Restaurant de l’Hôtel de Ville
Tatort Crissier. Vierundzwanzig Köche, darunter nur wenige Frauen, arbeiten in der modernen Küche stumm mit Messer und Pinzette und so konzentriert, als wären sie am Operationstisch und nicht einfach «nur» am Herd. Sie tragen wie im letzten Jahrhundert Torchon und eine steife Toque. Sie quittieren die Anweisungen des Chefs mit einem lauten «Oui». Acht Gäste pro Service kriegen das ganze Spektakel live mit. Sie sitzen am «Chef’s Table». Der ist wie das Lokal das ganze Jahr auf Monate hinaus ausgebucht. Fels in der Brandung: Franck Giovannini, der sehr konsequente und trotzdem äusserst zuvorkommende Chef, der den Erfolg hat, den er verdient, und für Konzessionen nicht zu haben ist: «Bei uns isst der Gast, worauf er Lust hat. Er kann wählen zwischen zwei Menüs oder aus dem A-la-carte-Angebot. Das schaffen wir, denn wir sind ein grosses, starkes Team.» Sagt’s und wirft immer wieder einen Blick auf die Hublot-Uhr am Pass. In Crissier müssen die einzelnen Gänge nicht nur perfekt raus ins Restaurant, sondern auch in zackigem Tempo: Serviert wird im beeindruckenden 20-Minuten-Takt.
Franck Giovannini hat in jeder Jahreszeit seine Favoriten. Im Sommer etwa die Moules de bouchot. Natürlich kriegt man die in Crissier nicht einfach «marinière» im grossen Topf wie in der Hafenkneipe. Die Muscheln werden sorgfältig und geduldig gereinigt, der schwarze Bart mit der Pinzette entfernt und die Moules in verschiedenen Varianten zubereitet: geeist, mit einem sanften, überhaupt nicht aggressiven Balti-Curry und mit Zucchini aus Noville VD. Oder als «Turban»: Die Muscheln werden mit höchstem Pinzetteneinsatz zu einem Kreis zusammengeführt; eine Chasselas-Sauce mit Kräutern gibt es dazu. «Wir verarbeiten im August und September Berge von Moules. Fünfzehn Köche sind jeden Morgen zur Reinigung abkommandiert. Einer allein würde durchdrehen», lacht Franck Giovannini.
Der Patron nutzt jede Gelegenheit, regionale Produkte in seine Menüs einzubauen. Selbst die berühmten Filets de perches regen seine Fantasie an, auch wenn sie in der Menge beschränkt sind. Die Lösung: Eglirillettes! Kultfischer Serge Guidoux aus Ouchy ist der Hoflieferant. Giovannini pimpt die «perches» mit einer fantastischen, erfrischend kühlen Dézaley-Sauce auf, eine grosszügige Ladung Kaviar kommt auch noch drauf. Für die Saucen werden hier Spitzenweine entkorkt, für die Egli etwa der berühmte «Médinette» von Louis Bovard. Sind die Winzer nicht sauer, dass ihre Weine in die Sauce statt ins Glas gegossen werden? Giovannini ganz cool: «Im Gegenteil. Sie sind stolz.» Willkommene Lieferanten in Crissier sind auch die Pilzsammler der Region: Sie liefern Steinpilze und Eierschwämmli ab und kriegen für ihre mühsame Arbeit einen fairen Preis. Der Gast kriegt wunderbare Pilzgänge: ein Pilzpastetchen («croque-monsieur») mit Amigne-Sauce. Oder eine hauchdünne Crêpe mit Speck aus dem Jura und einer umwerfenden Pinot-gris-Emulsion.
