Text: David Schnapp Fotos: Digitale Massarbeit, Olivia Pulver, Thomas Buchwalder, Adrian Ehrbar

Wertvoll und begehrt. In Indien wird seit Jahrtausenden Pfeffer angebaut und die Körner der Kletterpflanze Piper Nigrum sind seit der Zeit von Alexander dem Grossen eines der wertvollsten und begehrtesten Gewürze der Welt. Die feine Schärfe des Pfeffers, der durch die Alkaloid-ähnlichen Piperidinen im Pfeffer erzeugt wird, sorgt in Kombination mit den ebenfalls enthaltenen ätherischen Ölen für ein komplexes Aroma. Je nach Anbau, Sorte und Aufbereitung variiert das Geschmacksspektrum stark.

 

Weckruf für den Gaumen. In der modernen Spitzenküche wird Pfeffer deshalb gezielt vom Amuse-bouche bis zum Dessert eingesetzt. Fabian Spiquel, der innovative Schweiz-Australier im Zürcher «Maison Manesse» (15 Punkte), beginnt seine Menüs gerne mit einer Szechuan-Blüte. Sie erinnert vom Namen her zwar an den berühmten Pfeffer aus China oder Japan, ist aber eine Art Kresse. Ihr Aroma ist pfeffrig und zitronig, und sie löst im Mund einen leicht betäubenden Effekt aus. Der pfeffrige Start ins Menü ist wie ein Weckruf für den Gaumen.

Reto Lampart 2019

Asiatisch inspiriert: Langoustine von Reto Lampart.

Reto Lampart 2019

Vorliebe für Kampot-Pfeffer: Reto Lampart.

Vollgas bis zum Schluss. Reto Lampart kocht zurzeit seine letzten Menüs im «Lampart’s» in Hägendorf (17 Punkte), das er zusammen mit seiner Frau Anni über zwanzig Jahre als hochwertige Gourmetadresse im Mittelland etabliert hat. Ende Jahr ist Schluss, «danach ist der Plan, keinen Plan zu haben», sagt der 51-Jährige entspannt. Weil es jetzt vor allem darum gehe «bis zum Schluss Vollgas» zu geben, sei für das Schmieden von Zukunftsplänen bisher keine Zeit gewesen. «Danach kommt es schon gut», so Lampart.

 

Wo der Pfeffer wächst. Vielleicht werden die Lamparts nächstes Jahr Reisen unternehmen, möglicherweise auch dahin, wo der Pfeffer wächst. Reto Lamparts Lieblingspfeffer kommt aus dem Süden Kambodschas und trägt eine geschützte Herkunftsbezeichnung wie Champagner oder Gruyère-Käse. Die schweizerischen-kambodschanischen Initiative Goût de Terroir baut in Kampot nachhaltig Pfeffer an. Mit einem Investment von 150 Franken kann jeder eine neue Pfefferpflanze kaufen und Teil des Projekts werden. Neben der sorgfältigen Produktion ist Reto Lampart vor allem vom Geschmack des roten und schwarzen Kampot begeistert: «Den roten Pfeffer setze ich überall dort ein, wo man gezielt diese fruchtige, blumige und leicht scharfe Note haben will: Indem ich ihn zum Beispiel frisch über einen Steinbutt oder eine Langoustine mahle», erklärt der Koch. Der schwarze Kampot eigne sich hingegen eher für Schmorgerichte und Jus.

Randen Gnocchi Tanja Grandits

Gut gewürzt: Ziegenquark-Gnocchi mit geschmorten Randen und rotem Langpfeffer von Tanja Grandits.

Tanjas Lieblingspfeffer. Tanja Grandits hat sich in ihrem Buch «Gewürze» (AT-Verlag) intensiv mit Pfeffer und anderen Würzmitteln befasst. Ihr derzeitiger Liebling ist der rote Langpfeffer aus Indonesien: «Er hat neben dem richtigen Pfefferaroma auch ganz viele Geschmäcker darum herum», sagt sie. Die etwa einen Zentimeter langen Fruchtstände können in Schmorgerichten mitgekocht oder mit einer Microplane-Feile fein über das fertige Gericht gemahlen werden, erklärt «Koch des Jahres 2020». In ihrem Gericht aus Gnocchi mit hausgemachtem Ziegenquark und Randen spielt roter Langpfeffer eine wichtige Rolle. Das Gewürz wird mit der Rande im Ofen mitgeschmort und gibt der Sauce später die entscheidende Richtung. «Gewürze wie Pfeffer muss man in einem Gericht wahrnehmen, sonst ist es langweilig», findet Grandits.

 

Scharfer Tee. Während der Langpfeffer oder grüner Szechuanpfeffer in der Küche von Grandits’ Restaurant Stucki immer wieder eingesetzt wird, kommt das kleine Glas schwarzer Kampotpfeffer, das sie kürzlich geschenkt bekommen hat, nur an ihrem Privatherd zum Einsatz: «Aus viel Ingwer, frischem Kurkuma und dem gemörsertem schwarzen Kampotpfeffer mache ich mir einen scharfen Tee, der wärmt und im Winter meine Gesundheitsversicherung ist», erklärt die erfolgreiche Köchin.

Pâtissier Kay Baumgardt zeigt uns seine neuesten Dessert-Kreationen. - Restaurant Fernsicht Heiden - Freitag, 7.6.2019 - Copyright Olivia Pulver

Kay Baumgardt würzt seine Desserts gerne mit Pfeffer.

Pina Colada Kay Baumgardt

Pina Colada mit rotem Kampot von Kay Baumgardt.

Gepfefferte Pralinen. Dass auch Dessert gut gewürzt sein dürfen, ist die Überzeugung von kreativen «Zuckerbäckern» wie Kay Baumgardt von der «Fernsicht» in Heiden. Der amtierende Patissier des Jahres fällt immer wieder mit nicht alltäglichen Kombinationen auf, seine Desserts enthalten keinen weissen Zucker, dafür Gemüse, Gewürze und Kräuter. «Pfeffer passt richtig gut ins Dessert, aber man muss die richtige Sorte finden», sagt Baumgardt. Der 37-Jährige arbeitet gerne mit wildem Andaliman-Pfeffer von Ingo Holland. Der nicht kultivierbare Pfeffer ist sehr selten und mit einem Preis von etwa einem Franken pro Gramm entsprechend teuer. «Der intensive Zitrusgeschmack dieses Pfeffers ist perfekt zu Schokolade, deshalb verwende ich ihn gerne für Pralinen», erklärt der innovative Patissier.

 

Desserts mit mehr Tiefe. In seinen Desserts arbeitet Baumgardt oft mit Suden, die wie ein Jus vor dem Gast angegossen werden. Für seinen «Pina Colada 2019» etwa hat er Ananassaft mit Purple Curry und rotem Kampotpfeffer ziehen lassen und zum Schluss mit etwas Korianderöl abgeschmeckt. «Der Pfeffer gibt dem Dessert mehr Tiefe. Man merkt ihn vielleicht nicht sofort, nimmt dann aber hinten am Gaumen noch ein leichtes Prickeln und eine spezielle Note wahr», sagt Baumgardt.