Gerold Theiler, steht bei Ihnen zu Hause eine Flasche Wein im Kühlschrank?
Ja, ein Sancerre von Baron de Ladoucette. Er ist noch nicht entkorkt und wartet auf einen schönen Sommertag. Irgendwann diese Woche werde ich ihn wohl abends öffnen. Bei mir steht eigentlich immer eine Flasche Weisswein im Kühlschrank – allerdings meist ohne Backup. Wenn ein Wein Kork hat, habe ich ein Problem.
Ein Wein aus Ihrem Sortiment?
Tatsächlich. Aber das ist Zufall, ich probiere auch gerne Weine von anderen Anbietern.
Könnten Sie das Casa-del-Vino-Sortiment kurz umreissen?
Unser Sortiment ist sorgfältig kuratiert und qualitativ vergleichsweise hochwertig – gut die Hälfte der Produkte im Webshop kosten über 50 Franken. Auch wenn da Magnumflaschen und Raritäten mitgezählt sind, ist das relativ viel. Schwerpunktregionen sind Spanien, Italien, Frankreich und Portugal. In der Regel ausgewählte, tolle Winzer…
… die auch im Rahmen des Festival Casa del Vino in Zürich zu Gast sein werden.
Ja, ich freue mich sehr, dass an der Veranstaltung am 1. September im Zürcher Kaufleuten Weingüter wie Aalto, Hacienda Monasterio, Niepoort, Terlan, Mauro, Trinoro und als grosses Highlight Château Lynch-Bages vertreten sein werden. Wir präsentieren erstmals alle Regionen, die wir im Sortiment haben, an einem einzigen Anlass. 200 Weine werden ausgeschenkt! Jeder, der dort war, wird danach wissen, dass wir nicht nur hervorragende Spanier verkaufen, sondern ganz Europa abdecken.
Sie sind erst seit einigen Wochen als neuer CEO bei «Casa del Vino» tätig. Wie gut kennen Sie das Sortiment?
Ich würde mal sagen, ich könnte gut die Hälfte unserer Weine einigermassen kompetent umschreiben. Vielleicht nicht jeden einzelnen Jahrgang, vielleicht nicht im Detail. Wir degustieren hier ja auch jeden Montag zusammen und nehmen uns dabei jeweils ein Thema vor. Wir vergleichen verschiedene Weine einer Preisklasse und Region. Oder einen ganzen Jahrgang. Was auch hilft: Weil ich vor meiner Zeit im Weinhandel als Sommelier in der gehobenen Gastronomie tätig war. Manche Winzer kenne ich auch daher schon länger.
Zu Gast am Festival Casa del Vino in Zürich: die Kellerei Terlan im Südtirol.
Wie lange sind Sie schon im Handel tätig?
Seit 1997, damit bin ich inzwischen schon ein Urgestein im Schweizer Weinhandel. Ich war zuvor bei Baur au Lac, Bindella und Globalwine. Nicht schlecht für jemanden, der eigentlich eine Kochlehre gemacht hat – und eher zufällig zum Wein kam.
Erzählen Sie!
Nach meiner Kochlehre machte ich eine Service-Stage im «Tübli» von Martin Surbeck in der Stadt Zürich. Dort gab es einen Sommelier, der Weine dekantierte. Gläser avinierte. Ich war komplett fasziniert, löcherte ihn und vergass fast, meine eigentlich Arbeit zu machen. Nach weiteren Monaten bei Rosa Tschudi im Bären Nürensdorf und meiner RS rief mich der «Tübli»-Besitzer Urs Wehrli an, er suche einen Sommelier. Ich sagte, ich würde grad niemanden kennen – dabei meinte er mich! Das war mein Einstieg.
Eigentlich kann man sich den Beruf eines Kochs oder eines Sommeliers besser vorstellen als Ihren Job. Wie sieht ein typischer Arbeitstag aus?
Den gibt es so eigentlich nicht! Klar, beantworte ich morgens wie alle zuerst meine Mails, laufe dann durch unsere Büros und begrüsse jeden Mitarbeiter mit einem klassischen Handshake. Ich spüre, dass das geschätzt wird.
Damit ist der Tag noch nicht voll, oder?
Es kann sein, dass ich danach mit den Verkäufern Kunden besuche. Oder dass ich mit den Einkäufern auf Weinreise bin, um die Zulieferer kennenzulernen. Wir wollen verstehen, was die Winzer bewegt, wohin sie sich entwickeln und was wir zu deren Erfolg beitragen können. Als ich eingearbeitet wurde, habe ich sogar Schichten im Lager gemacht. Und ich war mit unseren Chauffeuren unterwegs.
