Kolly. Er jedenfalls erkenne seine eigenen Käse bei einer Degustation blind.
Benoît Kolly zeigt, wie er seinen Käse mehrere Stunden lang in Salzlake badet.
1000 Details sorgen dafür, dass Kollys Gruyère schmeckt, wie er schmeckt.
Auf Pierrot Ayers Käsewagen: fünf Gruyères und Vacherin Fribourgeois von drei Anbietern.
Ammoniak & Magie. Ayer und Kolly schauen kurz auf den früher am Tag produzierten Tomme aus Frischkäse, den der Starchef besonders gerne mag – eine Kindheitserinnerung. Dann laufen die Zwei über den Parkplatz, ein Haus weiter riecht es wesentlich intensiver. Hier kommen die gepressten Käselaibe für bis zu 24 Stunden in eine Salzlake, danach lagern sie bei ungefähr 15 Grad monatelang auf Holzbrettern. «Was man riecht, ist Ammoniak.» Die Halle, in der die Käse bis zur gut sechs Metern hohen Decke gestapelt werden, hat etwas Sakrales. Auch Pierrot Ayer ist jedes Mal beeindruckt von der Atmosphäre, auch wenn er schon einige Male hier war.
Milch kommt in der Käserei Le Mouret aus höchstens fünf Kilometer Entfernung.
Ein Paradies für jeden Käse-Fan: der Käseladen der Fromagerie Le Mouret.
Über 50 Sorten auf dem Käsewagen. Aber was macht ein Starchef mit Käse? Cordon bleu vielleicht? Eine Frage, die eigentlich nur von einem Deutschschweizer kommen kann. «In unserem Gourmetmenü gehört der Käsegang schon immer dazu», sagt Ayer. Und ihm sei auch nicht aufgefallen, dass da die Nachfrage rückläufig sei. Auf seinem Käsewagen – bestückt mit über 50 Sorten – habe es in aller Regel fünf Gruyères in unterschiedlichen Reifegraden und Vacherin Fribourgeois von drei Anbietern. Und: Ayer ist ein grosser Fondue-Fan – da könnten sie jetzt doch im «Le Pérolles»… Koch und Käser können es nicht lassen!
Fondue geht für Benoît Kolly & Pierrot Ayer immer – auch kurz vor dem Mittagsservice.
Moitié-Moitié sollte nicht zu stark erhitzt werden. Gut eine halbe Stunde später stehen Kolly und Ayer in der Küche des «Le Pérolles». Vor sich haben sie ein Caquelon, in dem sie eine Mischung aus je 49 Prozent Vacherin Fribourgeois und Gruyère sowie 2 Prozent Stärke mit etwas Weisswein erhitzen. «Die Mischung darf beim sogenannten Moitié-Moitié keinesfalls 100 Grad erreichen», sagt Kolly. Währenddessen schenkt Ayer je ein Glas Weisswein ein. Knoblauch? Pfeffer? Sucht man hier vergebens. «Es geht ja um den Geschmack des Käses», so Pierrot Ayer. Munter tunken sie Brot um Brot in den Topf. Und Benoît Kolly erzählt von seiner Jugend: «Am Samstag gab es bei uns jede Woche Fondue. Und am Sonntagabend war Raclette an der Reihe.» Meist seien auch Nachbarn oder Bekannte reingeschneit, «es hatte immer genug.» Und würden nicht bald schon die Mittagsgäste im «Le Pérolles» erscheinen – der Starchef und sein Lieblingskäser würden wohl noch eine zweite Portion schmelzen, geniessen – und weiter diskutieren, wo wer denn welche Wurzeln hat.