Text: Daniel Böniger I Fotos: Salvatore Vinci, HO

Bieridee mit Erfolg. Wie klassische Jungunternehmer sehen Severin Scheurer und Tobias Schüpbach nicht aus. Und sie geben auch zu, dass sie ihr Unternehmen Fungifuturi ziemlich spontan gegründet haben: «Wir hatten zu tief ins Glas geschaut und kamen auf die Idee, eine Pilzzucht zu starten.» Nur drei Jahre später, erzählen die beiden Mittdreissiger weiter, hätten sie die ganzen Prozesse, die es dabei zu beachten gelte, in den Griff bekommen. 2023, so schaut es aus, wird das erste Jahr sein, in dem sie kein Geld mehr drauflegen. Und bald wollen sie sich selbst gar einen Lohn auszahlen, von dem sie leben können. Grosses Bild oben: Tobias Schüpbach und Severin Scheurer (r.)

Vegi- und Japan-Trend helfen. Zwei Dinge sprechen für den anhaltenden Erfolg: Da ist einerseits das allgemein wachsende Interesse an Speisepilzen. «Das hat mit der japanischen Küche zu tun, die zurzeit viel Beachtung hat und wo Pilze eine grosse Rolle spielen», sagt Severin Scheurer. «Aber auch mit dem Trend zur fleischlosen Ernährung.» Naheliegend, dass sie ihren Pilzhandel zuerst auf Wochenmärkten und in Bioläden ausrollten. Andererseits entdecke inzwischen eben auch die Gastronomie die Pilze. Und obwohl sie noch nie Werbung gemacht hätten, kämen vermehrt Köche auf sie zu. Jüngst etwa 17-Punkte-Starchef Stefan Beer vom «Radius» im Grand Hotel Victoria-Jungfrau Interlaken, der auf seiner aktuellen regionalen Menükarte «vo hie» mit Pilzen von «Fungifuturi» arbeitet. 

 

Böniger tranchiert, Fungifuturi, Steffisburg, BE fotografiert am 1.11.23 Pilze am Substrat

Gezüchtet ist er nicht bitter und hat sogar einen pfeffrigen Abgang: der Buchenschüppling.

Böniger tranchiert, Fungifuturi, Steffisburg, BE fotografiert am 1.11.23 Pilze am Substrat

Erinnert geschmacklich an Krabbenfleisch und gilt gar als Magen-Darm-Heilpilz: der Igelstachelbart.

Böniger tranchiert, Fungifuturi, Steffisburg, BE fotografiert am 1.11.23 Pilze am Substrat

Fruchtig und frisch, wie schon der Name verrät: der Zitronenseitling.

Es riecht intensiv & trüffelig. Wie sieht eine Pilzzucht eigentlich aus? Der Rundgang in Steffisburg BE startet gewissermassen am Ende der Aufzucht. Durch eine Tür und einen Plastikvorhang betritt man einen 16 Grad warmen Raum in einem Holzschuppen, wo aus zig Plastikbeuteln, gefüllt mit Substraten, verschiedene Pilze quellen. Es riecht intensiv, pilzig und trüffelig, auch die hohe Luftfeuchtigkeit ist spürbar. Tobias Schüpbach erinnert daran, dass Pilze atmen - einer der Gründe dafür, weshalb das Klima hier reguliert werden muss. Und er weist auf den Igelstachelbart hin, einen derzeit gehypten Pilz, der auch mal zwischen zwei Pfannen zum «Steak» gepresst und gebraten werde. Oder den «Black Pearl», eine Varietät des Austernseitlings, dessen Stiele aber deutlich weniger zäh und darum angenehmer zu geniessen sind. 

Pilz trifft Hirsch im «Radius». Stefan Beer setzt in seinem derzeitigen Wildmenü unter anderem auf den Steffisburger Klapperschwamm, den er pickelt und für einen Säurekick unters Hirschtatar mischt. Auch gebraten kommt der Pilz obendrauf. «Wir hatten das Menü fast schon fertig, als unser bisheriger Pilzlieferant ausfiel», erzählt der Starchef. Er habe nicht zum ersten Mal erlebt, dass jemand mit Pilzzucht begonnen, dann aber das Handtuch geworfen habe. Eher zufällig habe darauf einer seiner Lieferanten den Kontakt zu den Jungs in Steffisburg geknüpft. Und was sie in einem Probepaket mit sieben, acht Sorten abgeliefert hätten, sei mehr als überzeugend gewesen. Jetzt findet man ihren Pioppino-Pilz in der doppelten Consommé mit Steinbock-Agnolotti. Oder gemischte Pilze von «Fungifuturi» auch im Hauptgang mit geschmortem sowie gebratenem Hirsch samt Kürbis, Rotkraut und einer Wolke des Kräuterschnaps Genepi. Zu den weiteren Gastronomiekunden von «Fungifuturi» gehören das GaultMillau-Pop Trallala oder das vegetarische «Zoe» (15 Punkte), beide in der Stadt Bern. Dass sie biozertifiziert seien, helfe natürlich mit, dass die Küchenchefs anbeissen, sind Severin Scheurer und Tobias Schüpbach überzeugt.

