Fotos: Adrian Bretscher
Am liebsten mit kühlem Weisswein. Tomaten-Mozzarella-Salat mit Basilikum? Passt, wenn die Zutaten perfekt ausgewählt sind. Wassermelone mit Fetakäse? Sieht schön aus, kann man bringen. Doch für mich gibt es ein Sommergericht, das alle anderen haushoch überragt: Vitello tonnato! Am liebsten mit einem Glas eisgekühltem Weisswein genossen. Doch wo wird der italienische Klassiker mit besonderer Hingabe aufgetischt? Wer sich in Zürich umhört, landet unweigerlich im klassischen «Da Angela», bei Starchef Antonio Colaianni in der «Trattoria Freilager», im hippen «Marguita» im Hotel Baur au Lac. Zeit also für einen «Dreier» – drei Mittagessen in Folge in den genannten Restaurants. Auf geht die Suche nach dem besten Vitello tonnato!
«Da Angela»: MIt Bratkartoffeln als Hauptgang. Der Besuch im weiss eingedeckten «Da Angela» in der Hohlstrasse erweist sich als erster Treffer: Es ist eines der Restaurants, in denen man vergisst, dass man sich eigentlich nicht in Italien befindet. Dies wohl ein Hauptgrund dafür, dass es auch über Mittag äusserst gut besucht ist. Da kann man dem Büroalltag wenigstens für eine Stunde entkommen – bei Tintenfischsalat, hausgemachten Ravioli und Scaloppine al limone. Im Sommer steht Vitello tonnato regelmässig als Mittagsmenü auf der Karte der 14-Punkte-Restaurants. Der Klassiker wird dann jeweils mit Bratkartoffeln serviert, damit daraus ein sättigender Hauptgang wird.
«Da Angela»: Gastgeber Mike Thomi und «Gigi» Amato (v.l.).
Vitello tonnato – als hätte es eine italienische Mamma gemacht.
Saftigkeit: 4 von 5 Punkten. Erstes gutes Zeichen: Das Fleisch wird nicht vollständig vom Saucenspiegel bedeckt, offenbar hat man nichts zu verstecken. Es hat eine schöne rosa Farbe und erreicht punkto Saftigkeit eine 4 auf einer Skala, die ich bis maximal 5 gehen lasse. Die Aromen des falschen Kalbsfilets, mit passenden Röstnoten, sind mit der Sauce im Gleichgewicht. Für farbliche und aromatische Akzente sorgen dünn geschnittene rote Zwiebeln, rote und gelbe Peperoni, Kapernäpfel. Die Sauce ist angenehm säuerlich, was nicht – wie zuerst von mir angenommen – von Zitronensaft herrührt, sondern von den Silberzwiebeln und Kapern, die eingearbeitet sind. Das verrät Küchenchef Domenico Amato, genannt «Gigi», auf Nachfrage. Der Gesamteindruck dieses «Vitellos»? Das hätte eine italienische Mamma nicht besser hinbekommen. «Wir werden tatsächlich immer wieder von den Gästen für unsere sehr klassische Herangehensweise gelobt», sagt Gastgeber Mike Thome.
Trattoria Freilager: Bodenständig, aber clever! Am nächsten Mittag bin ich zu Gast in der «Trattoria Freilager» in Zürich-Albisrieden. Starchef Antonio Colaianni macht dort seit einigen Monaten gemeinsame Sache mit Gastgeber Marco Pero. Und tischt auch Vitello tonnato auf: «Diesen Klassiker hatte ich schon an meinen früheren Wirkungsstätten immer auf dem Menü», sagt Colaianni. «Jedes Jahr in neuer Variante!» Aktuell sei es eher traditionell zubereitet, auch wenn er natürlich seine ausgewählten Zutaten möglichst clever zubereitet.
Wer sollte dieses Vitello tonnato von Antonio Colaianni noch toppen?
Hausherren in der «Trattoria Freilager»: Marco Pero & Antonio Colaianni (v.l.).
Hilfsmittel für die Sauce: Pacojet & Thermomix. Wie sieht das Vitello tonnato zurzeit bei Colaianni aus? Das Fleisch, ebenfalls falsches Filet, brät der Starchef an. Gart es dann sous-vide bei 58 Grad für zwei bis drei Stunden. Das Resultat: Es ist so saftig, wie es nur sein kann, fünf von fünf Punkten. Auch die Tuna-Sauce ist merklich samtig. «Zweimal friere ich den Thunfisch ein und püriere ihn mit dem Pacojet, erst dann montiere ich die Sauce mit dem Thermomix auf!», verrät der italienische Küchenchef. Arbeitsschritte, die eine typische Mamma so nicht machen würde. Colaiannis Dekoration: frittierte Kapern, angetrocknete Datteri-Tomaten, Brotchips, Tupfer von Basilikum sowie gelber und roter Tomate, drumherum ein dekoratives Kräuteröl. Ein Hingucker! Und sogar das aufgetürmte Kräutersalätchen in der Tellermitte hat ein leichtes Dressing abbekommen. Wer sollte dieses Vitello tonnato noch toppen können?
Amalfi-Zitronen sorgen für eigene Handschrift. Einer, dem ich dies zutraue, ist Maximilian Müller im «Marguita». Der Starchef im Hotel Baur au Lac ist ausgezeichnet mit 15 Punkten. Und hat in seinem mediterranen Restaurant auch ein Vitello tonnato auf der Karte, das ich am dritten Mittag geniesse. Müller verwendet Kalbsrücken, 4,5 von 5 Punkten für die Saftigkeit. Macht die Sauce mit den Abschnitten vom Balfego-Tuna, den er bei anderen Gerichten einsetzt. Auch bei ihm sind frittierte Kapern auf dem italienischen Klassiker. Für die so typische Handschrift seiner aktuellen «Saint-Tropez-Küche» sorgen eingelegte Amalfi-Zitronen und Salsa Verde. Weitere Komponenten: frischer Estragon, Kräuteröl, Tuna im Tataki-Style. «Ich habe kein Ei in der Sauce, weil sie leicht sein soll», verrät er.
Macht Zürich zu Saint-Tropez: Maximilian Müller im «Marguita».
Sinnlich & voller Nuancen: Vitello tonnato im Garten des Hotels Baur au Lac.
«Vitello»-König wird …? Tatsächlich ist Maximilian Müllers Version äusserst sinnlich. Viele aromatische Nuancen lassen sich erkennen. Die Sauce ist mehr Konsistenz als Aroma. «Als Schwabe muss ich mich zurückhalten, nicht mehr davon auf den Teller zu geben!», sagt er lachend. Bei der letzten Gabel bereue ich es, jetzt einen Sieger küren zu müssen… Gefällt mir das schlichte Original im authentischen «Da Angela» am besten? Die raffinierte Version in der «Trattoria Freilager» von Antonio Colaianni? Die zitronig-leichte Variante von Max Müller im «Marguita»? Ein perfekter Sommergenuss waren sie alle drei auf ihre Art. Nach langem Zögern soll das zarteste Fleisch den Ausschlag geben: Antonio ist «Vitello»-König!
>> Die Restaurants «Da Angela» und «Trattoria Freilager» sind ab dem 11. August aus den Sommerferien zurück.