Säge

Mit dem Service unterhält man sich besser auf Französisch – der schüchterne Chef lässt immer noch seinen Elsässer Dialekt durchscheinen und wer zum Fenster hinausblickt, sieht in 100 Meter Distanz die Grenze zu Frankreich. Wen wundert’s, wenn in der «Säge» im solothurnischen Flüh die klassisch französische Küche im Zentrum steht. Patrick Zimmermann hat sich an diversen Orten («Bruderholz», Basel; «Viva», Oberwil; «Auberge de l’Onde», Saint-Saphorin) über die Jahre eine treue Stammkundschaft erarbeitet, die ihm auch im kleinen Dorfgasthof im Leimental die Treue hält. Und hängen lässt der Chef sein Publikum nie. Mit eiserner Disziplin, mit unnachahmlichem Gespür für Aromen und mit Liebe zu perfekten Saucen begeistert er immer wieder. Natürlich wünscht man sich ab und zu, der Meister würde mal über die Stränge schlagen und den superklassischen Weg verlassen. Aber irgendwie würde das nicht zum sympathischen Traditionalisten passen.
So oder so: Wer Grandioses wie weisse Spargeln an einer Grenobloise-Sauce mit Kapern, Zitronenzeste und brauner Butter auf den Tisch zaubert, oder wer einen Saint-Pierre mit einer Liebstöckelsauce begleitet, die man am liebsten vom Teller schlecken möchte, der macht alles richtig. Auch bei den Amuse-bouches übrigens: eine Crevette im Kohlrabi-Raviolo mit frischem Gurkenrelish, ein Thunfisch-Plätzchen an Safranschaum und ein Tatar, das man im Grossformat auch als Hauptgang akzeptieren würde. Dann hat ein Hummerschwanz genau die richtige Konsistenz und harmoniert wunderbar mit Erbsen, Radieschen und einer Limetten-Beurre-blanc; ein Hauch zerriebener Sardellen sorgt für den speziellen Kick. Nur Lob verdient auch der Hauptgang: Zum zarten Filet vom Maibock mit Himbeerkruste gibt’s Pfifferlinge und eine unglaubliche Sauce poivrade – die profane deutsche Bezeichnung «Pfeffersauce» würde ihr kaum gerecht.
Auch die Variation intensiver Gariguette-Erdbeeren (frisch, konfiert, als Mousse und als Coulis), eingelegter Rhabarberstängel und feiner Vanilleglace ist selbstverständlich klassisch – und grossartig gemacht. Nur an einem müsste man in der «Säge» noch arbeiten: In einem Gasthof auf dem Land wäre Offenausschank von guten Weinen eigentlich eine Pflicht. Und die Weinkarte sollte auch nicht fast ausschliesslich von Weinen mit Preisen im dreistelligen Bereich bestückt sein.