Text: David Schnapp

Musterbeispiel «Gül». Die Zeit nach dem Lockdown ist für die Gastronomin und Köchin Elif Oskan hochintensiv. «Es gibt viel zu tun, gewohnte Abläufe funktionieren nicht mehr, weil zum Beispiel das Gästeaufkommen kaum kalkulierbar ist», sagt die sympathische Zürcherin mit türkischen Wurzeln. Ihr Restaurant «Gül» im Zürcher Langstrassenquartier ist ein Musterbeispiel für moderne Gastronomie: Eine Chefin mit Erfahrung in der internationalen Spitzengastronomie (3-Sterne-Star Heston Blumenthal) widmet sich mit höchstem Qualitätsbewusstsein einer letztlich einfachen Küche. Das «Gül» ist seit dem Start 2019 ein Erfolg, aber trotzdem gibt es für Elif Oskan offene Fragen. «Für mich geht es vor allem darum, was eigentlich türkische oder anatolische Küche ist. Sind das traditionelle Rezepte und Zutaten oder ist es schon türkisch, wenn ich es zubereite?», so Oskan.

Wie beim Familienessen. Eine Antwort darauf findet man auf der neuen Karte: Es ist vermutlich beides. Zum einen macht Elif Oskan aus ihren eigenen Erinnerungen und Vorstellungen etwas Neues. Beispielsweise bei der «Kräuterbombe»: In ein Sauerampferblatt wird eine Emulsion aus Schnittknoblauch, Dill, Petersilie, Zitronenverveine, Salicorn, Kerbel, Schnittlauch und Sesam gewickelt. Das «Sarma» (Wickel) erinnere sie an Familienessen, wo man ein Salatblatt oder einen Petersilienstängel zwischendurch als leichten grünen Snack gegessen habe, sagt die Köchin. Aus ihrer Lehrzeit in der «Sonne» in Küsnacht kommt die Idee für «Schinkengipfeli», die sie jetzt mit der charakteristischen Sucuk-Wurst zubereitet – auch dies kein traditionelles Gericht, aber dennoch eine türkische Idee. Klassisch, und nicht wegzudenken von der «Gül»-Karte, sind die «zufälligerweise veganen» Çig Köfte, «die Seele der anatolischen Küche», wie Elif Oskan sie nennt. Die Köfte werden in ihrem Restaurant exakt nach dem Rezept der Mutter zubereitet: Roher Bulgur wird mit gerösteten Tomaten aus dem Holzofen, frischen Kräutern, Isot-Chili, Granatapfelsaft, Pfeffer oder Salca (Paprikapüree) zwei Stunden geknetet, bis der Bulgur weich ist. «Wichtig ist dabei, in welcher Reihenfolge man die Zutaten hinzugibt», erklärt Oskan.

 

Das meint der GaultMillau. Um die schwankenden Gästezahlen auffangen zu können, ist das Restaurant mittags noch bis vermutlich im August mittags geschlossen. Abends gibt es im «Gül» zurzeit von Montag bis Mittwoch ein Seating, von Donnerstag bis Samstag hingegen zwei Seatings. «Das kommt bei den Gästen gut an», sagt Elif Oskan. Langsam, aber sicher gewöhnen sich die Zürcher auch gastronomisch an Weltstadtverhältnisse. In New York oder London gehört einem der Tisch oft nur für eine bestimmte Zeit und nicht für den ganzen Abend. Am Essvergnügen ändert sich dadurch gar nichts. «Wie in der Türkei (und auch dem Zeitgeist entsprechend) kommen die Gerichte zum Teilen in die Tischmitte. Und wir stellen schnell fest: Eins schmeckt besser als das andere!», hält der GaultMillau-Tester nach seinem letzten Besuch fest.

Gül

14 Punkte

Tellstrasse 22

8004 Zürich

www.guel.ch

 

>> Lesen Sie hier: Noch mehr aktuelle Empfehlungen des GaultMillau-Teams.