Jan Schwarzenbach, es ist Herbstzeit - Weinlesezeit! Welches optimale Wetter wünschen sich Winzer und Weinfachleute?

Grundsätzlich bitte keinen Regen während der Ernte, denn er verdünnt Zucker und Aromen. Auch in den Tagen vor der Weinlese sollte es besser trocken sein. Während der Lesezeit sind möglichst kühle Nächte und nicht zu heisse Tage von Vorteil, damit die geernteten Trauben nicht oxydieren. So sieht das ideale Wunschprogramm aus!

 

Der 2017er Jahrgang litt im Frühling an teilweise schlimmem Frost. Wie hat er sich inzwischen entwickelt?

Es gibt wenig Menge, aber viele Winzer sind optimistisch, was die Qualität anbelangt. Von Mai bis und mit August war es ja recht heiss und trocken, was für die Qualität generell gut war. Leider zeigte sich der September eher regnerisch und daher nicht gerade ideal. Wegen dem Frost und den daraus resultierenden unterschiedlichen Reifegraden der Trauben ist die Ernte dieses Jahr etwas aufwändiger. Wie der Jahrgang wird, lässt sich erst sagen, wenn der Jungwein im Keller ist.

 

Einige Weingüter schwören auf Handarbeit, andere schicken Erntemaschinen durch die Rebberge. Zeigt sich ein Unterschied im späteren Wein?

Wichtig ist, dass der Winzer die optimale Reife seiner Trauben erwischt. Die Handlese ist ideal, wenn genügend und gut instruierte Leute zum richtigen Zeitpunkt zur Verfügung stehen. In grossen Gütern, in flachen Rebbergen oder auch in heissen Ländern, wo während der Nacht geerntet werden muss, kann der Einsatz einer Maschine besser sein. Diese arbeiten heute gut und sauber. Aber in gewissen Lagen, etwa dem steilen Lavaux, könnten sie gar nicht eingesetzt werden.

 

In Frankreich erteilt die Gemeinde oder Region eine Lesegenehmigung. In der Schweiz entscheidet der Winzer selber. Was finden Sie besser?

Der Winzer ist ein freier Unternehmer, der auch das Risiko selber trägt. Ich finde, er soll selber entscheiden können. Er tut dies ja bestimmt im Interesse, einen möglichst guten Wein zu machen.

 

Der Weg von der Rebe zur Presse sollte möglichst kurz sein, sonst drohen Essigstich und Oxydation. Liegt hier ein Unterschied zwischen Weinen von renommierten Gütern und von Gross- und Genossenschaftskellereien?

Wenn ein Unterschied, dann sicher kein massgeblicher. Das Schwarz-Weiss-Schema «klein gleich gut» und «gross gleich schlecht» stimmt schon lange nicht mehr. Es hängt weit eher von der Leitung eines Kellers und vom Organisationstalent dieses Leiters ab. Der Saft darf nicht ungekühlt herumstehen, gesunden Trauben kann eine kurze Wartezeit nichts anhaben. Natürlich ist das Handling grosser Traubenmengen schwieriger und anfälliger für Fehler. Aber mit genügend Tanks und Personal sollte auch dies kein Problem sein.

 

Apropos Presse: Merkt man, ob die Trauben auf einer historischen Holzpresse oder einer modernen hydraulischen Maschine gepresst wurden?

Dies lässt sich besser messen und vergleichen als die Hand- oder Maschinenlese. Es gibt sicher Unterschiede, wichtiger sind jedoch Faktoren wie: Wieviel Holz wird eingesetzt? Neue oder gebrauchte Fässer? Wie lange liegt der Wein auf der Maische? Wieviel Druck wird beim Pressen ausgeübt? All das sind einzelne Bausteine auf dem Weg zu hoher Qualität, die ein Winzer oder Önologe einsetzen kann. Übrigens werden in den letzten Jahren wieder mehr vertikale Korbpressen verkauft. 

 

Was heisst Spätlese? Und was ist ein Eiswein?

Spätlese ist ein in Deutschland und Österreich oft verwendeter Ausdruck. Früher stand er rein für einen höheren Zuckergehalt - inzwischen braucht man ihn eher im Sinn einer «Riserva» oder «mein kräftigster Wein». In Deutschland hat heute «Grosses Gewächs» oft die Spätlese ersetzt. Beim Eiswein liegt die Sachlage klarer. Die Trauben müssen gefroren geerntet werden, das heisst bei rund minus 8 Grad. Das kann manchmal schon im November, oft aber auch erst im Januar der Fall sein. Eiswein ist extrem konzentriert, weist einen hohen Zuckergehalt, aber auch eine kräftige Säure auf. Er ist rar und daher teuer.

 

Haben Sie selber auch schon bei einer Weinlese mitgearbeitet? Wie war das?

Während meiner Ausbildung in Australien machte ich insgesamt fünf Ernten in verschiedenen Regionen mit, danach einmal eine Lese am Thunersee. Es war anstrengend, aber auch sehr aufregend für mich, vor allem die Arbeit im Keller: Haben wir genügend Material, schaffen wir es, alle Trauben gleich nach dem Pflücken zu pressen? Bringen wir die Ernte gut in den Tank? Organisation ist hier das A und O. Es war und ist immer wieder ein grosser Moment.

 

>> Jan Schwarzenbach (geboren 1976), ist Leiter Direktverkauf Wein am Hauptsitz von Coop in Basel. Im März 2016 absolvierte er erfolgreich die Prüfung als Master of Wine MW - eine äusserst schwierige Ausbildung, die in der Schweiz zuvor erst drei Fachleute bestanden haben.

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