Text: Elsbeth Hobmeier
16 Kantone, ein Begriff. Die Deutschschweiz lässt sich punkto Wein nicht so einfach auf einen Nenner bringen. Sie umfasst 16 Weinbaukantone und ist damit das drittgrösste Weinanbaugebiet der Schweiz. Es gibt trotzdem einige Gemeinsamkeiten: Die Hauptsorten Pinot noir (auch Klevner oder Clevner) und Müller-Thurgau (auch Riesling-Silvaner), das Interesse für alte, etwas vergessene Rebsorten und ein grosser Wille für Innovationen. Unterteilen lässt sich die beachtliche Fläche in drei Unterregionen. Der westliche Teil umfasst Basel und Aargau, zum mittleren Teil zählen Zürich, Schaffhausen und Thurgau, während Graubünden und St. Gallen den östlichen Teil bilden. Flächenmässig ist Zürich mit über 600 Hektar am grössten, gefolgt von Graubünden und Aargau. Gross ist auch die Vielfalt der Böden: Jurakalk in den nördlichen Regionen; Molasse in der Ostschweiz; Ablagerungen der Gletscher in der Zentralschweiz; Schuttkegel in Graubünden. Grosses Bild oben: Gian-Battista & Johann-Baptista von Tscharner.
Der Föhn als «Traubenkocher». Beim Blick auf die Landkarte fällt auf, dass sich die Rebberge oft entlang von Seen und Flüssen hinziehen. Der Rhein, die Limmat, die Aare bieten perfekte Hänge für Pinot noir und Chardonnay, der Boden-, Zürich-, Thuner- und Vierwaldstättersee sind mit ihrem Temperaturausgleich ohnehin ideal für den Rebbau. Nicht zu vergessen ist der Föhn als «Traubenkocher» in der Bündner Herrschaft, der «kleinen Region der grossen Weine». Geeint wird die ausgedehnte Weinregion durch den Blauburgunder oder Pinot noir, der 60 Prozent der Rebflächen belegt. Bei den Weissen stossen zum Müller-Thurgau internationale Sorten wie Chardonnay und Sauvignon blanc dazu. Und immer mehr erobern sich sogenannte Piwis einen Platz, also interspezifische Sorten, die sich für den biologischen Anbau eignen.
Kilchsperger, von Tscharner, Schmidheiny. Auch die Gault Millau-Weinjury ist beeindruckt von dieser Vielfalt. Sie zeichnet «im Burgund der Schweiz» nicht weniger als 40 Top-Winzer aus, das ist mehr als ein Viertel aller «150 Besten der Schweiz». Drei Neue stossen dieses Jahr in diese Top-Liga vor: Das Weingut von Ueli Kilchsperger im zürcherischen Flaach, das bekannte Weingut von Tscharner auf Schloss Reichenau im Graubünden, wo Junior Johann-Batista nachgerückt ist, und last but not least das Weingut Schmidheiny im Rheintal, das zusammen mit dem Höcklistein Weingut am Zürichsee gelistet ist, Zwei Bisherige müssen den Platz für dieses Jahr räumen: das Weingut Nadine Saxer in Neftenbach (ihr ehelich verbandeltes Gut Aagne in Hallau bleibt auf der Liste) und Pirmin Umbricht in Untersiggenthal AG. Auch zwei der diesjährigen Rookies kommen aus der Deutschschweiz: Adrian Hartmann von Adrians Weingut in Oberflachs AG und Thomas Lampert in Maienfeld GR. Als GaultMillau-Ikonen und damit als Vorbild und Wegbereiter der gesamten Region gelten die Bündner Stars Martha und Daniel Gantenbein sowie Thomas Donatsch.
Die ausgezeichneten Winzer und Winzerinnen:
Patrick Adank
Alles spricht von seinem handgerüttelten Brut-Schaumwein. Stimmt, er ist sehr gut. Aber auch die vielen Weissen von Chardonnay bis Pinot blanc und die sechs verschiedenen Pinot noir sind jede Degustation wert. Hansruedi und Rezia Adank und Sohn Patrick in Fläsch sind ein bewährtes Team.
Ruedi & Beatrice Baumann
Der Blauburgunder ist die Lieblingstraube der Baumanns und ihrem Sohn Peter im Schaffhauser Klettgau. Einer ist besser als der andere, der edle Classique, der kraftvolle -R-, der saftige „ann mee“ und (mit Bad Osterfingen) der Zwaa. Nicht minder gut: Die Weissen.