Bei aller Liebe zu regionalen Produkten: Früher oder später is(s)t man in Crissier immer am Meer. Drei Hammergerichte: die kleinen Medaillons vom bretonischen Hummer zum Start. Der wunderbare «dos de barbue» mittendrin. «Es muss nicht immer Turbot sein», sagt Giovannini und serviert einen Glattbutt. Er wird vor dem Gast von der Gräte gelöst, mit Gurken und vor allem mit einer kraftvollen Tomatenreduktion serviert. Beim knusprigen «rouget de roche» ist der Chef ziemlich mutig unterwegs: Oliven, konfierte Auberginen und vor allem Senfkörner (!) setzen überraschende Akzente. Herausragend gut die Langustine von der französischen Küste: Ein Öl aus der Karkasse wird dazugegossen und ersetzt die klassische Sauce. Bohnen aus Vinzel VD entdecken wir auch im Teller; sie sind bei den Gästen äusserst beliebt und haben auch bei den Vorspeisen einen luxuriösen Auftritt: vegetarische Bohnen-Ravioli, Bohnenkrautsauce, Oscietra-Kaviar. Und im Hauptgang eine Ente? Fehlanzeige! In Frankreich grassierte monatelang die Vogelgrippe, Bresse-Geflügel war nicht zu haben. Ersatzlösungen: eine Tranche Rind aus Waadtländer Zucht mit Thymian und vor allem mit feinen Artischocken (Sauce barigoule!). Oder ein Sisteron-Lamm mit einer ungewöhnlich leichten und ungewöhnlich guten Sauce: Pesto und Basilikum.
Im «Hôtel de Ville» sind nur Profis am Werk. Zwei von ihnen möchten wir besonders erwähnen: Nicolas Flandin ist ein hervorragender Patissier, der nicht auf dem Selbstverwirklichungstrip ist, sondern die Vorgaben des Patrons sehr gut umsetzt: Aprikosen (mit einem Schuss Eau-de-vie) und weisse Pfirsiche regen seine Fantasie im Sommer besonders an. Camille Cariglio ist einer der besten Sommeliers des Landes. In Crissier wird gebaut: Franck und Camille entführen ihre Gäste demnächst in einen neuen, spektakulären Weinkeller.
Tatort Crissier. Vierundzwanzig Köche, darunter nur wenige Frauen, arbeiten in der modernen Küche stumm mit Messer und Pinzette und so konzentriert, als wären sie am Operationstisch und nicht einfach «nur» am Herd. Sie tragen wie im letzten Jahrhundert Torchon und eine steife Toque. Sie quittieren die Anweisungen des Chefs mit einem lauten «Oui». Acht Gäste pro Service kriegen das ganze Spektakel live mit. Sie sitzen am «Chef’s Table». Der ist wie das Lokal das ganze Jahr auf Monate hinaus ausgebucht. Fels in der Brandung: Franck Giovannini, der sehr konsequente und trotzdem äusserst zuvorkommende Chef, der den Erfolg hat, den er verdient, und für Konzessionen nicht zu haben ist: «Bei uns isst der Gast, worauf er Lust hat. Er kann wählen zwischen zwei Menüs oder aus dem A-la-carte-Angebot. Das schaffen wir, denn wir sind ein grosses, starkes Team.» Sagt’s und wirft immer wieder einen Blick auf die Hublot-Uhr am Pass. In Crissier müssen die einzelnen Gänge nicht nur perfekt raus ins Restaurant, sondern auch in zackigem Tempo: Serviert wird im beeindruckenden 20-Minuten-Takt.
Franck Giovannini hat in jeder Jahreszeit seine Favoriten. Im Sommer etwa die Moules de bouchot. Natürlich kriegt man die in Crissier nicht einfach «marinière» im grossen Topf wie in der Hafenkneipe. Die Muscheln werden sorgfältig und geduldig gereinigt, der schwarze Bart mit der Pinzette entfernt und die Moules in verschiedenen Varianten zubereitet: geeist, mit einem sanften, überhaupt nicht aggressiven Balti-Curry und mit Zucchini aus Noville VD. Oder als «Turban»: Die Muscheln werden mit höchstem Pinzetteneinsatz zu einem Kreis zusammengeführt; eine Chasselas-Sauce mit Kräutern gibt es dazu. «Wir verarbeiten im August und September Berge von Moules. Fünfzehn Köche sind jeden Morgen zur Reinigung abkommandiert. Einer allein würde durchdrehen», lacht Franck Giovannini.
