Fotos: Pascal Grob

Simon Apothéloz, das Olympia ist jetzt zwei Jahre alt. Kochen Sie heute anders als am Anfang?

Im Grundsatz nicht. Die Linie war schon vor der Eröffnung ziemlich klar. Wir wollten von Anfang an ein Quartierrestaurant sein: zugängliche Gerichte, solides Handwerk, keine Überfrachtung. Vier, fünf Komponenten pro Teller – manchmal sogar weniger. Bei den Hauptgängen ist es teilweise wirklich nur Fleisch und Sauce. Natürlich gab es zwischendurch Phasen, in denen wir etwas weiter gegangen sind. Gerichte, die feiner waren, komplexer, fast schon wieder Richtung Fine Dining. Das macht uns in der Küche Spass. Aber wir setzen uns regelmässig hin und fragen uns: Ist das noch ein «Olympia»-Gericht? Passt das zu dem Ort? Diese Rückfragen helfen sehr, die Linie nicht zu verlieren.

Sie haben zuvor in der «Eisblume» auf 17-Punkte-Niveau gekocht. Warum der Schritt in ein bewusst einfacheres Restaurant?

Es war eine Kombination aus Menschen und Ort. Die Möglichkeit, mit Rahel Jost und Marco Belz gemeinsam etwas Eigenes aufzubauen, mitten im Quartier, hat mich sehr gereizt. Dazu kommt eine gewisse Freiheit: Spontan auf ein Angebot vom Bauer zu reagieren. Mehr Produkte aus der Region einzubauen. Und Dinge auszuprobieren, ohne dass sie sofort in ein Menü passen müssen. Das Handwerk aus der «Eisblume»-Zeit ist ja nicht weg. Die Art zu denken, Mise en Place, Abläufe – das steckt alles auch im «Olympia» noch drin. Aber ich drücke es heute einfacher aus. Und ich merke auch als Gast: Mich interessiert zugängliche Küche mehr als extrem technische Teller. Ich will etwas essen, das mich berührt, nicht nur beeindruckt. Daher wäre ich auch wirklich gerne Stammgast im «Olympia» (lacht).

Sie waren vor dem «Olympia» mehrere Jahre weg von der Gastronomie. Wie schwierig war der Wiedereinstieg?

Ich habe ehrlich gesagt länger gebraucht, als ich erwartet hatte. Kochen ist wie ein Muskel. Ich war vier Jahre draussen, und das merkt man. Das erste Jahr im «Olympia» war hart: Mittagsmenüs kochen, die Karte oft wechseln. Ich habe seit der Lehre nicht mehr so viel gekocht wie jetzt. Das war wichtig, um wieder Konstanz zu finden – im Abschmecken, im Timing, im Handwerk. Gleichzeitig habe ich gelernt, wie entscheidend eine gute Struktur ist. Heute haben wir klarere Abläufe, feste Tage für Produktionen und Zuständigkeiten. Das macht den Alltag ruhiger. Und mit Rahel, Marco sowie Felix Anneler habe ich ein starkes Trio an meiner Seite, das mir extrem viel abnimmt. Ich kann mich wirklich aufs Kochen konzentrieren. Das ist ein Luxus.

Womit hatten Sie dieses Jahr am meisten zu kämpfen?

Mit der Balance. Gastronomie, Familie, Kind – und ein Körper, der nicht mehr alles kommentarlos mitmacht. Ich mache viel Sport, aber man merkt die Jahre. Ich habe früher viel Fussball und Basketball gespielt, meinen Körper stark belastet. Dazu kommt die mentale Belastung: Wie lange kann das so weitergehen? Was gäbe es sonst noch? Zwischen «Eisblume» und «Olympia» habe ich mir diese Frage oft gestellt. Aber am Ende habe ich gemerkt: Schlussendlich gehört mein Herz doch dem Kochen.

Wie nehmen Sie die Entwicklung der Berner Gastronomie wahr?