Mathias Bechtel
Aus dem Nichts hat der junge Winzer ein Weingut aufgebaut und seinen eigenen Stil gefunden. Im neuen Keller in Eglisau entstehen das Flaggschiff Bechtus, ein intensiver Pinot noir, der kräftige Rosé Saignée und weisse Spezialitäten wie Räuschling und Sauvignon fumé.
Nadine & Cédric Besson-Strasser
Der Weinstil ist klar und puristisch, die Reben sind biodynamisch gepflegt, angepflanzt werden auch seltene Sorten wie Räuschling, Zweigelt und Malbec. Das Önologenpaar im Winzerkeller Strasser in Laufen-Uhwiesen am Rheinfall macht einen super Job.
Michael Broger Weinbau
Im Rebberg am Ottoberg wachsen Blumen und weiden Schafe, seine Top-Crus vergären spontan, er verzichtet aufs Filtrieren und bei der «broger-dynamischen» Linie auf Schwefel: Michael Brogers Blauburgunder sind allesamt gradlinig, seine Weissen spritzig und füllig.
Willi, Christine und Michael Burkhart
Unter der Ägide von Sohn Michael zählt das Weingut mit neuem Degustationshaus zum «Wunder vom Ottenberg». Unter den 20 Sorten bestechen der komplexe Schloss Weinfelden Burgunder, aber auch die weisse Rarität Kernling, Pinot blanc und Sauvignon blanc.
Georg Fromm
Er ist der grosse Meister des Blauburgunders. Seine fünf Pinot noir aus Einzellagen wie Fidler, Spielmann, Selvenen und Schöpfi, ein jeder mit eigenem Charakter, sind phänomenal! Neffe Walter und Sohn Marco arbeiten heute Seite an Seite mit Georg Fromm.
Irene Grünenfelder
Der Wein ist ihr Leben. Lange war das Weingut Eichholz in Jenins eine One-women-Show, jetzt hat sie Sohn Johannes an der Seite. Begehrt ist der Spitzen-Pinot Eichholz, bis 70-jährige Stöcke ergeben den Pinot Alte Reben. Neu die Schäumer Pet Nit und Crémant.
Familie Gysel
Hinter dem Familiengut Aagne (Schaffhauser Dialekt für Der Eigene) stehen Önologe Stefan Gysel und seine Frau Nadine Gysel Saxer. Süffiger Sauvignon blanc, feiner Riesling-Silvaner, würziger Merlot, toller Pinot blanc, hervorragender Pinot noir Barrique.
Matthias & Sina Gubler-Möhr
Nach Lehr- und Wanderjahren durch die Welt übernahmen die beiden Önologen das elterliche Gut von Sina Gubler-Möhr in Maienfeld. Der komplexe Pinot Noir Pilgrim wurde bald zum Flaggschiff, gefolgt vom Pinot Magnus und dem Clos Martha aus Maisprach.
Christian Hermann
Er kennt keine Kompromisse, wenn es um Qualität geht. Entsprechend klein bleibt sein Sortiment. Bei Christian Hermann in Fläsch gibt es einzig fünf Weine: Drei Pinot noir mit dem Topwein H vom Stritaberg, ein fruchtiger Riesling und ein faszinierender Chardonnay.
Roman Hermann
Seit 2017 führt Roman Hermann das elterliche Weingut in Fläsch. Voller Elan und Ideen geht er in die Zukunft, mit Pinot noir, Chardonnay und der alten Bündner Sorte Completer, den er in guten Jahren zusätzlich in der Linie Grand Maître ausbaut.
Urs & Regula Jauslin
Vom Rebgebiet in Muttenz ist über die Hälfte in der Hand der Jauslins, wo bereits Sohn Adrian in 5. Generation mitwirkt. Aus der grossen Weinpalette sticht der burgundische Pinot noir Grand Cru Hohle Gasse heraus, ein Grand Cru ist auch der Sauvignon blanc.
Ueli Kilchsperger NEU
Er tüftelt mit Ausbauarten und Gärzeiten, mit Holz und mit Keramik-Ei. Auf 4,5 Hektaren am Flaacher Worrenberg baut er sechs weisse und drei rote Sorten an, die zum edeln Pinot Invictus, dem seltenen Kernling oder dem spritzigen Riesling brut verarbeitet werden.
Ueli & Jürg Liesch
Die Hauptsorte der beiden Brüder Liesch vom Weingut Treib in Malans ist der Pinot noir. Sie keltern ihn in verschiedenen Varianten, neu sind der Tradiziun und der schwere Plaschair. Neu auch ein Merlot, bewährt der Rheinriesling und Sauvignon blanc.