Der Patron nutzt jede Gelegenheit, regionale Produkte in seine Menüs einzubauen. Selbst die berühmten Filets de perches regen seine Fantasie an, auch wenn sie in der Menge beschränkt sind. Die Lösung: Eglirillettes! Kultfischer Serge Guidoux aus Ouchy ist der Hoflieferant. Giovannini pimpt die «perches» mit einer fantastischen, erfrischend kühlen Dézaley-Sauce auf, eine grosszügige Ladung Kaviar kommt auch noch drauf. Für die Saucen werden hier Spitzenweine entkorkt, für die Egli etwa der berühmte «Médinette» von Louis Bovard. Sind die Winzer nicht sauer, dass ihre Weine in die Sauce statt ins Glas gegossen werden? Giovannini ganz cool: «Im Gegenteil. Sie sind stolz.» Willkommene Lieferanten in Crissier sind auch die Pilzsammler der Region: Sie liefern Steinpilze und Eierschwämmli ab und kriegen für ihre mühsame Arbeit einen fairen Preis. Der Gast kriegt wunderbare Pilzgänge: ein Pilzpastetchen («croque-monsieur») mit Amigne-Sauce. Oder eine hauchdünne Crêpe mit Speck aus dem Jura und einer umwerfenden Pinot-gris-Emulsion.
Bei aller Liebe zu regionalen Produkten: Früher oder später is(s)t man in Crissier immer am Meer. Drei Hammergerichte: die kleinen Medaillons vom bretonischen Hummer zum Start. Der wunderbare «dos de barbue» mittendrin. «Es muss nicht immer Turbot sein», sagt Giovannini und serviert einen Glattbutt. Er wird vor dem Gast von der Gräte gelöst, mit Gurken und vor allem mit einer kraftvollen Tomatenreduktion serviert. Beim knusprigen «rouget de roche» ist der Chef ziemlich mutig unterwegs: Oliven, konfierte Auberginen und vor allem Senfkörner (!) setzen überraschende Akzente. Herausragend gut die Langustine von der französischen Küste: Ein Öl aus der Karkasse wird dazugegossen und ersetzt die klassische Sauce. Bohnen aus Vinzel VD entdecken wir auch im Teller; sie sind bei den Gästen äusserst beliebt und haben auch bei den Vorspeisen einen luxuriösen Auftritt: vegetarische Bohnen-Ravioli, Bohnenkrautsauce, Oscietra-Kaviar. Und im Hauptgang eine Ente? Fehlanzeige! In Frankreich grassierte monatelang die Vogelgrippe, Bresse-Geflügel war nicht zu haben. Ersatzlösungen: eine Tranche Rind aus Waadtländer Zucht mit Thymian und vor allem mit feinen Artischocken (Sauce barigoule!). Oder ein Sisteron-Lamm mit einer ungewöhnlich leichten und ungewöhnlich guten Sauce: Pesto und Basilikum.
Im «Hôtel de Ville» sind nur Profis am Werk. Zwei von ihnen möchten wir besonders erwähnen: Nicolas Flandin ist ein hervorragender Patissier, der nicht auf dem Selbstverwirklichungstrip ist, sondern die Vorgaben des Patrons sehr gut umsetzt: Aprikosen (mit einem Schuss Eau-de-vie) und weisse Pfirsiche regen seine Fantasie im Sommer besonders an. Camille Cariglio ist einer der besten Sommeliers des Landes. In Crissier wird gebaut: Franck und Camille entführen ihre Gäste demnächst in einen neuen, spektakulären Weinkeller.