Text: Daniel Böniger I Fotos: Nik Hunger

KÜHLES BIER IM TRADITIONSLOKAL. Die goldig frittierten Calamares bleiben eine Sünde wert! Das kühle Bier, das vor mir steht, kommt noch immer von einer spanischen Brauerei! Ich bin zurück in der Bodega Española im Zürcher Niederdorf. Das Traditionslokal ist jüngst von Daniela und Markus Segmüller übernommen und während den Sommerferien restauriert worden. Natürlich war es der Stammkundschaft – ich zähle mich dazu – etwas flau im Magen, dass ein Ehepaar die Zügel übernimmt, das noch acht weitere Restaurants in und um Zürich betreibt. Teilweise deutlich zeitgeistigere Orte. Neugier dürfte also auch eine Rolle spielen, wenn an diesem Abend gleich nach der Neueröffnung schon sämtliche Tische bestens besetzt sind. Grosses Bild oben: Markus Segmüller & David Martínez Salvany. 

 

Bodega Espagnola

1874 vom Katalanen Pedro Gorgot im Niederdorf eröffnet: Bodega Española.

TAPAS? FALLS WIR GELD HATTEN. Meine persönliche Beziehung zur «Bodega» nahm ihren Lauf während des Studiums: Donnerstag für Donnerstag trafen wir uns nach der Vorlesung hier am runden Tisch, der glücklicherweise noch immer derselbe ist. Wir tranken viel günstigen Roten, der damals noch ziemlich sauer war. Zwischendurch kippten wir auch mal Carajillo oder assen Tapas - falls jemand genug Geld in der Tasche hatte, um solches zu bestellen. Stunden später zogen wir weiter, oft landeten wir in einer illegalen Bar bis tief in die Nacht. Doch dies ist eine andere Geschichte. 

 

Bodega Espagnola, Calamares

Goldene Sünde: die Calamares.

Bodega Espagnola, Kellner Santiago

Gut gelaunt wie eh und je: Kellner Santiago.

Bodega Espagnola, Jamon Serrano de Malagà

Nussig und dünn geschnitten: Jamón Serrano.

DER OFEN VON MAX FRISCH. In der Bodega erinnert mich auch nach der Renovation vieles an früher. Fast ist es, als wäre ich noch immer anfangs 20: Es sind dieselben Stühle mit dem geflochtenen Stroh als Sitzfläche. Die gleiche Uhr an der Wand, die gefühlt etwas langsamer tickt als sonst wo. Den Boden hat man gelassen, wie er war: abgewetzt. Und die Geschichte von tausenden Kilometern erzählend, welche die flinken Kellner in ihren roten Gilets hier schon gelaufen sind. Ja, auch sie sind noch dieselben wie unter den vormaligen Besitzern, der Familie Winistörfer. Natürlich hat man den alten eisernen Ofen samt Ofenrohr stehen gelassen – er ist schon von Max Frisch in den Tagebüchern verewigt worden. 

 

Bodega Espagnola, Gastgeber David Martinez Salvany am Jamon schneiden

Überall, nirgends & sogar an der Aufschnittmaschine: David Martínez Salvany.

Bodega Espagnola, im oberen Stock, grosser Saal

Im «Sala Morisca» im 1. Stock wird weiss eingedeckt.

LA LUPA & EIN SCHWEIZER «BEATLE». Sogar die Stammgäste sind noch da! Ich treffe La Lupa, die farbenfroh gekleidete Sängerin, die Freude hat, dass noch alles beim Alten scheint. Ebenso beruhigt ist Düde Dürst, früher Schlagzeuger bei den legendären Sauterelles, die man auch als «Schweizer Beatles» kannte. Auch ihm gefällt, dass er sein Stammlokal – nur einige Schritte von seiner Wohnung entfernt – problemlos wiedererkennt. «Weisst Du», erzählt er mir, «mein Vater hat hier geputzt, als ich klein war. Ich war schon vor über 50 Jahren regelmässig hier.» Dass er an diesem Abend von Markus Segmüller per Handschlag begrüsst wird, das passt. Übrigens ist der neue Pachtvertrag - Kontinuität wird auch da gross geschrieben - für die Dauer von 20 Jahren unterschrieben worden. Wohlgemerkt: Segmüller ist 60-jährig! «Ich kann mir jetzt schon vorstellen, wie ich mit 80 hier am Tisch sitze und die Gäste begrüsse!», sagt er. 

 

Bodega Espagnola, Tapas Vitrine

Wie bis anhin warten verschiedenste Tapas in der Glasvitrine auf die Gäste.

Bodega Espagnola, Böni

Sass schon als Student am runden Tisch: Autor Böniger.

Bodega Espagnola, alter Boden

Wurde nicht angerührt: der Boden, der Geschichten erzählt.

DAVID IST «ÜBERALL UND NIRGENDS». Erst auf den zweiten Blick offenbart sich, welche baulichen Änderungen die Segmüllers unternommen haben: Das WC, das schon zu meiner Studentenzeit aus der Zeit gefallen war, wurde komplett erneuert. Viel klebriges Nikotin (ja, wohl auch von mir) musste von den Wänden gewaschen werden. Die Küche ist rundum erneuert worden. Und als Geschäftsführer fungiert David Martínez Salvany. Seine Aufgabe beschreibt er mir wie folgt: «Ich bin in der Bodega überall und nirgends.» Nur schade, dass bei meinem Erstbesuch nach der Auffrischung der 1. Stock («Sala Morisco») noch nicht geöffnet hat. Für Paella & Parillada werde ich nochmals herkommen müssen. 

MANDELN ZU DEN SHERRYS. Inzwischen kann ich mir Tapas leisten – und so stehe ich bald schon vor der Glasvitrine, um mir ein Abendessen zusammenzustellen: Der nussige Jamón Serrano ist eine Spur dünner geschnitten als auch schon. Die heiss servierten Croquetas mit Schinken-Käsefüllung? Aussen knusprig, innen wunderbar cremig. Die Mandeln (passend zu den verschiedenen Sherrys im Angebot) zurückhaltend gesalzen. Auch eine Tortilla, noch ein Bodega-Klassiker, lasse ich mir von Kellner Santiago auftischen. Sie war eine Spur zu kurz in der Pfanne und ist innen noch leicht flüssig - immerhin ein Indiz dafür ist, dass sie à la minute zubereitet worden ist. Wie immer komme ich mit anderen Gästen ins Plaudern und erfahre noch, dass Stammgast Beat Schlatter auch schon da war und ein Bier getrunken hat. Er präferiert, wie schon vor dem Umbau, «Hürlimann». 

 

Bodega Espagnola, Uhr

Tickt gefühlt langsamer: die Uhr an der Wand.

Bodega Espagnola

Verewigt bei Max Frisch: der alte Ofen.

Bodega Espagnola, neue Lampen

Neue Lampen, im Stile der 1870er. 


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