Text: Geny Hess | Fotos: Sedrik Nemeth
«EIN GLÜCKSFALL FÜRS WALLIS.» Raphael Maye von der Domaine Simone Maye & Fils in St.-Pierre-de-Clages VS gehört zu den talentiertesten jungen Winzern der Schweiz. Seine Weine geniessen national wie international hohes Ansehen und sind heiss begehrt. Ein Erfolg, den er dem Pioniergeist seines Grossvater Simon verdankt. Raphael führt das Erbe souverän weiter und lebt auch seine Leidenschaft für die Kulinarik. Kein Wunder, bewundert der Winzer das zielstrebige Kochtalent Gilles Varone von der ersten Stunde an: «Es ist unglaublich, was Gilles auf den Teller zaubert. Zum Glück ist er zurück im Wallis!» Grosses Bild oben: Raphael Maye & Gilles Varone (v.l.) mit Zander und Lamm.
Erst die Arbeit, dann der Lunch: Raphael Maye (l.) und Gilles Varone sammeln Kräuter.
DAS SCHICKSAL SPIELTE MIT. 2018 zog Gilles Varone für eine Saison nach London. Aus dem geplanten Sprachaufenthalt wurde ein Karrierestart. Er avancierte zum Sous-Chef im Zwei-Sterne-Restaurant Bibendum by Claude Bosi in London. «Glücklicherweise plagte ihn das Heimweh», lächelt Raphael. Zurück in Savièse bot sich die Gelegenheit, eine eigene Gourmet-Oase zu gestalten. Im April 2024 eröffnen er und seine Frau Letizia das «Gilles Varone». Einrichtung und Konzept haben die beiden eigenständig geplant und finanziert! «Wir hatten Gespräche mit Investoren, aber Gilles wollte frei und unabhängig bleiben», sagt Letizia sichtlich stolz. Die ehemalige Wirtschaftsprüferin ist das finanzielle Gewissen des Hauses, leitet heute mit viel Charme ein junges Team, obwohl sie einst scherzte: «Ich werde nie im Leben deine Teller durch ein Restaurant tragen». Der Einsatz zahlte sich aus: Die innovativen Kreationen sind den Testern 17 GaultMillau-Punkte und einen Michelin-Stern wert. Wer hier essen will, sollte frühzeitig reservieren. Die Tische sind meist bereits drei Monate im Voraus ausgebucht.
Sommelière Lise Donier-Meroz: Die junge Französin ist schon ein Profi bei der Weinselektion.
JEDEN DIENSTAG IST PFLÜCKTAG. «Ich suche die besten regionalen Produkte, daraus entstehen meine Gerichte», sagt Gilles voller Begeisterung. Regionalität ist sein Credo: «Bei Kräutern sind wir nahezu autark, vieles wächst im Garten, den Rest sammeln wir in der Walliser Natur», ergänzt Küchenchef Andrea Granzarolo. Jeden Dienstag zieht Gilles mit seinem Team raus in die Natur, um Kräuter, Blüten, Tannenknospen und Pilze zu sammeln. Raphael Maye bewundert diese Passion: «Wir teilen dieselben Werte. Präzision und Feingefühl sind beim Kochen wie beim Wein unerlässlich». Chef Gilles gibt die Komplimente zurück: «Raphaels Weine gehören zu den allerbesten im Wallis.»
Fish-Dry-Aging: Eine Woche lang lässt Gilles Varone den Walliser Zander sorgfältig reifen.
REgionale Produkte von BESTEr QUALITÄT. Ortstermin in Savièse. Raphael Maye besucht Gilles Varone in seinem Restaurant. Die beiden Freunde kochen gemeinsam, ohne Kompromisse. Zuerst präsentiert Raphael einen Alpkäse, veredelt mit Feinhefe seines 2023 Petite Arvine. «Den Spargel hast du perfekt geschält», witzelt Gilles, der die Stangen bei Raphaël Bianco in Ardon bezieht. Maye flämmt auch das Alpenheu für die Hollandaise. Der Walliser Zander wurde eine Woche sorgfältig reifegelagert und landet saftig gegart auf dem Teller. Gilles bestellt pro Woche bis zu acht Lämmer aus Evionnaz und verarbeitet sie komplett: Das Filet im Crépinette-Mantel wird behutsam von Raphael gebraten; ein langsam geschmortes Gigot und zarte Lamm-Milken gibt’s dazu.
Was trinken dazu? Weisser Spargel aus Ardon mit Alpenheu-Hollandaise.
Die Französin Lise hat den Kellerschlüssel. Sommelière Lise Donier-Meroz pflegt den Weinkeller mit viel Geschick und fairen Preisen. «Lise ist der Profi für unsere Weinselektion und top im Gästekontakt», schwärmt ihr Chef. Die 27-jährige Französin setzt auf Schweizer Spitzenweine: Walliser, Genfersee- und Drei-Seen-Region-Raritäten zieren die Karte. Und die Bündner Herrschaft hat es ihr besonders angetan: «Bündner Weine haben eine ähnliche Identität wie wir im Wallis, eigenständig, finessenreich, voller Emotionen.» Sie ergänzt die Karte mit Weinen aus alpinen Regionen. Heute öffnet sie Flaschen aus dem Keller Simon Maye & Fils. «Ich bin mit Raphael in einer gemeinsamen Degustationsrunde. Seine grenzenlose Weinpassion und sein Streben nach höchster Qualität beweisen, dass er sich nur an den Besten misst», schwärmt Lise. Sie schenkt ein: Chasselas, Petite Arvine, Humagne Rouge, dazu Syrah Vieilles Vignes 2016 aus der Magnum und eine perfekt gereifte Flasche 1995er. «Ganz grosses Syrah-Kino!», urteilt Lise und vergleicht den 2016er mit einem Top-Cornas von der französischen Rhône. Raphael freut sich, lächelt zustimmend und prostet Gilles mit einem Glas Syrah zu.