Villa Orselina

Wir checken immer gern in der «Villa» ein, denn wir wissen: Hoch über Locarno und dem Lago Maggiore kocht einer, der die italienische Küche aus dem Effeff beherrscht und sie auch nicht um jeden Preis neu erfinden will.
Riccardo Scamarcio holt sich den ersten Applaus auf der grossen Terrasse bereits mit seinen Antipasti ab: Rindstatar mit Cantabrico-Sardellen. Balfegó-Tuna mit Kalamansi und Miso-Mayo. Entenleber mit einer kleinen Tarte Tatin! Swiss-Alpine-Lachs aus dem nahen Lostallo, wunderschön angerichtet mit Joghurt, Radieschen und gepuffter Quinoa. Das Beste kommt noch: Riccardo ist ein Grossmeister der gehobenen Risotto-Küche! Der Carnaroli ist wunderschön all’onda gekocht, aber das spürt man erst, wenn man eine feine Schicht durchstochen hat: Ein Carpaccio vom Gambero rosso aus Mazara del Vallo liegt drüber, vom Reis sanft erwärmt. Und woher kriegt der Risotto seine unverschämte Sommerfrische? Pompelmo-Würfel, Grapefruit also, werden daruntergerührt. Un grande piatto! Ebenfalls überdurchschnittlich gut: die hausgemachten Cavatelli mit Entenragout. Die Gragnano-Spaghetti mit Petersilienbutter, Amalfi-Zitrone und Kaviar. Die klassische Variante: Spaghetti alle vongole.
Hauptgänge? Den Zander aus dem See gibt’s mit Erbsencreme und sautierten Pilzen, den Tintenfisch ziemlich frech mit Chorizo. Insider-Information: Chef Riccardo und seine Kumpel machen in der Winterpause auf Hobby-Metzger, stellen 100 Kilo (!) der rustikalen Wurst selber her und lassen sie in der verwaisten «Villa» abhängen. Den Lammrücken kriegen wir geräuchert («in Jack Daniel») und mit neckisch angerichteten Meeresspargeln. Der neue italienische Patissier deponiert eine feine erste Visitenkarte: Semifreddo von der Amalfi-Zitrone mit Limoncello. Instagramfreundlich und ausgewogen im Geschmack.
Die «Villa Orselina» hat tatsächlich den Charme einer luxuriösen Villa: klein, fein, privilegiert gelegen, liebevoll gepflegt. Die Gastgeber mögen wir auch: Daniel Schälli ist der omnipräsente Direktor. Andrea Pannozzo wacht engagiert über Service und Keller, hat ein gutes Händchen bei seinen Wein-Empfehlungen: «Pio della Rocca» 2017, ein Vino biologico, der bereits in jungen Jahren viel Power entwickelt. Michele Conceprio ist der Önologe; er hat jahrelang mit Cabernet-Sauvignon-König Adriano Kaufmann zusammengearbeitet.