Sie haben also die sogenannte letzte Meile zum Kunden selbst in der Hand?
Nicht in der ganzen Schweiz, das wäre umwelttechnisch mit zu vielen Leerfahrten verbunden. Aber im Raum Zürich, Zug oder Luzern liefern wir von unserem neu organisierten Standort Rupperswil selber aus. Das ist uns wichtig – wir spüren so, was die Kunden unter den Nägeln brennt.
Letztes Jahr stiess das Festival Casa del Vino im Zürcher Kaufleuten auf grossen Anklang.
Gab es schon Highlights, was die Reisen zu den Winzern betrifft?
Grossartig war der Besuch bei Dirk Niepoort. Wir waren mehrere Tage unterwegs und besuchten sämtliche Weingüter dieses Ausnahmewinzers. Ihn selbst haben wir am ersten Mittag getroffen – er hat nicht nur uns empfangen, sondern dann auch gleich ein paar Freunde eingeladen, deckte eine grosse Tafel auf, entkorkte ein paar Raritäten. Wie bei mir zu Hause scheint auch bei Dirk nicht das Sofa, sondern der Tisch das wichtigste Möbelstück im Haushalt zu sein.
Weitere Eindrücke von dieser Reise?
Ich kannte, wie viele Weintrinkerinnen und Weintrinker, vor allem die Portweine von Niepoort. Aber er macht auch grossartige Weiss- und Rotweine, die eher leichtfüssig und verspielt, ja fast burgundisch daherkommen. Und ich mag die Steillagen am Douro sowieso sehr, ich war vierzehn Jahre nicht mehr dort.
Lassen Sie uns noch ein Spiel spielen. Ich sage Ihnen drei Situationen – und Sie sagen mir, welcher Wein dazu passt. Erstens: Ein Tisch mit sechs Gästen - und jeder hat einen anderen Hauptgang bestellt.
Ich würde einen «Passarosso» von Vini Franchetti entkorken. Wir haben diesen eher leichten Wein aus der sizilianischen Ätna-Region erst vor kurzem ins Sortiment genommen. Ein sehr eleganter Wein, der zu Fleisch oder Fisch passt.
Halten Sie in dem Fall daran fest, dass man zum Hauptgang eher Rotwein ausschenkt?
Überhaupt nicht, es kann auch ein Grosses Gewächs aus Deutschland sein. Nun gut, ich gebe zu, dass ich nicht allzu oft Roséweine trinke.
Zweite Situation: Jemand sucht einen Wein als Geschenk, möchte aber preislich unter 50 Franken bleiben.
Ich würde wohl einen Spanier empfehlen. Vielleicht einen Ribera del Duero? Ja, einen «Preludio de Sei Solo». Das Traubengut stammt von bis zu 80-jährigen Reben im Hochland von Ribera. Dieser Tempranillo ist ein Schlager aus unserem Sortiment! Der Name des Weins ist Hommage an das Opus von Johann Sebastian Bach. Ich habe ja selber während der Covid-Zeit angefangen Klavier zu spielen. Und mir so einen Kindheitstraum erfüllt.
Dritte Situation. Sie sind bei einer Bekannten eingeladen – und wissen bloss, dass es etwas Asiatisches geben soll. Was bringen Sie mit?
Da sind wir wieder bei Dirk Niepoort. Ich würde wohl einen weissen «Coche» mitnehmen, es ist der wohl exklusivste Lagenwein von ihm. Er hat eine exotische Aromatik, schmeckt merklich nach Mandarinen, hat eine präsente Säure. Das passt garantiert. Ich durfte vor kurzem einen 2014er probieren – und war überrascht, wie frisch, finessenreich und komplex sich dieser Wein im doch fortgeschrittenen Alter zeigt. Wunderschön, auch für mich als Profi!
Kochen Sie eigentlich noch immer?
Sicher, aber viel einfacher wie früher als Koch. Gestern Abend gab es zum Beispiel ein Omelett mit Pilzen.
Und den Wein dazu?
Es gab keinen Wein. Darum ist der Sancerre im Kühlschrank ja noch nicht angebrochen.
>> Gerold Theiler ist CEO von «Casa del Vino» und seit mittlerweile bald 30 Jahren im Weinhandel tätig. Zusammen mit 40 Winzern, die das «Casa del Vino»-Sortiment repräsentieren, wird er am 1. September im Zürcher «Kaufleuten» sein. Tickets gibt es hier. Weitere Informationen unter www.casadelvino.ch.
Fotos: HO, Salvatore Vinci