Heiko Nieder ist GaultMillaus «Koch des Jahres», gehört mit neu 19 Punkten zu den Superstars im Land. Kann Heiko sich überhaupt noch steigern, noch besser kochen?

Besser nicht. Aber vielleicht frecher. Wer ganz oben kocht, darf auch mal was wagen; Perfektion muss nicht immer sein. Aber jetzt mal im Ernst: Jeder 19-Punkte-Star muss jedes Jahr noch besser kochen. Die Zeit steht nicht still. Rezepte schreibt man in den seltensten Fällen für die Ewigkeit.

 

Das werden die Chefs aber nicht gerne lesen.

Doch, doch. Gute Köche sind immer ihre strengsten Kritiker, beobachten genau, was der Markt bringt, die Konkurrenz bietet und die Gäste wünschen. Spitzenköche wollen sich immer steigern. Sie sind heutzutage meist von jungen Souschefs umgeben, die sie ganz schön antreiben.

 

Steht «GaultMillaus next generation» oder muss man sich um die kulinarische Zukunft sorgen?

Erstens: Die heutigen 19-Punktechefs sind in Hochform und im besten Alter. Die geben schon noch einige Jahre Vollgas. Einzig Bernard Ravet ist schon Rentner, aber der ist fit und hat mit seinem Sohn Guy einen sehr begabten Partner am Herd. Zweitens: Die «next generation» steht bereit. Gerade dieses Jahr haben die GaultMillau-Tester sehr viele junge Köche entdeckt, von denen man spürt: Da geht die Reise noch weiter.

 

Nennen Sie Namen.

Die beiden «Entdeckungen des Jahres» beispielsweise. Pascal Steffen hatte einen grossen Anteil am Aufstieg von Nenad Mlinarevic und ist jetzt im «Roots» in Basel selber der Chef. Jeroen Achtien kochte in Holland bei Dreisterne-Chef Jonnie Boer in der Chefetage und zeigte jetzt im Sommer in Vitznau und im Winter in Davos, was er drauf hat. Meine Frau ist allerdings etwas erbleicht, als er ihr getrocknetes Rinderherz über den Saibling raspelte.

 

Sie sind auf dem Jugendtrip. Sie suchen und finden mit dem GaultMillau-Channel und mit der Liste «GaultMillau POP» ein neues Publikum.

Wir sind stolz drauf. Die Gastronomie bewegt sich, also haben sich die Gastronomieführer gefälligst auch zu bewegen. Auf www.gaultmillau.ch sind wir täglich bei unserem Publikum, mit Videos, Rezepten, Stories, tollen Bildern. Wir haben mit Pascal Grob Zürichs besten Blogger und Restaurantscout im Team. Wir zählen auf professionelle Unterstützung: Die besten Köche im Land, angeführt von Andreas Caminada, unterstützen uns. Auch beim Aufbau von «GaultMillau POP». Hier stellen wir Restaurants, Bars und Beizen vor, die zwar keine Punkte haben, aber ein überzeugendes Konzept, gute Qualität und Leidenschaft. Kein anderes GaultMillau-Land hat ein so umfassendes Angebot. Selbst der berühmte und von mir auch geschätzte Guide Michelin lässt sich online herzlich wenig einfallen.

 

Der GaultMillau 2019 liegt auf. Welche Stadt räumt ab?

Zürich! Die Stadt hat jetzt endlich die Gastronomieszene, die ihrem Selbstverständnis entspricht. Zürich hat dank Heiko Nieder erstmals nach Horst Petermann einen 19-Punktechef. Junge Köche wie Fabian Fuchs, Stefan Heilemann, Sebastian Rösch, Giuseppe D’Errico oder Markus Stöckle haben die besten Jahre noch vor sich. In der urbanen Lifestyle-Szene geht es nicht nur um «fun», sondern auch um Qualität. «Züri isst»-Blogger Pascal Grob hat alle 14 Tage eine tolle Empfehlung auf Lager.

 

Neue Namen tauchen auf. Andere tauchen ab.

Leider. Im Jura verabschiedet sich Ende Jahr der grossartige Chef Georges Wenger; er hat aber mit Crissier-Vize Jérémy Desbraux seine Nachfolge erstklassig geregelt. In Gstaad spricht Robert Speth von Rücktritt, aber ich glaube ihm kein Wort; der Robert kocht viel zu gerne. Hans-Peter Hussong vom «Wiesengrund» in Uetikon am See ist GaultMillaus «Aussteiger des Jahres». Er war 18-Punktechef, Talentförderer und Ravioli-King. Zum Abschied hat er mir ein Kilo Schmorbraten-Ravioli geschenkt. Zum Niederknien gut!