Fotos: Sedrik Németh
Chasselas an 7 Tagen pro Woche. Deutschschweizer trinken ihn gern zum Fondue oder zum Raclette. Die Romands lieben ihn als «Vin de soif» oder zu Eglifilets. Aber Chasselas, noch immer die am häufigsten angebaute weisse Traubensorte im Land, kann viel, viel mehr. Angetreten, um dies zu beweisen, ist Sommelier Pierre-Marie Faure (grosses Bild oben) von der Brasserie du Grand Chêne im renommierten «Lausanne Palace». Er hat ab dem 1. Oktober für seine Gäste sensationelle 30 Flaschen Chasselas im Offenausschank parat – wohlgemerkt: Das emsige Lokal ist täglich geöffnet. Auf der Karte vertreten sind so bekannte Namen wie La Colombe, Louis Bovard oder die Walliser Winzer-Ikone Marie-Thérèse Chappaz.
Passt zu Chasselas: Die Vorspeise mit dreierlei Austern, Langusten und Riesencrevetten.
Hat vom ersten Moment an das Projekt seines Sommeliers geglaubt: Palace-General-Manager Quentin Delohen (m.) mit Gästen.
«Müsste der Wein der Stunde sein.» Um auf die Lancierung anzustossen, war auch der Experte für genetische Studien von Rebsorten, José Vouillamoz, zum Mittagessen gekommen: «Eigentlich ist es seltsam, dass niemand vorher diese Idee gehabt hat», kommentierte der Biologe, der vor einigen Jahren mittels DNA-Analysen belegen konnte, dass die Traubensorte ihren Ursprung am Genfersee hat und nicht im Nahen Osten, wie lange geglaubt wurde. Als vielfältig einsetzbarer Wein, der meist nicht allzu viele Volumenprozent mitbringe, so waren sich Vouillamoz und seine Tischgenossen einig, müsste Chasselas eigentlich der Wein der Stunde sein.
Die zweistöckige Brasserie kann fürs Servicepersonal eine Herausforderung sein.
Beliebt bei «Tout Lausanne» & ausländischen Gästen: Brasserie du Grand Chêne.
«Eine gelungene Auswahl», fand Swiss-Wine-Direktor Nicolas Joss.
Sogar französischer Chasselas! So ziemlich gleicher Meinung war der anwesende Swiss-Wine-Direktor Nicolas Joss. Er betonte die Eigenschaften der Traubensorte als Terroirwein, der wie kein anderer Boden, die Arbeit des Winzers und den Jahrgang zeige: «Gut, wurden auf der neuen Weinkarte nicht nur die bekannten Waadtländer Chasselas berücksichtigt, sondern auch Abfüllungen aus Basel, Genf, Wallis». Sogar einen Pet Nat (Mermetus), einen Orange Wine (Anne-Claire Schott) oder ein Chasselas aus Frankreich lassen sich in der Brasserie verkosten. Wie alle Anwesenden genoss Joss bei seinem letzten Einsatz für Swiss Wine die klassische Brasserie-Küche. Sie gesellte sich, so war bald klar, ganz hervorragend zu den servierten Weissweinen.
Hatte am Ende alle Gäste «im Sack»: Küchenchef Guillaume Soares.
«Wieso kommt das Konzept erst jetzt?», fragte sich Experte José Vouillamoz.
Austern, Pastetli & Käse. Aufgetischt wurde erst eine Auswahl Meeresfrüchte: dreierlei Austern, Langusten und Riesenkrevetten. Zu den iodigen Aromen gefiel etwa der «La Côte» 2024 von Henri Cruchon bestens. Als nächstes wurde eine Königinnenpastete mit Kalbsbries und Sot-l’y-laisse aufgetischt. Ins Glas kam dazu unter anderem der älteste Chasselas auf der Karte: ein Dézalay vom Jahrgang 1985 von Frères Dubois. Auch nach vierzig Jahren zeigte sich der Weisswein dank tragender Säure noch auffallend parat; Dörraprikosen, Honig und Haselnüsse waren im Bukett auszumachen. Schliesslich liess Küchenchef Guillaume Soares danach noch einen «Chèvre» von Duttweiller und als Dessert Baba à la Williamine servieren – und hatte spätestens damit die Gäste in der Tasche.
Anrichten des Hauptgangs: Königinnen-Pastete mit Kalbsbries, Sot-l'y-laisse und Rahmsauce.
Pierre-Marie Faure trinkt Chasselas, wenn er «traurig oder glücklich, alleine oder in guter Gesellschaft» ist.
Dessert: Das «Baba» gab's diesmal mit Williamine statt mit Rum.
Bald Probiersets? Auch Sommelier Pierre-Marie Faure, übrigens ein gebürtiger Franzose, war bester Laune und verriet, dass er Chasselas trinke, wenn er «traurig oder glücklich, alleine oder in guter Gesellschaft» sei. Doch wie soll man sich bei so viel offenen Chasselas orientieren? Er wies darauf hin, dass die Weine auf der Karte in drei Gruppen unterteilt seien: In «leichte, spritzige Weine», in «exotische» und in Weine, die an «eingelegte Früchte» erinnerten. Aber natürlich stehe er seinen Gästen gerne jederzeit beratend zur Verfügung. Vielleicht führe man ja bald schon ganze Chasselas-Flights mit je vier Halb-Dezi-Proben ein: «Es ist ein Projekt, das sich noch entwickeln wird!» Darauf konnte man anstossen! Auch dafür bietet sich Chasselas ja regelrecht an.