Die «Sommelière des Jahres» ass Erde. Charline Pichon aus dem «Hôtel de Ville» in Crissier ist eine zierliche, überaus freundliche Erscheinung. Ihre Autorität gründet auf enormem Wissen (sie kennt alle 40'000 Flaschen im Keller) und einer aussergewöhnlichen sensorischen Begabung. Sogar Stammgäste, die bereits im legendären Restaurant verkehrten, als die junge Französin noch gar nicht geboren war, sind tief beeindruckt von ihr und vertrauen ihren Empfehlungen blind. Charlines Liebe zu ihrem Beruf geht so weit, dass sie bei einem Besuch auf einem Weingut schon einmal Erde ass. «Es war verrückt, aber die Erde ist nun einmal der Ursprung jedes Weins», sagt sie über das Abenteuer. Bild oben: Evelyn Igl, Charline Pichon, Steffi Mittler, Moni Huber, Kira Ghidoni (v.l.). 

Sie schiesst scharf. In ihrer Freizeit geht Charline ebenso zielsicher zu Werk wie bei der Auswahl von Weinen im Restaurant: Sie ist begeisterte Tontaubenschützin. «Als mein Grossvater starb, schenkte mir mein Onkel sein Gewehr. Mit diesem schiesse ich jetzt. Allerdings nur auf Tontauben. Auf der Jagd ein Tier zu töten, würde ich nicht über mich bringen, obwohl ich sehr gern Fleisch esse», erklärt die «Sommelière des Jahres». Und wann hat Charline zum ersten Mal in ihrem Leben Wein getrunken? «Damals war ich wohl 14 oder 15 Jahre alt. Ich half aber schon vorher meinen Grosseltern bei der Weinlese und der Verarbeitung der Trauben.» Obwohl sie aus der Nähe Bordeaux stammt und natürlich mit den dortigen Weinen aufwuchs, schwärmt Charline heute für Schweizer Wein. Ganz besonders für Pinot noir aus den deutschsprachigen Landesteilen. «Sehr präzise, sehr frisch.» Ganz wie sie selbst.

GMC - Koch des Jahres 2026

Grosse Leistung, grosse Flasche: Jasmine Schmid von Swiss Wine überreicht Charline Pichon eine Doppelmagnum Pinot noir als Geschenk.

Die perfektionistische Moni und der Hexenbesen. Moni Huber aus dem «Schlössli» in Bottighofen TG, die wie Valentin Sträuli («Igniv», Andermatt) und Sascha Spring («Seepark», Thun) den Titel «Entdeckung des Jahres in der Deutschschweiz» trägt, ist eine Perfektionistin. Als sie noch bei Christian Kuchler im «Schäfli» in Wigoltingen TG arbeitete, half ihr ein Koch dabei, Tortellini für ein Six-Hands-Dinner zu falten. Diese waren der frisch gebackenen 14-Punkte-Köchin aber nicht schön genug, also produzierte sie noch einmal die gleiche Menge und servierte die aussortierte Pasta am nächsten Tag als Personalessen. «Sie sagte nur, mit Wurstfingern könne man halt keine schöne Pasta falten», erinnert sich Kuchler. Im Gegenzug musste sich Moni auch einige Spässe gefallen lassen. Unter anderem stellten ihr die «Schäfli»-Köche vor den Ferien jeweils einen Besen in den Kühlraum. Daran ein Zettel mit den Worten «Guten Flug und schöne Ferien!». Und wenn Moni aus den Ferien zu Hause in Südtirol zurückkam, taten alle so, als verstünden sie sie wegen ihres Dialekts nicht mehr. Dreieinhalb Jahre arbeitete sie bei Kuchler, ehe dieser sie nach der Übernahme des «Schlössli» zur Chefin machte. «Die dreieinhalb Jahre haben sich angefühlt wie zehn», scherzt Moni, um sofort nachzuschieben: «Es war eine fantastische Zeit. Die Menschen in Wigoltingen sind für mich zur zweiten Familie geworden.»

GMC - Koch des Jahres 2026

In doppelter Begleitung: Moni Huber mit ihrem Freund Philipp Keliny (l.), der im «Widder» kocht, und 18-Punkte-Chef Christian Kuchler («Schäfli», Wigoltingen).

