Hôtel Restaurant Valrose
Da haben sich zwei gefunden: Benoît Carcenat, «Un des Meilleurs Ouvriers de France» (M.O.F.), gestählt in der Weltklasseküche von Crissier. Und Gastgeber Mathieu Quetglas, GaultMillaus «Sommelier des Jahres 2022». Gemeinsam rocken sie ein kleines, feines Boutiquehotel beim Bahnhof von Rougemont VD. Gemeinsam sorgen sie für eine der spannendsten Küchen im Land. Reaktion der (auffallend jungen) Gäste: Sie sind begeistert. Und auch ein wenig atemlos. Wir sind ebenfalls tief beeindruckt: Benoît Carcenat ist GaultMillaus «Koch des Jahres». Neues Rating: 18 Punkte!
Es gibt diese seltenen Momente kreativen Handwerks in der Musik genauso wie in der höheren Kochkunst, in denen alles stimmt: die Idee, die Atmosphäre während der Entstehung, die Ausführung. Solche Momente erleben wir bei unseren Besuchen in Rougemont, wo Benoît Carcenat offensichtlich auf dem (vorläufigen) Höhepunkt seines Schaffens ist, immer wieder. Die Fieberkurve des Menüs steigt zu Beginn schnell steil an und sinkt danach nicht mehr ab: Aus einem wochenlang getrockneten Bonito werden salzige Scheiben wie bei einem Ibérico-Schinken herausgeschnitten und auf kandierten Wassermelonenröllchen mit Piment d’Espelette serviert; der mächtige Bonitokopf grüsst furchterregend von der Silberplatte. Auch die auf japanischer Binchotan-Kohle grillierten Austern mit Johannisbeeren und Lardo aus der Region sind erste Hinweise auf die zu erwartenden, grossen Ereignisse. Der Würfel aus komprimierten Tomaten, der ein Inneres aus Oscietra-Kaviar freigibt, ist zunächst eine überraschende, symmetrische Schönheit und dann eine geschmackliche Offenbarung. Ein Sud, der die besonders umamireichen Tomatenkerne miteinbezieht, legt die Grundlage für einen Dreiklang aus Frucht, Säure und Jod; daneben gibt es eine Tartelette mit frech frittierten Garnelenköpfen aus der Normandie und mit einem Garnelentatar; auf einem Löffel liegt etwas Tomatenpulver und im Glas ein mit Mezcal fermentiertes Tomatenwasser. In der Summe ist das geschmacklich, handwerklich und auch in der Präsentation brillant.
In der Carcenat-Inszenierung spielt der Service eine wichtige Rolle: Fast alle Gerichte werden am Tisch fertiggestellt. Da wird tranchiert, angerichtet, angegossen, was wiederum für Teamgeist und Timing zwischen Küche und Service spricht. Es muss dabei nicht immer Kaviar sein. Die Kombination aus Randen – als Granité, roh, eingelegt und gegart mit fermentierten und eingeweckten Erdbeeren – ist ebenso überraschend und gut wie ein auf den ersten Blick schlichtes Gericht mit Pfifferlingen, bei dem am Tisch mit einer im Internet entdeckten Maschine ein Espresso extrahiert wird, um einen Pilzfond mit Madeira-Porto-Reduktion abzuschmecken. Eine kleine Hommage an die Region darf nie fehlen: Mal ist es ein Millefeuille mit mikroskopisch dünnen Schichten von Trockenfleisch aus Intyamon und Käse aus Rougemont. Mal ist es die «Gratinée à l’oignon». Carcenat: «Ich versuche, dieses traditionelle Bauerngericht neu zu interpretieren und in die Gourmetküche zu transportieren.» Mit riesigem Aufwand. Mit modernster Technik. Benoît Carcenat beherrscht moderne oder wiederentdeckte Techniken wie Fermentation traumwandlerisch sicher. Bewundernswert auch sein Gespür für geschmackliche Balance. Die sanft gegarte Seezunge mit Gurken, Dill und Kalamata-Oliven ist ein Beispiel dafür und der Fischfumet mit Dry Martini und Dillöl ein Beleg für herausragendes Saucenhandwerk. Kräuter und Blüten aus den sechs eigenen Beeten und aus den umliegenden Wiesen spielen eine wichtige Rolle im Menü. Carcenat verwendet sie nie gedankenlos, sie haben immer eine gezielt eingesetzte Wirkung, etwa als Frische- oder Bitterelement. Beim bretonischen Hummer – erst blanchiert, dann grilliert – gibt je ein Pfirsich- und ein Salbeiblatt dem Krebsfleisch eine feinherbe Bitternote. Süsser Weinbergpfirsich, knackiger Stängelsalat («celtuce») und eine leicht rauchige Sauce aus Hummerbisque, angereichert mit Barbecue-Aromen und Corail, runden die faszinierende Komposition ab.