Carina Lipp
Ein Paar, zwei Leidenschaften: Carina Lipp-Kunz ist Winzerin, ihr Mann Reto Schnapsbrenner in Maienfeld. Ihre Weinetiketten sind mit einem Motto beschriftet, ihre Weine grosse Klasse. Der Intuiva aus alten Reben, der Chardonnay, der Pinot noir. Und der Schaumwein Ja.Ja.Ja.
Rico & Susanne Lüthi
Ihre nur 2 Hektaren pflegen sie in Männedorf vom Rebschnitt bis zur Flaschenabfüllung eigenhändig und bestimmen so die Qualität ihrer Terroirweine von A bis Z. Ihr Pinot noir Barrique, der Räuschling, die rare Scheurebe und der Schaumwein zeigen Charakter.
Jan Domenic Luzi
Er ist mit jedem Weinstock auf dem nur 3 Hektar grossen Familiengut Sprecher von Bernegg in Jenins auf Du und Du. Hier produziert er einzig fünf biodynamische Weine, genauer: den eleganten Pinot Lindenwingert, den komplexen vom Pfaffen/Calander, Completer, Pinot blanc und Brut.
Daniel & Monika Marugg
Eine Parzelle ihrer 5 Hektar Rebland am Fläscherberg ist für den Pinot noir Intus reserviert, der 14 Monate im Eichenbarrique reift. Elegant die Pinot noir Sélection Bovel, interessant die Merlot-Malbec-Cuvée Schiefer sowie die Palette an Weissweinen.
Andreas Meier
Er war einer der Ersten, der Barriqueweine nach Burgunder Vorbild machte. Und seine Rebschule ist zudem eine der wichtigsten der Schweiz. Spitzenreiter der Weinpalette ist die Linie Kloster Sion mit Pinot noir, Réserve, Pinot gris. Blanc de Noirs und einem neu-en Chardonnay.
Annatina Pelizzatti, Pelizzatti Weine, Jenins GR.
Erich Meier
Er ist ein Winzer voller Experimentierfreude, aber auch ein Perfektionist. Seine Weinflaschen stehen Kopf (auf dem Etikett), seine Weine zeigen eine klare Handschrift, grosse Eleganz und Souplesse. Spitze sind Pinot noir Kirche, Chardonnay, Viognier und Merlot.
Johannes Meier
Nachgerade berühmt ist der Pinot noir vom Schlossgut Bachtobel: die süffige No 1, die fruchtige No 2, die barriquegereifte No 3 und in den guten Jahren der Cru No 4. In der Palette mit den herausgestanzten Buchstaben fällt auch MX auf, ein eleganter Mousseux.
Manfred Meier
Im bündnerischen Zizers pflegt Manfred Meier 5 Hektaren Rebland, der grösste Teil ist mit Pinot noir bestockt. Er verarbeitet diesen gleich in vier Spielarten: PN für Basiswein, PS für Sélection, PC für Cuvée, PR für Réserve. Top auch S Sauvignon blanc und RC Rosé Cuvée.
Michael Meyer
Tradition wird bei Michael und Ariane Meyer in Bad Osterfingen mit Herzblut gepflegt. Ihr Weingut gibt es seit 1472, die hausgemachten Spätzli auch seit ewig. Top sind auch die Weine, der Blauburgunder Badreben Abt, die Reserve Privée. der Merlot und der Zwaa.
Christian & Francisca Obrecht
Das kreative Winzerpaar führt das Weingut in Jenins mit der Sonne als Wahrzeichen gemeinsam. Sie haben früh auf Biodynamie umgestellt und auch früh einen Schaumwein produziert. Die beiden Brut Rosé und Blanc sind top, Flaggschiff bleibt der Pinot noir Monolith.
Toni Ottiger
Das Weingut Rosenau in Kastanienbaum am Vierwaldstättersee wurde von zwei ehemaligen Winzer-Lehrlingen übernommen. Kevin Studer und Denis Koch führen es in die Zukunft, mit dem bewährten Pinot noir, aber neu auch mit Vin Naturel in drei Varianten.
Annatina Pelizzatti
Mutter Annatina und Tochter Laura setzen auf Handarbeit und auf einen persönlichen Weinstil. Gradlinig der auf Schiefer gewachsene Pinot blanc, komplex der Pinot noir Sélection Barrique und der Merlot Sorso - alle Weine geschmückt mit neuer Etikette.
Urs Pircher
Das Weingut mit den steilsten Rebhängen des Kantons Zürich hat Wein-Pionier Urs Pircher seinem Patensohn Gianmarco Ofner übergeben. Zu 60 Prozent wächst hier Pinot noir, meisterlich verarbeitet zum Pinot Stadtberg. Super auch der Riesling, neu der Mousseux Rosé.