Die «Gastgeberin des Jahres» will lieber Masskrüge tragen als austrinken. Evelyn Igl trifft man meist im Doppelpack an. An der Seite ihrer «Dolder Grand»-Kollegin und besten Freundin Katharina Sarrot (GaultMillaus «Jungsommelière des Jahres 2024»). «Unser Küchenchef Heiko Nieder, Katharina und ich bilden ein unschlagbares Team. So macht die Arbeit einfach Freude!», sagt die stets gut gelaunte Power-Frau aus Bayern. Diese Freude überträgt sie seit acht Jahren auf die «Dolder»-Gäste. Inzwischen ist sie im Swiss-Deluxe-Hotel hoch über der Stadt Zürich für vier Lokale zuständig. In ihrer Freizeit besucht Evelyn gern Fussballspiele, in ihrer ursprünglichen Heimat beim FC Bayern und in ihrer Wahlheimat beim FC Zürich. «Ich stelle mich aber nicht in die Kurve, sondern geniesse lieber den Komfort eines Sitzplatzes», sagt sie und lacht. Können ihr Niederlagen der beiden Clubs die Laune verderben? «Nein, nein», winkt sie ab. «So verbissen sehe ich das nicht.» Andere Hobbys brauche sie nicht, betont Evelyn. «Mein Beruf ist mein Hobby, es gibt nichts, das ich lieber mache.» Der traditionelle Besuch beim Münchner Oktoberfest musste in diesem Jahr wegen zu vieler Termine ausfallen. «Zum ersten mal seit zehn Jahren.» Dafür gehe sie bestimmt auf die Zürcher «Wiesn». Bier werde sie dort aber nicht trinken. «Wein und Champagner sind mir lieber. Ich könnte wohl acht Masskrüge tragen, aber kaum einen einzigen austrinken», so die «Gastgeberin des Jahres».

Koch des Jahres 2026: Koch des Jahres Event 2026

Team «Dolder Grand»: Evelyn Igl (Zweite von links) wird von Sommelière Katharina Sarrot (l.) und Küchenchef Heiko Nieder mit Ehefrau Daniela flankiert.

Die «Patissière des Jahres» und das Wurstsalat-Verbot. Steffi Mittler ist eine ganz besondere Gewinnerin der «Patissier des Jahres»-Tafel. Sie kümmert sich nämlich im «Mammertsberg» in Freidorf TG längst nicht nur ums Süsse, sondern ist zudem Stellvertreterin von Küchenchef Silvio Germann. GaultMillaus «Koch des Jahres 2024» schwärmt in den höchsten Tönen von seiner «Allzweckwaffe»: «Sie ist sich für nichts zu schade, poliert sogar Gläser und hilft bei der Reinigung der Zimmer mit.» Nur einmal war Silvio mit Steffi gar nicht zufrieden. «Sie bereitete im Sommer einen Wurstsalat fürs Personal zu, vergass aber, die Haut von den Cervelats abzuziehen. Seither hat Steffi Wurstsalat-Verbot.»

GMC - Koch des Jahres 2026

Mit viel PS angereist: Steffi Mittler fuhr in einer Mercedes-G-Klasse aus dem Thurgau nach Le Noirmont.

Cross Fit um 5.30 Uhr. Die Absolventin von Sara und Andreas Caminadas Fundaziun Uccelin ist mittlerweile schon über drei Jahre im «Mammertsberg» – und deshalb müsste ihr Silvio Germann eigentlich ein Fenster in die Wand der Produktionsküche fräsen lassen. «Das war so abgemacht, aber Silvio hat stattdessen nur zwei Poster hingehängt. Zuerst eines mit einem Foto von den Malediven, dann eines, das meinen bevorzugten Ferienort St. Peter Ording in Norddeutschland zeigt», erzählt Steffi. Ihr Vorschlag zur Güte: «Jede Jahreszeit ein neues St. Peter-Poster.» Wenn es sein müsste, würde Steffi Mittler wohl rund um die Uhr für den «Mammertsberg» arbeiten – nur ein Termin ist heilig. «Jeden Donnerstag um 5.30 Uhr möchte ich ins Cross Fit gehen.»

Koch des Jahres 2026:

Riesengrosse Freude: Kira Ghidoni mit GaultMillau-Chef Urs Heller (l.) und Moderator Sven Epiney.

Kira schwärmt von Girardet und Neuseeland. Kira Ghidoni, GaultMillaus «Entdeckung des Jahres im Tessin», ist in ihrem Leben schon viel herumgekommen. Auch in Australien oder Neuseeland («ein kulinarisches Wunderland») stand die Chefin der «Osteria Bisnona» in Contone schon am Herd. Ihr grösster Antrieb: die Begeisterung für die Natur um sie herum. «Es gibt für mich nichts Schöneres, als die Region und die Jahreszeit auf dem Teller abzubilden», sagt sie. Im Frühling zieht es sie täglich in die Natur, wo sie allerlei Kräuter sammelt. «Meret Bissegger, die grosse Tessiner Wildpflanzenexpertin und Naturköchin, ist meine Mentorin. Sie hat mir sehr viel Wissen vermittelt», so Kira, die hier gleichwohl ihr geliebtes Kawakawa (ein neuseeländisches Kraut, das pfefferig schmeckt) vermisst. Das Idol der weit gereisten Kochkünstlerin heisst aber Frédy Girardet. «Als ich 2004 meine Lehre begann, kaufte ich mir ein Buch von ihm. Ich habe die Seiten regelrecht aufgefressen, so begeistert war ich von den Rezepten», erzählt sie. «Monsieur Girardet war immer eine unglaubliche Inspiration für mich. Entsprechend aufgeregt war ich, als er 2010 im Hotel La Prairie in Yverdon zu Gast war und Tatar ass, das ich zubereitet hatte. Er kam sogar in die Küche, doch ich war zu schüchtern, um mich länger mit ihm zu unterhalten.» 

Fotos: Thomas Buchwalder, Adrian Bretscher