Asiatische Ideen oder Zutaten fliessen immer wieder ins Menü ein, sind aber nie nur als Effekt eingesetzt, sondern zuverlässig mit allen anderen Elementen verwebt: etwa das Thai-Basilikum zur Bresse-Taube mit Pinienkernen oder Shiso, das zum Saanenland-Kalbsfilet als Gel und als eine Art Pistou eingesetzt wird. Dass Fleisch, Fisch oder Krustentiere zuverlässig perfekt gegart sind, versteht sich fast von selbst, vor allem aber findet der Franzose aus dem Périgord immer einen Weg, die Produkte sinnvoll, überraschend und wohlschmeckend zu inszenieren.
Das gilt auch für die Desserts: Erst Charentais-Melone, die mit Honig, Fenchel und Blütenpollen nicht zu süss, sondern leicht herb wie ein sonniger Spätsommertag schmeckt. Das Thema «Milch und Himbeeren» wird dann mit Burrata und Kompott, Kefir und Essenz oder als Sorbet mit feinporigem Milchschaum variiert – ein letzter Moment, bei dem alles stimmt.
Benoît Carcenat kann auf seinem schnellen und steilen Weg nach oben auf ein Dream-Team zählen: Seine Frau Sabine führt Regie im kleinen Hotel, Mathieu Quetglas ist mehr als «nur» Sommelier, eher ein genialer Partner und Gastgeber. Dessen Freundin Pauline Royer ist mit ihm an der Front. Antoine Tarlier (vorher bei Didier de Courten) ist der zweite Weinexperte im Haus. Auch Barkeeper Giorgio Pariciani ist Teil der Inszenierung. Die junge Truppe kann auf den schönsten Titel anstossen, den GaultMillau zu vergeben hat. Wetten, dass Mathieu Quetglas im riesigen Keller dafür die richtige Flasche findet?


Da haben sich zwei gefunden: Benoît Carcenat, «Un des Meilleurs Ouvriers de France» (M.O.F.), gestählt in der Weltklasseküche von Crissier. Und Gastgeber Mathieu Quetglas, GaultMillaus «Sommelier des Jahres 2022». Gemeinsam rocken sie ein kleines, feines Boutiquehotel beim Bahnhof von Rougemont VD. Gemeinsam sorgen sie für eine der spannendsten Küchen im Land. Reaktion der (auffallend jungen) Gäste: Sie sind begeistert. Und auch ein wenig atemlos. Wir sind ebenfalls tief beeindruckt: Benoît Carcenat ist GaultMillaus «Koch des Jahres». Neues Rating: 18 Punkte!
Es gibt diese seltenen Momente kreativen Handwerks in der Musik genauso wie in der höheren Kochkunst, in denen alles stimmt: die Idee, die Atmosphäre während der Entstehung, die Ausführung. Solche Momente erleben wir bei unseren Besuchen in Rougemont, wo Benoît Carcenat offensichtlich auf dem (vorläufigen) Höhepunkt seines Schaffens ist, immer wieder. Die Fieberkurve des Menüs steigt zu Beginn schnell steil an und sinkt danach nicht mehr ab: Aus einem wochenlang getrockneten Bonito werden salzige Scheiben wie bei einem Ibérico-Schinken herausgeschnitten und auf kandierten Wassermelonenröllchen mit Piment d’Espelette serviert; der mächtige Bonitokopf grüsst furchterregend von der Silberplatte. Auch die auf japanischer Binchotan-Kohle grillierten Austern mit Johannisbeeren und Lardo aus der Region sind erste Hinweise auf die zu erwartenden, grossen Ereignisse. Der Würfel aus komprimierten Tomaten, der ein Inneres aus Oscietra-Kaviar freigibt, ist zunächst eine überraschende, symmetrische Schönheit und dann eine geschmackliche Offenbarung. Ein Sud, der die besonders umamireichen Tomatenkerne miteinbezieht, legt die Grundlage für einen Dreiklang aus Frucht, Säure und Jod; daneben gibt es eine Tartelette mit frech frittierten Garnelenköpfen aus der Normandie und mit einem Garnelentatar; auf einem Löffel liegt etwas Tomatenpulver und im Glas ein mit Mezcal fermentiertes Tomatenwasser. In der Summe ist das geschmacklich, handwerklich und auch in der Präsentation brillant.