 

Agnolotti mit Steinbockfüllung und Pioppino-Pilzen von Stefan Beer.

Agnolotti mit Steinbockfüllung und Pioppino-Pilzen by Stefan Beer.

Beers HIrschtatar mit Steffisburger Klapperschwamm & Baumnüssen.

HIrschtatar mit Steffisburger Klapperschwamm & Baumnüssen by Stefan Beer.

Hirsch als Sauerbraten, kurz gebraten und als Praline mit Kürbis und Ingwer.

Hirsch als Sauerbraten, gebraten und als Praline mit Kürbis und Ingwer by Stefan Beer.

Substrat aus dem Betonmischer. Moment mal, wie geht bio bei Pilzen? «Bei denjenigen Pilzen, die wir in der freien Natur sammeln», sagt Severin Scheurer, der sich erst gerade zum Pilzkontrolleur hat ausbilden lassen, «reicht es, wenn wir einmal jährlich genau belegen, was wir wo gefunden haben.» Bei den Zuchtpilzen sei ausschlaggebend, dass sämtliche eingesetzten Rohstoffe zertifiziert seien. Das gilt in erster Linie fürs Substrat aus Lützelflüher Buchensägemehl, Weizenkleie, Wasser und wenig Kalk, um den gewünschten pH-Wert zu erreichen. Die Jungs bereiten es in einem alten Betonmischer selber zu. Es wird im heissen Wasserdampf sterilisiert, damit unerwünschte Pilzarten ausbleiben. Danach wird besagtes Substrat mit Pilzmyzel geimpft. In einem 24 Grad warmen Raum - wo den Pilzen quasi der warme Sommer vorgegaukelt wird - wächst dieses Myzel, also der sonst unsichtbare Teil des Pilzes im Erdreich, weiter. Ist es gut ausgebildet, werden die Pflanzsäcke gelöchert und in den eingangs beschrieben Raum - 16 Grad, feucht - gezügelt. Quasi unter Sommerbedingungen wachsen die Fruchtkörper, die geerntet werden. 

 

Fungifuturi, Steffisburg, BE fotografiert am 1.11.23 Dampfmaschine

Severin Scheurer sterilisiert das Substrat in einem alten Milchtank mit 98° heissem Dampf.

Fungifuturi, Steffisburg, BE fotografiert am 1.11.23 Subtrat zur Pilzzucht im Fruchtungsraum

In diesem Raum, wo vor allem die Fruchtkörper der Pilze wachsen sollen, ist immer «Herbst».

Fungifuturi, Steffisburg, BE fotografiert am 1.11.23

Tobias Schüpbach schaut nach einem gelösten Pilzmyzel, mit dem das Substrat beimpft wird.

Trüffel und Champignons? Grundsätzlich sei jeder Pilz züchtbar, sagen die beiden. Allerdings lohne sich der Anbau von Steinpilzen oder Trüffeln in den meisten Fällen nicht, da diese an einen Wirt gebunden seien - was die Sache wenig lukrativ mache. Wer habe schon Ressourcen, erst einen Wald wachsen zu lassen? Wenig Einnahmen versprechen auch klassische Champignons, «da ist die Industrie viel effizienter.» 

Teigwaren mit Pilzrahmsauce. Wie oft essen sie denn selber Pilze? «Das kommt auf den Zuchterfolg an», lautet die Antwort mit Augenzwinkern. Und wie am liebsten? Da sind sich die zwei erstmals nicht 100-prozentig einig. Severin liebt «Teigwaren mit Pilzrahmsauce», Tobias mag gebratene Scheiben vom Igelstachelbart! Geschmackvoll, so einigen sie sich, sei jedenfalls beides. 

 

>> www.fungifuturi.ch