Markus Ruch
Er ist ein leidenschaftlicher Pinot-noir-Fan. Im Schaffhauser Klettgau fand Markus Ruch das ideale Terroir. Der Hallauer Chölle, der Hallauer Haalde und der Gächlinger Schlemmweg sind der schönste Beweis. Doch auch mit Pét-Nats und Cidres macht er sich einen Namen.
Roman Rutishauser
Er führt das Familiengut Am Steinig Tisch in neue Höhen. Und prägt die Weinpalette mit seinen Kreationen wie dem Kerner Barrique Jungspund, dem Sauvignon blanc Intense fumé und dem Cal 1-28, eine rote Piwi-Sorte mit drei Jahren Barriqueausbau.
Lisa Schmidheiny NEU
Das Weingut Höcklistein in Rapperswil-Jona am Zürichsee ist seit letztem Jahr dabei, jetzt stösst auch das Schmidheiny-Weingut im Rheintal zur Spitze vor. Lisa Schmidheiny ist als fünfte Generation dabei, als Önologe wirkt Andreas Stössel. Terroirbetonte Einzellagen wie der Räuschling Höcklistein und der Johanniter aus Heerbrugg überzeugen.
Alain Schwarzenbach & Marilen Muff
Sortenreines und Rares, klar strukturiert. Nach diesem Motto pflegt das Winzerpaar in fünfter Generation die Schwarzenbachweine in Meilen. Grosse Klasse ist der Pinot noir Sélection, weit herum bekannt der Räuschling, rar der Completer und der Freisamer.
Susi Steiger-Wehrli
Verschiedene Terroirs prägen die Weine dieses Familienguts in Küttigen: Der Muschelkalk in Küttigen, das Eisenerz in Erlinsbach oder die Moräne in Seengen. Spannend, die verschiedenen Pinot noirs, Riesling-Silvaner, Sauvignon blancs zu vergleichen.
Thomas Studach
Drei Hektaren Reben in Malans, ein Winzer mit konsequentem Selektionsdenken: Thomas Studach macht Weine von grosser Eleganz. Es sind genau drei: ein komplexer Malanser Pinot noir Barrique, ein jodig-salziger Completer, ein knackiger Chardonnay.
Gian-Battista & Johann-Baptista von Tscharner NEU
Das Schloss Reichenau mit seinem Weinkeller und seiner Kapelle ist ein prächtiger Ort und beliebt für Hochzeiten und andere Feiern. Genauso beliebt und prächtig sind die Weine von Vater und Sohn von Tscharner, die verschiedenen Pinot noir, der Pinot blanc, der Schiller.
Manuel Tresch
Urner Wein, der - zumindest der Blauburgunder und der Diolinoir - auch in Barriques aus Urner Eichenholz gereift ist. Was exotisch tönt, beweist Manuel Tresch im Weingut zum Rosenberg in Altdorf. Neben den beiden Rotweinen baut er auch Pinot grigio und den weissen Solaris aus.
Weingut Wegelin
Peter Wegelin hat die Leitung seines Scadena-Weingut in Malans an Rafael Hug und dessen Frau Mathilde übergeben. Neu sind die Etiketten, neu das Logo, neu die Philosophie, vermehrt auf Lagenweine wie Bothmarhalde und Weisstorkel zu setzen.
Martin Wolfer
Seine Rotweine sind füllig-samtig, die Weissen würzig-rassig. Martin Wolfer führt das auf seine besondere Lage am Bründlerberg in Weinfelden zurück. Besonders am Herzen liegt ihm der Pinot noir, der Grand Vin ist und bleibt sein Aushängeschild.
Familie Zahner
Pinot blanc und Pinot noir, diesen Burgundersorten gilt die Leidenschaft von Niklaus Zahner. Gut gelungen der Truttiker Pinot noir barrique, eine von vielen verschiedenen Stil-Varianten. Zum Markenzeichen wurde der Schaumwein aus Pinot blanc.
Hanspeter Ziereisen, Urs Ullrich
Das kleine Basler Weingut Riehen ist ein wahres Bijou. Und ein Markstein für die Burgundersorten Pinot noir und Chardonnay. Die Bezeichnung Le Grand dürfen beiden Grand Crus aus diesen Trauben führen, Le Petit steht für Ortslagen, L’Unique für Village-Weine.
Fotos: Hans-Peter Siffert, Jürg Waldmeier, Sarah Vonesch