In der Carcenat-Inszenierung spielt der Service eine wichtige Rolle: Fast alle Gerichte werden am Tisch fertiggestellt. Da wird tranchiert, angerichtet, angegossen, was wiederum für Teamgeist und Timing zwischen Küche und Service spricht. Es muss dabei nicht immer Kaviar sein. Die Kombination aus Randen – als Granité, roh, eingelegt und gegart mit fermentierten und eingeweckten Erdbeeren – ist ebenso überraschend und gut wie ein auf den ersten Blick schlichtes Gericht mit Pfifferlingen, bei dem am Tisch mit einer im Internet entdeckten Maschine ein Espresso extrahiert wird, um einen Pilzfond mit Madeira-Porto-Reduktion abzuschmecken. Eine kleine Hommage an die Region darf nie fehlen: Mal ist es ein Millefeuille mit mikroskopisch dünnen Schichten von Trockenfleisch aus Intyamon und Käse aus Rougemont. Mal ist es die «Gratinée à l’oignon». Carcenat: «Ich versuche, dieses traditionelle Bauerngericht neu zu interpretieren und in die Gourmetküche zu transportieren.» Mit riesigem Aufwand. Mit modernster Technik. Benoît Carcenat beherrscht moderne oder wiederentdeckte Techniken wie Fermentation traumwandlerisch sicher. Bewundernswert auch sein Gespür für geschmackliche Balance. Die sanft gegarte Seezunge mit Gurken, Dill und Kalamata-Oliven ist ein Beispiel dafür und der Fischfumet mit Dry Martini und Dillöl ein Beleg für herausragendes Saucenhandwerk. Kräuter und Blüten aus den sechs eigenen Beeten und aus den umliegenden Wiesen spielen eine wichtige Rolle im Menü. Carcenat verwendet sie nie gedankenlos, sie haben immer eine gezielt eingesetzte Wirkung, etwa als Frische- oder Bitterelement. Beim bretonischen Hummer – erst blanchiert, dann grilliert – gibt je ein Pfirsich- und ein Salbeiblatt dem Krebsfleisch eine feinherbe Bitternote. Süsser Weinbergpfirsich, knackiger Stängelsalat («celtuce») und eine leicht rauchige Sauce aus Hummerbisque, angereichert mit Barbecue-Aromen und Corail, runden die faszinierende Komposition ab.
Asiatische Ideen oder Zutaten fliessen immer wieder ins Menü ein, sind aber nie nur als Effekt eingesetzt, sondern zuverlässig mit allen anderen Elementen verwebt: etwa das Thai-Basilikum zur Bresse-Taube mit Pinienkernen oder Shiso, das zum Saanenland-Kalbsfilet als Gel und als eine Art Pistou eingesetzt wird. Dass Fleisch, Fisch oder Krustentiere zuverlässig perfekt gegart sind, versteht sich fast von selbst, vor allem aber findet der Franzose aus dem Périgord immer einen Weg, die Produkte sinnvoll, überraschend und wohlschmeckend zu inszenieren.
Das gilt auch für die Desserts: Erst Charentais-Melone, die mit Honig, Fenchel und Blütenpollen nicht zu süss, sondern leicht herb wie ein sonniger Spätsommertag schmeckt. Das Thema «Milch und Himbeeren» wird dann mit Burrata und Kompott, Kefir und Essenz oder als Sorbet mit feinporigem Milchschaum variiert – ein letzter Moment, bei dem alles stimmt.
Benoît Carcenat kann auf seinem schnellen und steilen Weg nach oben auf ein Dream-Team zählen: Seine Frau Sabine führt Regie im kleinen Hotel, Mathieu Quetglas ist mehr als «nur» Sommelier, eher ein genialer Partner und Gastgeber. Dessen Freundin Pauline Royer ist mit ihm an der Front. Antoine Tarlier (vorher bei Didier de Courten) ist der zweite Weinexperte im Haus. Auch Barkeeper Giorgio Pariciani ist Teil der Inszenierung. Die junge Truppe kann auf den schönsten Titel anstossen, den GaultMillau zu vergeben hat. Wetten, dass Mathieu Quetglas im riesigen Keller dafür die richtige Flasche findet?