The View
Der alte Chef ist weg, aber die Punkte bleiben: Der junge Italiener Diego Della Schiava ist jetzt im Boutiquehotel mit der Traumsicht über Lugano der Boss und macht das mit Leidenschaft und Klasse.
Wer bei Maestro Gualtiero Marchesi und Sterneköchen wie Niko Romito, Andrea Berton oder Emanuele Scarello in die Schule ging, will es wissen. Diego, vorher Vize bei Mauro Grandi, gibt auf seinem ersten Küchenchefposten ganz schön Gas. Mit handverlesenen Produkten, mit guten Ideen, mit Fleiss. Und mit einer Prise Humor. Die Oliven, serviert als Amuse-bouche, waren natürlich keine: Hühnerleber, wunderschön verpackt. Noch besser bei den Starters war nur ein hübscher Maccheroncino, mit Carbonara-Ingredienzen gefüllt.
Hammergericht gleich zum Start: Scampo morbido! Chef Diego richtet den Luxuskrebs aus Südafrika (Kaliber 3/6!) auf einem Sellerie-Aspik an, lässt eine Bloody Mary, also eine erfrischende Tomatenessenz, dazugiessen. Sieht unverschämt gut aus und schmeckt auch so. Dank der sanften Garmethode kommt der tolle Eigengeschmack des Scampo voll zur Geltung. Auch der Tintenfisch kommt nicht einfach direkt vom Feuer: Diego gart ihn zweieinhalb Stunden lang bei 87 Grad, überprüft regelmässig die Konsistenz, bis das Ergebnis überragend ist. Dazu das Lieblingsgemüse vieler Spitzenköche: Randen, als Raviolini und als knusprige Chips.
Was kocht Diego Della Schiava eigentlich am liebsten? «Ich bin Italiener. Also Risotto und Pasta!» Das ist eine Ansage und natürlich bestellen wir beides. Den Risotto Carnaroli «Riserva San Massimo» gibt es mit Eierschwämmli und schwarzem Trüffel. Und das dunkle Pulver am Rand des tiefen Tellers? «Steinpilze, die ersten der Saison. Zum Risotto auf den Löffel schieben. Sorgt für Umami», empfiehlt der Chef. Für die Tortelli musste die Brigade Überstunden machen: Ein veritabler Kalbsschwanz kam erst in die Küche und dann dank chirurgischem Grosseinsatz auch in die Füllung. Der Teig dazu wunderschön geformt, eher etwas dick, die Sauce («Fonduta di Grana Padano») wunderbar und eleganter als vermutet. Etwas Knackiges fehlte natürlich nicht: Rohschinkenchips.
Drei Optionen im Hauptgang: Piemonteser Fassone-Rind vom Grill. Wachteln, gefüllt mit Tessiner Wurst (Luganighetta). Oder Maialino! Wir hatten Schwein und zwar den Rücken vom Ibérico, elegant zum präzisen Rechteck geschnitten, knusprig und saftig zugleich. Mit überzeugenden Beilagen: Lauch, nussige braune Butter, geräuchertes Kartoffelpüree mit einer sanften Prise Meerrettich drin.
Und was kriegt man zum Schluss in einem Restaurant, das zum Scampo eine Bloody Mary eingiesst? Einen «Bellini in piatto» mit Amaretto und einem Louis-Roederer-Rosé, zum feinen Sorbet gefroren! Mario Miranda ist Diego Della Schiavas Partner auf der Traumterrasse, Maître und Sommelier zugleich. Mit Scouting-Talent: Der (Bio-)Merlot «Piaz» der Gebrüder Martino und Gabriele Bianchi aus Arogno war eine Entdeckung. Pricing: fünf aufwendige Gänge mit (Tessiner) Weinbegleitung, serviert an einem magischen Ort für 250 Franken. Fair enough!