Bern wird ständig mit Zürich verglichen. Und klar: Zürich ist schneller, lauter, dichter. Aber ich finde, Bern entwickelt sich langsamer, dafür nachhaltiger. Konzepte sind vorsichtiger gedacht, sie haben einen klaren Kern und bleiben dann auch bestehen. Das Publikum ist anders. In Bern funktioniert weniger über Hype, mehr über Substanz. Wenn ein Ort läuft, dann, weil er wirklich gebraucht wird. Im Moment passiert wieder einiges Spannendes – das finde ich sehr positiv.

Olympia Bern

Im «Olympia» kocht Simon Apothéloz nun so, wie er selbst gerne auswärts isst: technisch auf hohem Niveau, aber trotzdem zugänglich.

Olympia Bern

Typisch «Olympia»: Die Forelle aus Rubigen BE kommt à la meunière, der Gemüseteller mit rund einem Dutzend individuell grillierten Gemüsesorten.

Wie fällt Ihre Bilanz für 2025 aus?

Sehr positiv. Wir haben Strukturen aufgebaut, Abläufe verbessert. Mittags und abends sind wir oft voll. Das ist ein grosses Geschenk. Natürlich bleibt dadurch weniger Zeit für kreative Nebenprojekte. Aber für ein junges Restaurant ist es wichtiger, dass der Kern stabil ist.

Haben Sie ein persönliches «Gericht des Jahres»?

Im Moment wäre das unsere Tarte au vin cuit. Die hatten wir schon in der «Eisblume» auf der Karte. Sie war damals gut – heute ist sie aber besser. Wir haben kleine Kniffe eingebaut, die sie handwerklich noch präziser machen. Das ist für mich eine sehr schöne Erkenntnis: Man wird älter, aber auch stilsicherer. Exakter. Ruhiger. Diese Entwicklung zu sehen, macht Freude. Und darauf bin ich stolz: etwas Einfaches heute wirklich perfekt servieren zu können. Auf der salzigen Seite wäre es unser Pilzschaschlik. Ein Spiessli – man kennt es. Aber genau das passt zum «Olympia». Gut abgeschmeckt, sauber grilliert, serviert auf hausgemachtem Fladenbrot. Die Bio-Pilze haben eine Textur, die fast spannender ist als Fleisch.

Wo haben Sie dieses Jahr besonders gut gegessen?

Der Risotto all'aragosta mit Bottarga und Tristan-Hummer im «Hellys» war grandios. Perfekter Garpunkt, sehr tiefgründig im Geschmack. Das ganze Menü war extrem stimmig. Auch die Gerichte im «Moment» haben mir sehr gut gefallen. Küchenchef Ruben Sägesser schafft es, die Saison auf wunderbare Art auf den Teller zu bringen.

Und zu wem möchten Sie nächstes Jahr essen gehen?

Das «Lido 84» am Gardasee steht schon lange auf meiner Liste. Allgemein interessiert mich Italien gerade sehr. Diese Klarheit, diese Präzision, ohne laut zu sein. Ansonsten finde ich die New Yorker Szene spannend. Ein Restaurant, das mich dort besonders interessiert, heisst «Estela». Zugängliche Küche, viel Handwerk im Hintergrund – ein Stil, der mir sehr gefällt. Auch das Kochbuch gehört zu meinen absoluten Favoriten.

 

>> Simon Apothéloz (43) ist Küchenchef und Mitinhaber des Restaurants Olympia in Bern, das er gemeinsam mit Rahel Jost und Marco Belz führt. Der Berner Koch wurde 2017 als «Aufsteiger des Jahres» ausgezeichnet und erkochte sich mit seiner damaligen «Eisblume» in den Worber Gewächshäusern 17 Punkte. Im «Olympia» verfolgt Apothéloz heute eine ruhige, zugängliche Küche, die wie ein Bistro denkt, handwerklich aber auf Spitzenniveau arbeitet. GaultMillau und American Express kürten das «Olympia» dieses Jahr zum «POP des Jahres».