144 Töpfe und eine Wolke mit 100 Glühbirnen. Im neuen «Huus Quell», der 5-Sterne-Erweiterung des «Appenzeller Huus», lebt Elmir Medunjanin seinen Traum: eine Bar, die keine Wünsche offen lässt und in neue Dimensionen vorstösst. «Alles hier durfte ich ganz nach meinen Wünschen zusammenstellen. Eine einzigartige Chance», sagt der Cocktailkünstler, der die Pläne für das «Botanicum» selbst gezeichnet hat. Das Interieur und die technische Ausstattung des nach Feng-Shui-Kriterien gebauten Lokals sind spektakulär. Grösster Blickfang: eine grüne Wand mit 144 Töpfen, in denen die verschiedensten Gewächse spriessen. Sogar Boswellia, die Pflanze, aus der man Weihrauch macht. Direkt über der grossen Bar aus Quarzit hängt eine Metallwolke mit 100 Glühbirnen, die ein Lichtkünstler mit Hilfe von KI so eingestellt hat, dass sie sich stets dem Licht draussen anpasst. Das Soundsystem, das vom Team der renommierten White Mirror Studios konzipiert wurde, schafft in jedem Bereich des «Botanicum» eine andere Geräuschkulisse. Bild oben: Die grüne Wand im «Botanicum» und Barchef Elmir Medunjanin.

Elsbeth Mettler pflückt Sanddorn für das «Botanicum».

Elmir Medunjanin bereitet mit dem Sanddorn einen leuchtend orangen Drink zu.

Der «Gonten to Garibaldi» ist einem Campari-Orange nachempfunden.
Die fabelhafte Elsbeth. Die wichtigste Mitstreiterin des Mixologen aus dem «Appenzeller Huus» heisst Elsbeth Mettler. Sie führt in Stein AR die «Chrüterei», eine Mischung aus Bauernhof und Kompetenzzentrum für fast alles, was in der Appenzeller Erde wächst. Mit besonderem Augenmerk auf Kräuter. Elmir und wir dürfen Elsbeth auf einen Rundgang durch ihren Schaugarten begleiten. Erste Station: die stacheligen Büsche mit den leuchtend orangen, wunderbar säuerlichen Sanddornbeeren. «Davon brauche ich unbedingt ein paar Kilo», sagt Elmir und fügt an: «Meine Tochter ist Elsbeths grösster Fan. Sie fragt mich immer, wann wir sie endlich wieder in der Chrüterei besuchen.» Er selbst ist ebenso begeistert von der einstigen Bäuerin, die über jede Pflanze (mindestens) eine spannende Geschichte zu erzählen hat. So auch im Fall des süss duftenden Muskatellersalbeis. «Es gibt kein besseres Zaubermittel, um zu entspannen», sagt Elsbeth. Nicht minder spannend ist ihr neuestes Projekt, der Anbau von Kurkuma. Wie Ingwer gedeiht auch der ursprünglich aus Südasien stammende Gelbwurz hierzulande im Zuge des Klimawandels ausgezeichnet.
Über der Bar aus Quarzit hängt die Metallwolke mit 100 Glühbirnen.
«Piña Colada» mit Quitte und Hafer. Die Zutaten, mit denen das «Botanicum»-Team arbeitet, stammen allesamt aus der Schweiz. «Wir verzichten also unter anderem auf Zitronen oder Limetten, die in anderen Bars eine zentrale Rolle spielen», erklärt Elmir. Auch Ananas steht ihm natürlich nicht zur Verfügung. Und trotzdem gehen Piña-Colada-Fans nicht leer aus. «Wir bauen diesen Klassiker einfach nach, unter anderem mit Quittensaft, der über eine ähnliche Säure und Pelzigkeit verfügt wie Ananassaft. Die Kokosnuss imitieren wir mit einer hausgemachten geklärten Hafermilch.» Doch es geht noch kreativer! Einer der Cocktails vermittelt den Gästen das Gefühl, in einer vom Morgentau bedeckten Wiese zu stehen. Die zentralen Zutaten: Colakraut, Kamille, Minze und Zitronenverbene. Der Sanddorn kommt in den alkoholfreien «Gonten to Garibaldi», der an einen Campari-Orange erinnert, nur eben ohne Orange und mit einem hausgemachten Bitter.

Ein Drink wie Morgentau: Colakraut, Kamille, Minze und Zitronenverbene sind die Aromengeber.

Volle Konzentration: Elmir Medunjanin bei der Arbeit an der Quarzit-Bar des «Botanicum».

Auch ein Rotationsverdampfer hilft dem «Botanicum»-Team bei der Arbeit.
Beim Alkohol ist weniger mehr. Natürlich hat der Geschmack der Drinks für das «Botanicum»-Team oberste Priorität, aber Mastermind Elmir legt auch auf die Präsentation sehr viel Wert. Bei einer seiner Kreationen trinken deshalb nicht nur die Augen mit, sondern auch die Ohren. Hebt man das Glas, ertönt auf einmal fröhliches Vogelgezwitscher. Willkommen im Cocktail-Wunderland! Zurückhaltung gibt es hier nur bei der Alkoholmenge. «Wir dosieren bewusst gering. Weil so die anderen Aromen im Glas besser zur Geltung kommen – und weil die Gäste auf diese Weise mehrere Drinks probieren können. Im Fine-Dining-Restaurant gibt es ja auch keine Portionen wie in der Skihütte», erklärt der Barchef. Rund die Hälfte der Drinks kommt sogar ganz ohne Alkohol aus, ohne Einbusse bei der Finesse.

Elmir Medunjanin (r.) betrachtet mit Tim-Martin Weber, dem General Manager des «Appenzeller Huus», die Baupläne der Bar.

Auch auf die Details kommt es an: In diesem Eiswürfel steckt eine Edelweissblüte.
Extraklasse im Glas und auf dem Teller. Ausgefeilte Kreationen werden im «Botanicum» nicht nur im Glas serviert, sondern auch auf dem Teller. Executive Chef Carsten Krypke und sein Team haben den Drinks kleine, aber überaus facettenreiche Gerichte auf den Leib geschneidert. Bei diesen Pairings spielen Essenzen, die Elmir und sein Team mit dem Rotationsverdampfer gewinnen, eine wichtige Rolle. Und auch das, was bei diesem Prozess übrig bleibt, wird verwertet. Arbeitet die Küche mit der Essenz, verwendet die Bar den Rest und umgekehrt. Im «Botanicum» geht es – wie überhaupt im «Appenzeller Huus» – eben auch um die Nachhaltigkeit. Das «Huus Quell», zu dem das «Botanicum» gehört, feierte am 15. Oktober Eröffnung. Im Restaurant Quell heisst das Motto «Sharing is caring». 100 Gerichte zum Teilen stehen auf der Karte – von Schweizer Spezialitäten und Klassikern bis zu exotischen Kreationen.
Fotos: Fabienne Bühler, HO


