Text: Urs Heller Fotos: Thomas Buchwalder, HO

«In der Kürze liegt die Würze». Corona-Modus auch im «Carlton». Aber das merkt nur der Buchhalter. Der begabte Chef Philipp Heering zaubert auch mit reduzierter Brigade tadellose Gerichte auf den Tisch, Restaurantleiterin Flavia Jung rennt für zwei – und ist bester Laune: «Die Stimmung im Restaurant ist hervorragend. Die Gäste sind richtig happy darüber, dass wir trotz allem geöffnet haben und bestellen freudig auch mal einen exklusiveren Wein.» Dass das Angebot knapp ist, stört angesichts der Qualität keinen: «In der Kürze liegt die Würze», lautet die Ansage auf der Speisekarte.

 

«Affetati misti» von den Mastri Salumieri. Unser Tipp: Vorspeise aus dem Basisprogramm der bis im September geschlossenen «Bottega di Mario» im gleichen Haus: Handgemachter, lange gereifter, gut gewürzter und dünn aufgeschnittener Salami aus der Edel-Linie von Rapelli, Prosciutto Crudo, gereift auf der Alp Piora auf 2000 Metern. «Aperoplättli» heisst das Angebot ganz cool, und Tessiner Alpkäse ist auch noch drauf. Chef Philipp mag den Salami ebenfalls: Er kombiniert ihn mit Wagyu und Forellencrème zu einem ziemlich frechen Amuse-bouche.

Carlton, Zurich © HO

Das «Carlton» an der Bahnhofstrasse mit Klassikern auf der Speisekarte und über 1000 Positionen auf der Weinkarte.

Ceviche vom Loup de mer. Alternativen zu Salami & Co.? Eine klassische Gazpacho Andaluz mit Croûtons oder die etwas verwegene und wohl auch zu süssliche Variation davon: Erdbeer-Gazpacho. Sehr beliebt: Erbsencrèmesuppe mit Nordseekrabben. Hausgemachte Ravioli (Kalb oder Käse). Und vor allem das tolle Ceviche! Loup de mer wird glücklicherweise nicht allzu dünn aufgeschnitten, Fenchel und Melonenkügeli gibt es dazu. Und eine kleine Überraschung: Mole aus Chili und schwarzer Schokolade!

 

Das Sechs-Stunden-Secreto. Ein paar Hauptgänge gibt es im «Carlton» immer: Die feine Seezunge «Müllerin Art» (prima Qualität, Kräuter, konfierte Kartoffeln), Mistkratzerli, Zürcher Geschnetzeltes (mit oder ohne Nierli), Wienerschnitzel. Vollgas geht auch: Das «Secreto» vom iberischen Schwein, sechs Stunden lang bei 56 Grad im Ofen, war hervorragend. Die Beilagen auch: Morcheln, Schalotten, ein toller Jus. Wunderbar der badische Spargel, den Caspar Ruetz in Süddeutschland direkt vom Feld holt und über Nacht anliefert. Der Chef legt sie in einen süss-sauren Sud ein, gibt den kostbaren Stangen so noch den ultimativen Dreh.

 

Der GaultMillau meint. Das «Carlton» bei der Zürcher Bahnhofstrasse ist eine feine Adresse und auch bei reduzierter Karte einen Besuch wert. Auch wegen der Weinkarte: Patron Markus Segmüller ist ein Profi und hat immer einen Geheimtipp zu einem tollen Preis auf Lager. Diesmal entkorkt er einen Auxey Duresses: «Diesen Chablis kennt kein Mensch. Liegt aber gleich neben Montrachet und hat Klasse.» Können wir bestätigen.

 

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Carlton
14 Punkte
Bahnhofstrasse 41
8000 Zürich
www.carlton.ch