Text: Elsbeth Hobmeier I Fotos: Hans-Peter Siffert

Weisse Schweizer Weine, Jahrgang 2011. Hartnäckig hält sich der Glaube, dass Schweizer Weine möglichst bald nach dem Abfüllen getrunken werden sollten. Allen voran jene aus unserer wichtigsten weissen Traube, dem Chasselas. Diese Überzeugung muss revidiert werden. Die Vereinigung Mémoire des Vins Suisses betont dies seit Jahren, indem sie von den besten Schweizer Winzern jedes Jahr ein Kontingent eines Weins zur Seite legen lässt. Als wichtigster Anlass der Schweizer Weinszene konnte dieses Jahr wieder das Swiss Wine Tasting durchgeführt werden. Im umgebauten Zürcher Kongresshaus präsentierten sich insgesamt 140 Schweizer Spitzenproduzenten. Es konnte nach Herzenslust degustiert und diskutiert werden. Besonders attraktiv die Sonderschau zum «Swiss Wine Vintage Award»: Alles Flaschen mit Jahrgang 2011, also zehn Jahre lang gereift!

Verkostung 70 der besten Schweizer Weine des Jahrgangs 2011. Kongesshaus, im Hintergrund Gerda Steiner & Jörg Lenzlinger, «Maskenball der Biodiversität», 2021

«Swiss Wine Vintage Award»: 70 Flaschen standen zur Verkostung bereit. Alle mit Jahrgang 2011, also zehn Jahre lang gereift!

Der «Brez» von Raymond Paccot. Dass ein Completer, ein Syrah, ein süsser Marsanne ein gutes Alterungspotenzial haben, ist kein Geheimnis. Dass aber ein Chasselas nach so vielen Jahren immer noch von bemerkenswerter Frische ist und sich zugleich mit Kraft und Rundheit präsentiert, verblüfft viele Weinkenner. Nicht weniger als acht Chasselas aus der Côte, dem Lavaux und Chablais behaupteten sich unter den 70 besten Weinen mit Jahrgang 2011. Ganz besonders gut gefiel der «Le Brez 2011» von der Domaine La Colombe in Féchy, die heute von «Ikone» Raymond Paccot (grosses Bild oben) und seiner Tochter Laura geführt wird. Raymond Paccot kultivierte diesen Wein auf einer Parzelle mit tiefgründigem, kiesigem Kalkboden: «Der Brez ist mineralisch, dynamisch und gradlinig wie ein Blitz.» Glücklich, wer ihn rechtzeitig in den Keller gelegt und dort «vergessen» hat.

Best of Sauvignon blanc & Pinot noir. Die üblichen grüne Grasnoten und pikante Aromen wie Paprika und Stachelbeeeren sucht man im Sauvignon Coteaux de Dardagny 1er Cru Barrique 2011 vergeblich. Die Genfer Winzerin Emilienne Hutin hat hier ein Meisterstück produziert, das sich seine Frische über die Jahre hinweg bewahrt hat, mit diskretem Holzeinsatz gefällt und mit einer Fülle an exotischen Fruchtaromen überrascht. Den grössten Anteil unter den 70 prämierten Weinen beansprucht die Traubensorte Pinot noir. Ihr Alterungspotenzial steigt enorm, wenn sie in einer Eichenbarrique reifen darf. Dies beweist der Pinot noir élevé en barrique 2011 von Lüthi Weinbau in Männedorf. Der am Ufer des Zürichsees gewachsene zehnjährige Rotwein zeigt ein sattes Rubinrot und schöne Aromen von schwarzen Kirschen und wilden Beeren. Rico und Susan Lüthi: «Unsere Weine sollen Charakter haben. Jeder Jahrgang ist Herausforderung und Überraschung zugleich.» Noblesse und perfekte Ausgewogenheit zeigt der Pinot Noir Pur Sang 2011 der Caves de Chambleau. Hoch über dem Neuenburgersee keltert Louis-Philippe Burgat hervorragende Weine, sein Pur Sang gehört zum Besten, was die Schweizer Weinlandschaft hervorbringt. Dass er auch nach zehn Jahren noch eine derartige Präsenz und Fülle offenbart, ist imponierend. Ein Kompliment allen Winzern, die solches schaffen.

 

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