Text: David Schnapp | Fotos: David Biedert

Wochenende der Stars. Es war das Wochenende der Weltklasse aus verschiedenen Disziplinen in Zürich: Elton John im Hallenstadion, Coldplay im Letzigrund und Popstars der Küche im «The Dolder Grand». Die achte Ausgabe der Gourmetwoche «The Epicure» im Zürcher Swiss Deluxe Hotel endete mit dem grossangelegten Finale, für das dieses Jahr in einen noch edleren Auftritt investiert wurde: Massgefertigte Küchen mit Edelstahlabdeckungen und ergonomischer Arbeitshöhe von Orea standen für jeden der zehn Gastköche aus drei Kontinenten zur Verfügung. Grosses Bild oben: die Gastköche des Finals mit den Verantwortlichen von «The Dolder Grand».

Tatar Foie Gras Patrick Mahler

Ein Klassiker aus Vitznau: Patrick Mahlers Tatar mit Foie Gras und Cassis.

Patrick Mahler

«Noch nie so etwas gesehen»: 18-Punkte-Chef Mahler.

Patrick Mahlers Tränen. «So etwas habe ich noch nie gesehen», fasste 18-Punkte-Chef Patrick Mahler (Park Hotel Vitznau) die ersten Eindrücke zusammen. «Als mich Heiko angerufen hat, um mich einzuladen, stand ich vor Freude den Tränen nahe», so der sympathische Aargauer. An diesem Finale mit all diesen Weltklasse-Köchen dabei sein zu können, sei für ihn eine Riesenehre. Mahler zeigte allerdings auch, dass er mühelos ganz vorne mithalten kann: Sein Rindertatar mit Cassis und Entenleber-Eis stellte sich als eines der besten Gerichte des Tages heraus.

Heiko Nieder Franck Giovannini

Gespräche an der Nespresso-Theke: Heiko Nieder und Franck Giovannini.

Auf einen Kaffee mit Heiko und Franck. Dieses zu ermitteln war gar nicht einfach, was letztlich einfach für die hohe Durchschnittsqualität spricht, welche bei «The Epicure» geboten wird. Die Gourmetwoche ist so etwas wie Heiko Nieders Meisterstück, wo der Culinary Director des Hauses seine vielfältigen Fähigkeiten – als Koch, Organisator und Gastgeber – ideal bündeln kann. Vor dem Ansturm der Gäste nahm sich Nieder Zeit für einen Kaffee am Nespresso-Stand. Zusammen mit seinem 19-Punkte-Kollegen und Gastkoch Franck Giovannini («Hôtel de Ville», Crissier) tranken die beiden Chefs die Nespresso-Kreation des jeweils anderen. «Dazu hatte ich noch nie Gelegenheit», so Nieder. Und Giovannini erklärte, wie der ideale Kaffee für ihn schmecken sollte: «Er muss kräftig sein und nach Kaffeebohnen riechen, darf aber nicht bitter sein. Das war nicht einfach für Nespresso, aber sie haben es geschafft», sagte der Romand mit der traditionellen Toque (Kochhut).

Steinbutt Zucchini Kräuter

Wie in Crissier: gedämpfter Steinbutt mit Zucchini und Kräutern von Franck Giovannini.

Reh Sellerie

Ein Tag lang am Hobel: Rehrücken mit Sellerie-Buchweizen-Rolle und schwarzem Trüffel (Heiko Nieder).

Hohes Niveau. Kurz danach ging es für die beiden Starchefs an den Kochstationen los: Heiko Nieder servierte Reh mit einer geschmackvollen Sellerie-Buchweizenrolle und hobelte mit der Microplane von der ersten bis zur letzten Minute des Anlasses höchstselbst schwarzen Trüffel aus Australien über seine ebenso aromatische wie feinsinnige Komposition. Franck Giovannini, ein paar Meter daneben, hatte ein Gericht mitgebracht, welches mit denselben Komponenten, «nur etwas anders präsentiert» auch in seinem Restaurant serviert wird und entsprechend gut schmeckte: Gedämpfter Steinbutt mit Zucchini und einer samtenen Kräutersauce – beides Teller auf hohem Niveau der Kochkunst.

Tohru Nakamura

Der nette Gast aus München: Tohru Nakamura.

