Re-Start im Landgasthof. Zum Re-Start eine sichere Bank: Nachtessen bei Ruth und Franz Wiget im wunderschönen Landgasthof «Adelboden» in Steinen SZ. Beim Sonnenuntergang auf der Terrasse strahlten alle: Die Gäste. Die flinken Servicemitarbeiterinnen. Und der Chef: «Fünfeinhalb Monate ohne Kochen – das war hart», sagt Franz Wiget, «höchste Zeit, dass es wieder losgeht.» Wie legt ein Routinier los? Vorzugsweise mit Gerichten, die «sitzen». Experimente müssen nicht sein zum Start. Vom genialen Dessert mal abgesehen.

Die Egli von Fräulein Speck. Fräulein Speck ist die Kult-Fischerin vom Zugersee, seit Jahrzehnten schon. Und Franz Wiget einer ihrer treuesten Kunden. Ihre Paradedisziplin? Fangfrische, kleine, zarte Egli, von Hand filetiert! Der Chef verpackt sie in einen dünnen Teig und serviert sie mit einem erfrischend kühlen Erbsensüppli. Egli, Tartelette von Pfälzer Rüebli, Ochsenmaulrolle mit Schnittlauch – der Abend beginnt gut hoch über dem Schwyzer Talkessel.

Franz Wiget Testbericht Juni 2021

Wiget-Klassiker: Coq au vin «Grand Luxe».

Franz Wiget Testbericht Juni 2021

Wiget-Klassiker: Steinbutt, Chorizo, Saubohnen.

Gänseleber-Süppli & Château Chalon-Sauce. Franz Wiget gehört zu den Gänseleber-Königen im Land. Wir kriegen eine grosszügige, elegante Tranche, mit Rhabarber und schwarzem Pfeffer. Und dazu ein kraftvolles und dennoch geschmeidiges Gänseleber-Süppchen. Der Klassiker des Hauses. Aber Wiedersehen macht Freude. Lieferant Bianchi flutet das Land gerade mit Zander aus dem Lago Maggiore. Wiget serviert den Fisch erstklassig. Mit Spargeln aus dem Badischen und an einer begeisternden Château-Chalon-Sauce. Wiget: «Wir haben im Lockdown den Keller ausgeräumt. Dabei habe ich ein paar Flaschen von altem Chardonnay gefunden. Mit leichter Sherry-Note. Das gab der Sauce einen prima Kick.» Finden wir auch.

Alpsbrinz, Jahrgang 2016. Franz Wiget ist einer der besten Botschafter für den Urschweizer Hartkäse Sbrinz. Käser seines Vertrauens: Res Gut, Alp Chieneren, 1500 Meter über Meer. Der Jahrgangs-Sbrinz (2016) ist der grösste «Mocken» auf dem sehr stattlichen Käsewagen und hat wenn immer möglich einen Auftritt im Menü. Diesmal veredelte er die feinen Gnocchi; ausgelöste Erbsli und Eierschwämmchen gab’s dazu. Comfort Food! Die Formulierung auf der Karte ist so etwas wie eine kulinarische Liebeserklärung: «Ausgesuchte Alp- und Rohmilchkäse von überallher, von eigensinnigen, querstehenden und professionellen Individualisten von unseren saftigen Sommeralpen und Bergen.»

Franz Wiget Testbericht Juni 2021

Endlich wieder offen: Der «Adelboden». Gemütliches Stübli, schöne Terrasse.

Das Gitzi von der Charetalp. Corona brachte vieles durcheinander. Auch den Gitzi-Fahrplan. Als die zarten Tierchen nach Ostern eigentlich Hochsaison hatten, mussten die Restaurants geschlossen bleiben. Wir kriegten trotzdem noch eine konfierte Gitzi-Schulter – weil ein Bock der Muotathaler Familie Betschart auf der Charetalp seinen Pflichten mit etwas Verspätung nachkam. Wiget steht früh auf, wenn er Gitzi aufs Menü schreibt: Schulter und Brust werden schon mal 16 Stunden pochiert, auf dass sie abends so butterzart und mit einer Powersauce auf den Tisch kommen. «Gummelistunggis» gibt es dazu, der Signature-Kartoffelstock des Hauses. Auf besonderen Wunsch gab’s als Zwischengang eine besondere Delikatesse: Gitzi-Läberli, mit Bärlauch.

Ein Dessert aus dem «Labor Wiget». Was macht ein Spitzenkoch im Shutdown? Franz Wiget, pröbelte, verfeinerte seine Gerichte, von den Amuse-bouches bis zu den Nachspeisen. Letzter Hit aus dem «Labor Wiget»: Ein Dessert von unglaublicher Leichtigkeit, mit Bergmilch, Caramel und Nüssen. Wird umgehend aufgenommen ins Repertoire.

PS. Keine Corona-Sperrstunde mehr. Also reichte die Zeit noch für eine Mitternachts-Zigarre auf der Terrasse. Das Leben kehrt zurück. 

 

>> Adelboden
Adelboden 3
6422 Steinen

www.wiget-adelboden.ch