Toro Tohru Nakamura

Toro von Tohru: Thunfischbauch mit Reis und Shio-Koji-Beurre-blanc.

Stunden am Grill. Den lautesten Umami-Knall gab es hingegen bei Tohru Nakamura («Tohru in der Schreiberei», München). Der Koch des Jahres 2020 in Deutschland mit zwei Michelin-Sternen und 19 Punkten kombinierte roh marinierten Thunfischbauch mit Koshihikari - sowie leicht verbranntem Reis (Okoge), gerösteten Kombu-Algen und einer Beurre blanc mit Shio Koji. Die grössten Anstrengungen für ein Gericht betrieb auf der anderen Seite des Raumes wohl Drei-Sterne-Koch Sung Anh vom «Mosu» in Seoul, welcher stundenlang draussen auf dem Smoker geschmorte Stücke von Beef Short Rib grillierte, die er mit fermentiertem Gemüse und einer geheimnisvollen, süss-würzigen Sauce aus Birne und etwas Kimchi-Saft servierte. «Ich habe es mir mit dem Grill nicht einfach gemacht», fand der freundliche Mann aus Südkorea mit einem Lachen. Während das Gericht geschmacklich überzeugte, war der Gargrad des Rippenstücks nicht ideal: es fehlte etwas an Geduld beim Schmoren. 

Sung Anh am Grill

Stunden am Smoker: Sung Anh vom Drei-Sterne-Restaurant Mosu in Seoul.

Wartezeiten beim Shootingstar. Die längste Schlange des Tages bildete sich vor der Kochstation des britischen Shootingstars Jeremy Chan («Ikoyi», London). Der frühere Student der Elite-Universität Princeton und spätere Banker ist Autodidakt, sein erst 2017 eröffnetes Lokal hat bereits zwei Sterne und befindet sich in der Liste der 50 besten Restaurants der Welt auf Rang 35. Die Schlange bildete sich vor allem, weil Chan jede Portion seines Toasts mit leicht gegarten Carabinero-Stücken und rohem Wagyu Beef an einer Shrimps-Emulsion mit Yuzu-Kosho und Kaviar à la Minute sorgfältig anrichtete und eine exakt abgewogene Menge Gazpacho in ein separat serviertes Glas eingoss. Wegen der etwas zu prominente Schärfe in der kalten dickflüssigen Tomatensuppe kommt die Kombination allerdings nicht in die Auswahl der Tageshits.

Jeremy Chan

Viel Zeit zum Anrichten: Shooting-Star Jeremy Chan (l.) aus London.

Garnelen Wagyu

Mit viel scharf: Toast mit Wagyu und Carabinero, dazu Gazpacho (Jeremy Chan).

Und der Höhepunkt des Tages? In einer nicht-repräsentativen Blitzumfrage wurden Heiko Nieder, Franck Giovannini, Tohru Nakamura und Patrick Mahler genannt. Für Party-Gast und GaultMillau-Video-Star Noah Bachofen war das beste Gericht aber ganz zu Schluss beim «World’s best Pastry Chef» zu finden: René Frank, der in Berlin das weltweit einzige mit zwei Sternen bewertete Dessert-Restaurant betreibt, servierte nach syrischem Vorbild konfierte Aubergine mit Pecannuss-Eis und einem Gelee, welches aus dem reduzierten Kochsud des Gemüses sowie einem Apfel-Cidre-Essig gemacht wird: nicht zu süss, leicht salzig und malzig. «Geschmacklich eine totale Überraschung», fand Bachofen – selber Koch, der vor seiner steilen Tik-Tok-Karriere als Sous-Chef im Gemüserestaurant Magdalena in Rickenbach SZ gearbeitet hat. 

Aubergine Rene Frank

Dessert-Highlight: konfierte Aubergine mit Pekannuss, Apfel-Balsamico und Lakritz-Salz.

René Frank

Konzentration auf das Wesentliche: René Frank beim Anrichten.

Alle happy. Heiko Nieders Fazit am Ende dieses Finaltages und nach einer langen, intensiven Woche, in der sich Höhepunkte und Überraschungen in hoher Intensität abgewechselt haben: «Jeder Gast, mit dem ich spreche, ist happy, dann bin ich auch happy.»